Mit 20 war ich sowas von im Flow, dass ich meinte, es gebe nur eine Richtung im Leben: Steil aufwärts.
Erfolgreich abgeschlossene Banklehre, Jungschar gegründet, 1. August-Redner im Dorf, mehrere Camps organisiert …
Ein Jahrzehnt – und manche Lebenserfahrung – später, war mir längst klar: Im Leben kann es nicht nur aufwärts gehen. Irritationen, Scheitern und Brüche gehören genauso dazu.
Zu einem bereits gut gefüllten Alltag mit unterschiedlichen Verpflichtungen kam quasi obendrauf noch der Familienalltag mit Kleinkindern. Wir zahlten als Paar teures Lehrgeld, weil plötzlich nicht mehr alles möglich war (war es natürlich schon vorher nicht – und doch: geht nicht, gabs irgendwie nicht), die Kräfte nicht mehr reichten, Enttäuschungen und Anfeindungen verarbeitet werden mussten.
Auch in dieser Phase gabs zum Glück immer wieder schöne Flow-Erfahrungen. Wir wurden aber auch arg ausgebremst. Und so wurde uns an unserem eigenen Erleben deutlich, was ja eigentlich schon klar war: Eine Lebenskurve ist selten gerade – und vor allem führt sie nicht fortwährend steil aufwärts.
Das 3D-Leben
Nochmals knapp zwei Jahrzehnte – und so manche Horizonterweiterung – später, scheint mir auch diese Sicht von der auf- und abwärts führenden Lebenskurve zu kurz gegriffen. Das Leben verläuft nicht einfach linear mal nach oben, dann wieder etwas nach unten.
Dies passt ja auch nicht in das 3D-Zeitalter. Das Leben ist einfach komplexer als es die Einteilung in Höhepunkte und Tiefschläge zulassen würde.
Je länger je mehr komme ich mir wie auf einer wilden Fahrt auf einer Achterbahn vor – am besten noch unter erschwerten Bedingungen, sagen wir mal eine Achterbahnfahrt im Nebel: Du weisst nicht, was als Nächstes kommt. Noch gerade ging es steil aufwärts, dann runter und unvermittelt geht’s in eine gewaltige Rechtskurve (oder war es links?) …
Leben pur, Orientierung nicht einfach.
Vor knapp zwei Wochen gönnte ich mir eine Auszeit im Solbad. Zwischen den Saunagängen reflektierte ich Tagebuch schreibend über meinen Alltag. Dabei durfte ich feststellen: Nach einem nicht einfachen Herbst haben sich Dinge am Anfang des neuen Jahres in eine gute Richtung entwickelt. Hoffnungsvoll habe ich meinen Auszeittag beendet.
Der Hammer folgte 24 Stunden später: Was sich für uns als Familie gerade so hoffnungsvoll entwickelte, wurde jäh ausgebremst. Statt steil aufwärts geht’s die Steilwandkurve runter und die Gefühlsachterbahn nimmt Fahrt auf – mit Höchstgeschwindigkeit.
Auch wenn ich hier (für den Moment) keine persönlichen Details preisgeben will, bestimmt kannst du dir vorstellen, wie es uns geht – weil du solches auch schon erlebt hast: Rauf, runter, links, rechts – wo stehen wir eigentlich? – man, ist das ungerecht! – und jetzt? …
Du bist nicht alleine!
In dieser ungemütlichen Situation sind wir gerade einige Dinge am Buchstabieren. Eines davon ist: Wir sind nicht alleine!
Gerne glauben wir ja an einem Tiefpunkt im Leben, der Lüge, wir wären die Ärmsten und besonders hart vom Leben geschlagen. Das stimmt nicht!
Natürlich wissen wir das. Doch wenn wir uns im Jammertal ins Schneckenhaus zurückziehen, sehen wir nur Menschen, die es besser haben als wir.
Während ich aber mit anderen über unsere Situation sprach, ist mir von schwierigen Lebenssituationen berichtet worden, die mich nicht kalt lassen.
Tatsache ist: Auch bei anderen – selbst wenn sie wunderschöne Fotos auf Insta teilen – geht nicht alles wie „am Schnüerli“, geht nicht alles glatt, scheint nicht jeden Tag die Sonne!
Lass dir helfen!
Wir sind so dankbar für gute Menschen an unserer Seite: Familie und Freunde, die unsere Not mittragen, Menschen, die Anteil nehmen und für uns beten, und wir sind dankbar für die professionelle Hilfe – von der Psychologin bis zum Rechtschutz.
Diese Kombi von Freunden und professioneller Hilfe wünsche ich allen, die das 3D-Leben auf der Achterbahn in seiner ganzen Komplexität erfahren: Wir müssen nicht verschweigen, was uns belastet. Und wir müssen nicht irgendwelche Helden spielen, die keine Hilfe brauchen.
Oder wie mir gestern jemand anvertraut hat: Die gutgemeinten Notfallkügeli der Eltern haben leider nicht gereicht, um ein traumatisches Erlebnis meiner Jugendzeit zu verarbeiten.
Und mir hilft, zu wissen, dass Gott da mit mir auf der Achterbahn des Lebens ist – selbst wenn ich meine Fragen an ihn habe und ich so manches einfach nicht verstehe. Er ist da. Vielleicht verhindert er nicht den freien Fall. Doch er fängt mich am Ende auf.
Glücksaufgabe
Vielleicht gibt es in deinem Leben gerade keinen Nebel und keine Steilwandkurven. Dann freu dich dran, sei dankbar und bete vielleicht für jemanden, der es gerade ganz anders erlebt.
Und wenn du selbst Tiefschläge zu verdauen hast und dich kaum orientieren kannst: Lass dir helfen! Rede mit Freunden und lass die Unterstützung von Profis zu.