Smalltalk – muss das sein?

Bist du eine Person, die gerne alleine einen Event besucht, ohne zu wissen, ob du an diesem Anlass ein bekanntes Gesicht treffen wirst?

Oder geht es dir eher wie vielen anderen auch, die sich in einem unbekannten Umfeld weniger wohlfühlen – nach dem Motto: Es ist ja gut, ab und zu die Komfortzone zu verlassen, aber übertreiben muss man es ja auch wieder nicht?

Anders gefragt: Wenn du beispielsweise eine Konferenz besuchst und von der Moderation aufgefordert wirst, die kommende Networkingzeit als Gelegenheit zum Knüpfen neuer Bekanntschaften zu nutzen, was geht dir da durch den Kopf?

Mir geht es so, dass ich an solchen Konferenzen und Events häufig alte Bekannte sehe und lieber diese Kontakte auffrische, als neue Menschen kennen zu lernen.

Trotzdem, dass ich nicht superaktiv auf neue Leute zugehe, hat sich über die Jahre ein weites und stabiles Netzwerk gebildet.

«Von wo kenn ich all diese Leute?» frag ich mich gerade. In erster Linie aus den zahlreichen Projekten und unterschiedlichen Engagements in Kirche, Politik und Gesellschaft. So durfte ich beispielsweise mit spannenden Menschen das «Jahr der Dankbarkeit» durchführen oder kam durch das Organisieren von Events mit sehr vielen Menschen in Kontakt. Manchmal geschieht sogar das, was ich neulich hier im Blog schrieb: Ich hatte zwei Künstler engagiert und dabei zwei Freunde gewonnen.

Doch es kommen mir auch einige Freundschaften in den Sinn, die nur entstanden sind, weil ich eben doch hin und wieder die Komfortzone verliess und mutige Schritte auf mir unbekannte Menschen zugegangen bin. Oh, was hätte ich verpasst, wenn ich das nicht getan hätte?!

Horizonterweiterung suchen

Egal, welcher Smalltalk-Typ wir sind und mit wem wir einfacher ins Gespräch kommen, wichtig scheint mir, dass wir uns eine gewisse Neugier und Offenheit zur Horizonterweiterung bewahren – oder wenn sie nicht vorhanden ist, halt einüben.

Denn: Wer sich als Person weiterentwickeln will, wer sein Hirn trainieren will und wer sein Glück entfalten will, setzt sich neuen Reizen aus.

Kennst du das nicht auch? Ohne Gegensteuer ähneln sich Gespräche in der Familie oder in festen Gruppen von Mal zu Mal immer mehr und verlaufen mit der Zeit nach dem Schema X: A sagt dies, worauf B die Augen rollt und C zum Gegenschlag ausholt und D sich resigniert in sich kehrt.

Wenn wir diesen Gesprächsverlauf nicht durchbrechen, prägen sich immer tiefere Bahnen ein und Horizonterweiterung wird so selten wie der Lottogewinn.

Mehr als Smalltalk

Vom belanglosen Smalltalk über das Wetter (wobei dies ja gerade genug Diskussionsstoff liefern würde) halte ich nicht viel. Klar, irgendwie muss man ein Gespräch in Gang bringen. Was ich dabei auch schon erlebt habe, dass Menschen wie per Knopfdruck mit Selbstlobpreisungen beginnen und einem ungefragt in 5 Minuten ihren gesamten Leistungsausweis auftischen. (Zum Glück gibt’s bei solchen Veranstaltungen häufig wenigstens ein leckeres Apéro als Zeitvertrieb …)

Gute Gespräche, ob mit mir völlig unbekannten Personen, langjährigen Weggefährten oder guten Freunden, hab ich dann, wenn ich mich ernsthaft für mein Gegenüber interessiere, konkrete Fragen stelle, versuche die Welt des anderen zu entdecken – und gleichzeitig dasselbe Interesse an meiner Person erfahre.

Glücksaufgabe

Wie gut gelingt es dir, dich ernsthaft für dein Gegenüber zu interessieren?

Echtes Interesse aneinander schafft Verbundenheit – und das ist ein sicherer Weg ins Glück!

Wann und beim wem willst du es ausprobieren?

Gib dem Göttlichen eine Chance

Das hat mich begeistert: Zu Ostern brachte die NZZ am Sonntag eine Sonderausgabe voller Glücksimpulse. «100 Ideen für ein besseres Leben» wurde den Leser:innen präsentiert.

Vom preisgünstigen Wohnort über die Freude, Steuern zu bezahlen, oder über das Spielen in harten Zeiten bis zum Erfolgsrezept von DJ Bobo – die Ideen sind sehr vielfältig.

Natürlich fehlen auch die Klassiker der Positiven Psychologie, wie ich sie hier im GlücksBlog oder im Glücks-Buch auch gerne ausführe, nicht: «Das Glück lässt sich wie ein Muskel trainieren», Gemeinschaft und Verbundenheit, Dankbarkeit, Vergebung, Vergleichen als Sackgasse, in Erlebnisse statt ins fette Bankkonto investieren …

Während ich mich immer noch an diesen 100 Tipps aus der NZZ am Sonntag abarbeite, kauft sich meine Frau ein schönes, simples Schild mit der Zusammenfassung aller guten Ideen für ein gutes Leben:

Glück ist kein Ziel.
Glück ist eine Art zu leben.

Hm, ich frag mich wieder einmal, warum ich eigentlich so viel Zeit mit meiner Wochenlektüre verbringe, wenn es doch auch so einfach zu haben ist.

Nun gut, dann würden mir auch solche Perlen entgehen. Johannes Läderach, der wahrlich krisen- und Shitstorm-erprobte Chef von Läderach Schokolade, wird auf der Wirtschafts-Aufschlagsseite in grossen Lettern im Titel zitiert:

Machen Sie Ihren Selbstwert nie von Ihrem Job abhängig.

Wie gesagt, das Zitat stammt nicht etwa aus der Bibel oder einem esoterischen Ratgeber! Es steht ganz oben, ganz gross auf der Frontseite des Wirtschaftsteils, da wo sonst mehr Zahlen als Herz dominieren.  Für mich ist das eine schöne Osterbotschaft für viele stressgeplagte Manager und Burnout gefährdete Zeitgenossen.

Erfolg ist schön und gut, doch wenn du dich darüber definierst, läufst du genauso auf eine Sackgasse zu wie die Misserfolg geplagte Person, die sich über ihr Scheitern definiert!

Du bist gut, weil du bist!
Du bist wertvoll, weil es dich gibt!

Du bist geliebt,
mit allem Erfolg und Misserfolg,
allem Schönen und Hässlichen.
Du bist geliebt – brutto!

Definitiv gehüpft bei meiner Wochenlektüre ist mein Pfarrerherz, als ich zum «ältesten Tipp für ein bessers Leben» kam: Praktizierter Glaube. Wow, was für ein schönes, herzhaftes und gleichzeitig Wissenschaft basiertes Plädoyer für eine gelebte Spiritualität.

Zahlreiche Studien unterschiedlichster Fachrichtungen würden belegen, dass «das Vertrauen in ein höheres, transzendentes Prinzip … der Klassiker unter den Tipps für ein besseres Leben» bleibe.

Dabei sei es aber wichtig, dass man nicht in der Theorie, bspw. im Fürwahrhalten von Glaubensüberzeugungen, stecken bleibe. Glaube entfalte dann am besten sein Potenzial, wenn es zur praktischen Anwendung komme:

Kaum jemand wird zum Fussballfan, ohne je in einem Stadion gesessen zu haben. Und sich auf die Wucht eines Theaterstücks einzulassen, fällt einem im Theater eindeutig leichter.

Kurzum: Glaube heisst, sich auf diese transzendente Erfahrung einzulassen. Nicht Dogma, sondern Beteiligung. Ich freu mich an dieser Einladung, sich auf Glaubenserfahrungen einzulassen.

Und wenn ich da an den Oster-Brunch zurückdenke, den ich erleben durfte, fühlte ich genau diese Stärkung durch diese Gemeinschafts- und Gotteserfahrung.

Muss der kritische Zeitgenosse nun auf der Strecke bleiben und seine Zweifel unterdrücken! Nein, der Zweifel darf gerne als Zwilling des Glaubens dabei bleiben. Der Artikel schliesst mit Hinweis auf Blaise Pascal mit dem Gedanke, dass der Glaube sogar Vorteile bringe, selbst wenn sich herausstellen würde, dass Gott nicht existieren würde.

Glücksaufgabe

Wie ich in meinem letzten Artikel «Glück zwischen den Welten» schilderte, gab es für mich in den letzten Wochen sehr berührende Momente.

Aus dieser Fülle heraus nehme ich den Anstoss aus der NZZ am Sonntag gerne auf und mache von ganzem Herzen Werbung für diese Glaubenserfahrung.

Aber wo anfangen? Vielleicht in dem du die Passion auf RTL nachschaust, den Podcast mit Torsten Hebel hörst, vielleicht inspirieren dich auch Gedanken aus meiner letzten Predigt oder du hörst dir das Lied Aus Gnade von Klaus-André Eickhoff an.

Und: Geh ins Stadion! Suche eine Glaubensgemeinschaft, in der du dich wohl und angenommen fühlst und den Fragen des Lebens gemeinschaftlich nachgehen kannst.

Glück zwischen den Welten

Neulich schrieb ich in einer Mail: «Bewege mich grad etwas zwischen den Welten: Arbeit geht ab, Daddy wird schwächer und schwächer.»

Ich habe hier ja schon vorher von der niederschmetternden Diagnose meines Vaters berichtet. Dass er immer noch lebt, ist eigentlich schon ein Wunder. Doch derzeit verlassen ihn seine Kräfte zusehends, dies mitzuerleben ist sehr brutal und traurig. Trotzdem haben wir noch sehr schöne Momente zusammen – wie beispielsweise als wir am Montag stundenlang zusammen im Ehebett meiner Eltern lagen und ich mit meinem Päpu schöne Gespräche führen durfte.

Daneben geht meine Arbeit gerade ab, wie ich es noch selten bis nie erlebt habe: Ganz besonders waren da letzte Woche die Tage mit Klaus-André Eickhoff und Torsten Hebel. Was wir gemeinsam erleben durften, lässt sich kaum in Worte beschreiben: Ein wunderbares Chäs, Brot, Wy – und mini Gschicht mit Gott, mit einem berührenden Talk mit Torsten und den passenden Liedern von Klaus-André Eickhoff dazu.

Es folgten wunderbare Momente der persönlichen Begegnung – viel Lachen, grosse Offenheit, echtes Interesse, berührende Momente – heilig.

Und dann der Samstagabend: Erstmals ein Kultur & wunderBar ausserhalb von Studen. Wie es dazu kam, dass wir in einer mit 120 Personen gefüllten Kapelle in Lyss diesen einzigartigen Abend erleben durften, ist eine Geschichte für sich. Dass es so stimmig war, Torsten und Klaus-André in Hochform, ausserordentlich engagierte Mitarbeitende, überall glückliche Gesichter, energiegeladene Aufbruchstimmung … – ein grossartiges Geschenk.

Das macht soviel Sinn, Mut und Hoffnung. Ja, das erfüllt mich.

Zum Abschluss der CH-Tour TATSÄCHLICH LIEBE! sassen wir im kleinen Kreis mit den beiden deutschen Künstlern zusammen und waren uns einig: Wir durften da Teil von etwas ganz Besonderem sein.

Ich hatte zwei Künstler engagiert und dabei zwei Freunde gewonnen.

Am Sonntagabend war ich von mir selbst überrascht: Diese Emotionalität, dieses tief bewegt sein, eine Art Glückseligkeit – das kenne ich selten von mir.

Es war so intensiv, dass da plötzlich der passende Soundtrack in Form eines alten Pur-Hits durch mein Herz und Kopf schwirrte:

Glücksaktivität Verbundenheit

Heute, 20. März, ist internationaler Tag des Glücks. Dank meinem GlücksBuch durfte ich auch heuer ein kurzes Radiointerview zu diesem UNO-Tag des Glücks geben. Wie immer verwies ich natürlich auf die Dankbarkeit, den Königsweg für Menschen, die mehr Glück in ihrem Leben erfahren wollen: Sammle täglich drei Dinge, wofür du dankbar bist, und du wirst ein anderer Mensch.

Doch ich wollte nicht bei diesem Basic-Wissen bleiben und erwähnte auch Vergebung als Glücksaktivität, weil ich grad kürzlich ein Unternehmer über Vergebung als Erfolgsfaktor seiner milliardenschweren Firma sprechen hörte.

Und dann ist da der starke Glücksfaktor Verbundenheit: Glückliche Menschen sind verbunden mit sich selbst (sprich: sie lieben sich selbst), sind verbunden mit ihren Mitmenschen und erleben eine Verbundenheit mit etwas Höherem. Für mich ist dieses Höhere der Schöpfergott, der mich daran erinnert, dass ich geliebt bin, weil ich bin.

Genau dies durfte ich letztes Wochenende erleben – wunderschön und heilig.

Herzlichen Dank, lieber Torsten und Klaus-André, für diese Lektion und die Verbundenheit zwischen uns!

Ein anderer Soundtrack dieser Tage ist das wunderschöne Lied «Aus Gnade» von Klaus-André Eickhoff:

Glücksaufgabe

Während ich diese Zeilen schreibe, schlägt mein Herz nicht, es hüpft freudig erregt.

Was lässt dich diese Tage Glück spüren? Wie steht es um deine Verbundenheit mit dir, den Mitmenschen und mit der göttlichen Liebe?

Wenn du dich vertieft mit dem Thema Glück beschäftigen willst, empfehle ich dir natürlich gerne mein Buch Glück finden – hier und jetzt.

Und wenn du dich von der berührenden Lebensgeschichte von Torsten Hebel inspirieren lassen möchtest, kannst du unser Gespräch von letztem Donnerstag hier in unserem Podcast nachhören.

Fehlende Sicherheit – das ist grob fahrlässig

Zuletzt haben mich drei Texte bewegt, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben: Da war Jonny Fischers Biografie, die mich erschüttert hat, dann ein Artikel mit dem Titel Keine Angst vor dummen Fragen aus dem Wirtschaftsteil der NZZ am Sonntag und schliesslich das letzte Kapitel aus Martin Benz Buch Wenn der Glaube nicht mehr passt, das wir diese Woche im Format zäme wyter dänke besprochen haben.

Gebrochene Persönlichkeit

Via Medien habe ich wie viele andere längst mitbekommen, dass Jonny Fischer unter seiner freikirchlichen Prägung gelitten hatte.

Nun (endlich) seine Biografie zu lesen, machte mich tief traurig und auch wütend: Die familiäre, konservativ-evangelikale Prägung war nicht einfach der frühere Jonny – oder eben Jonathan. Seite für Seite wird klar, dass noch ganz viel Jonathan im erfolgreichen Jonny steckt (darum auch der Titel des Buches Ich bin auch Jonathan).

Als gefeierter, mehrfach preisgekrönter Bühnenstar hat es Jonny mit Divertimento längst geschafft. Doch all dieser Erfolg reichte nicht, um ihm den Selbstzweifel zu nehmen. Er konnte das von seinem Vater vermittelte Bild eines strafenden Gottes nicht einfach abstreifen. Im Gegenteil: Er litt immer wieder unter der Angst, nicht okay zu sein, nicht zu genügen und kämpfte darum, geliebt zu werden.

Doch so lange er selbst sich nicht lieben konnte, waren auch seine zwischenmenschlichen Beziehungen immer wieder von Enttäuschungen und Verletzungen durchzogen.

Es tut mir so leid für Jonny und viele Leidensgenossen, was einige Menschen aus dem liebenden Gott gemacht haben. Jonnys Biografie ist eine schonungslose Erinnerung daran, welche toxischen Züge der Glaube annehmen kann.

Falscher Fuss amputiert

Komisch-tragisch war die Lektüre des eingangs erwähnten NZZ Artikels:

In einem amerikanischen Krankenhaus wurde einem Patienten der falsche Fuss amputiert, obwohl mehrere Personen im Operationssaal den Fehler bemerkten.

Nicole Kopp, in Geld & Geist (NZZ am Sonntag, 4. Februar 2024)

Der Artikel ging der Frage nach, wann es in einem Team zu Bestleistungen kommt. Stimmt das naheliegende? Sind die besten Teams die, in denen die besten Leute sind? Sind Intelligenz, Fachkompetenz und strategisches Denken beispielsweise die entscheidenden Erfolgsfaktoren?

Vor vielen Jahren habe ich gelernt, dass der Unterschied zwischen einem guten zu einem Hochleistungs-, oder Dream-, Team der Umgang miteinander ist. Wo das Miteinander ein echtes Miteinander, geprägt von Respekt, Wertschätzung und sogar Liebe, ist, da sind auch die Resultate die besten.

Tatsache ist, dass es in Teams zu haarsträubenden Fehlleistungen kommen kann, wenn das Miteinander von Gleichgültigkeit oder gar Angst geprägt ist. Ob der falsche Fuss amputiert oder Flugzeugabstürze – es sind keine erfundenen Geschichten, sondern der tragische Beweis, dass fehlende psychologische Sicherheit und ausbleibende Kommunikation weitreichende Folgen haben.

Safe Places – ein sicheres Umfeld

Über Monate haben wir mit 20-30 Personen über das spannende Buch Wenn der Glaube nicht mehr passt von Martin Benz ausgetauscht. Diese Woche war nun das letzte Kapitel verbunden mit der Frage, wie wir vorwärtsglauben können, an der Reihe.

Eine gesunde Glaubensentwicklung, so unsere Erkenntnis des Abends, ist zwar individuell, braucht jedoch einen sicheren Ort mit anderen Menschen. Nur ein ehrlicher Austausch kann uns echt weiterbringen. Doch diese Ehrlichkeit, bei der man sich seinen Ängsten, Zweifel und Fragen stellt, kann nicht auf Knopfdruck hergestellt werden.

Es braucht Geduld, damit Vertrauen wachsen kann. Erst wenn ich mich sicher fühle und darauf vertrauen kann, dass ich von den anderen nicht «abgeschossen» werde, kann ich mich öffnen und mich verletzlich machen.

In Dreamteams fühlen sich Menschen sicher und getrauen sich beispielsweise auch den Chefarzt zu korrigieren (bevor er einen falschen Fuss amputiert) , in Glaubensgemeinschaften macht die psychologische Sicherheit den Unterschied, ob Menschen sich in ihrem persönlichen Glauben entfalten können (oder alle gleichgeschaltet werden).

Jonathan fehlte in der Kindheit diese psychologische Sicherheit. Dafür bezahlte der äusserlich äusserst erfolgreiche Jonny einen enorm hohen Preis.

Glücksaufgabe

Wie ist das bei dir? Was hat dich in deiner Kindheit geprägt, welches Gottesbild wurde dir vermittelt?

Und wo hast du in deinem Berufsleben bereits in einem Dreamteam mitwirken dürfen und wo hast du vielleicht erlebt, wie man mangels psychologischer Sicherheit den unangenehmen Gesprächen ausgewichen ist?

Welche Menschen können dir einen sicheren Rahmen bieten, damit du dich in deiner Persönlichkeit und in deinem Glauben positiv entwickeln kannst?

Frieden stiften – was heisst das heute?

Mit meinen mennonitischen Wurzeln trage ich einen pazifistischen Kern in mir: Gewalt kann nie die Lösung sein.

Doch spätestens mit Putins gewaltsamen Einmarsch in der Ukraine kamen meine edlen Überzeugungen arg ins Wanken. Und jetzt dieser terroristische Überfall der Hamas auf Israel.

Es ist grausam, was Juden in Israel – aber auch hier bei uns – angetan wird. Mein jüdi­scher Freund aus der Armeeseel­sorge war mit seiner Familie anfangs Oktober in Tel Aviv. Er erzählte, wie die Welt über Nacht eine andere wurde. Zurück in der Schweiz fragten ihn die Kinder nach Raketen und ob es solche hier auch gäbe.

Sein Fazit in den Tagen nach dem terroristischen Überfall: «Der Optimismus ist gegangen, auf die Hoffnung warten wir immer noch.» Leider war die Hoffnung auch nicht grösser, als ich ihn kurz darauf am Jahresrapport der Armeeseelsorge traf: Ziemlich genau sagte er voraus, was jetzt geschehen würde, wenn Israel konsequent zurückschlägt und in den Gazastreifen einzieht.

Und nochmals einige Tage später sah ich meinen Freund in der Tagesschau. Zusammen mit weiteren Mitgliedern der jüdischen Gemeinschaft machte er auf dem Zürcher Bürkliplatz auf die entführten Geiseln des Angriffs der Hamas aufmerksam. Sie bauten dafür einen Schabbat-Tisch mit 240 leeren Stühlen auf.

Was sagen wir unseren Mitmenschen, die in der Ukraine vergewaltigt werden, die in Israel entführt werden, deren Kinder zum Spielball der Gewaltexzesse werden?

Plötzlich finde ich meine pazifistische Grundhaltung, ausgesprochen in einem bequemen Sofa in einer äusserst privilegierten Welt, als blanker Hohn.

«Gewalt kann nie die Lösung sein», was heisst denn das in diesen Situationen, die diese Welt für viele Menschen zur Hölle machen? Heisst eine solche Haltung in der Konsequenz nicht, dass wir den Opfern sagen: «Lasst die Terroristen eure Kinder schlagen, lasst sie eure Frauen vergewaltigen, lasst sie euch alles nehmen …!»?

Aber was geschieht dann, wenn Gewalt mit Gegengewalt beantwortet wird? Wenn dem Grössenwahn Putins manchmal pro Tag 500 Soldaten aus dem eigenen Volk geopfert werden? Und was ist mit den Menschen im Gazastreifen, die sich Frieden wünschten und deren gesamte Lebensgrundlage nun zerstört wird?

Einmal mehr komme ich zum Schluss, dass das Leben viel komplizierter ist und ich mehr Fragen als Antworten habe. Und was würde Jesus in all dem tun? Wie verhalten wir uns jesus­gemäss? Beim Lesen der Losungen brannte sich dies Woche folgender Vers aus den Seligpreisungen in mein Herz: «Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.» (Matthäus 5,9).

Wunderschön! Aber was heisst das in unserer komplizierten, gewaltvollen Welt? Im Kleinen kann ich es erahnen, im Grossen habe ich keine Ahnung.

Glücksaufgabe

Doch ich will an den Jesusworten festhalten: Glückselig sind die, die Frieden stiften.

Was für eine Glücksaufgabe! Hilfst du mit, herauszu­finden, was das hier und jetzt heissen könnte? Im Kleinen können wir ja schon mal für das einstehen, was ich meinem jüdischen Freund geschrieben habe: «Hoffen und beten wir gemeinsam für eine Welt mit mehr Frieden.»

«Ich bin drin, und du bist draußen.»

Heute ist Halloween.

Und Reformationstag.

Und der 24. Geburtstag vom gms studen.

Passend dazu ist in der aktuellen Ausgabe des Magazins familyNEXT in der Rubrik «Erwachsen glauben» ein Artikel von mir abgedruckt, in dem ich davon schreibe, dass ich meine Mitmenschen nicht mehr in zwei Kategorien einteilen möchte.

Anlässlich des heutigen gms Geburtstags stelle ich den Artikel hier in den GlücksBlog, auch wenn der Text länger als gewohnt ist …

«Du darfst hier nicht rein. Du gehörst nicht zur Gemeinde!» Mir lief schon damals, vor 25 Jahren, ein kalter Schauer den Rücken hinab, als ich miterlebte, wie ein Mädchen einem Nachbarkind mit diesen Worten den Eintritt ins Gebäude der Freikirche verweigerte.

Zwar war dieses «Drinnen-Draußen» ein Glaubenssatz, den ich damals durch meine theologische Prägung auch verinnerlicht hatte. Doch in diesem Moment war mir klar: Da ist etwas schiefgelaufen! Was für ein Bild von Gott und seiner Gemeinde hatte dieses Kind mitbekommen, dass es aus der Gemeinde einen Exklusiv-Club machte? Ich mutmaße, dass eine Art Subtext die biblischen Geschichten im Kindergottesdienst begleitete: Weil wir Jesus lieben, gehören wir zu seiner Familie. Wer Jesus nicht liebt, gehört hier nicht dazu – und ist darum auch nicht willkommen bei uns. Wie tragisch, wenn das die Botschaft ist, die bei den Kindern hängenbleibt. Der Gott der Liebe wird zum exklusiven Gut für einige Auserwählte. Aus dem «Lasset die Kinder zu mir kommen!» wird ein «Du hast hier nichts verloren!».

Willkommenskultur!

Etwa zur selben Zeit stand ich zusammen mit meiner Frau vor einer Gemeindegründung. Wir wollten im Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, eine zeitgemäße Gemeinde für kirchendistanzierte Familien aufbauen. Von Anfang an sollte in dieser neuen Gemeinde eine Willkommenskultur gelebt werden. Mit dem Gründungsteam hatten wir einen entsprechenden Traum definiert: «Wir wollen kirchendistanzierten Menschen einen Ort bieten, wo sie sich wohl und angenommen fühlen, Gott kennen und lieben lernen.“

Für dieses Anliegen investiere ich mich noch heute. Dieser Traumsatz wurde zur DNA unserer Gemeinde. Unterschiedlichste Menschen, junge und alte, christlich sozialisierte und Agnostiker, bestätigen, dass sie hier einen Ort erleben, wo sie sich außergewöhnlich angenommen und wohl fühlen. Und ja, auch den zweiten Teil des Traums dürfen wir erleben: Die Besucherinnen und Besucher kommen in Kontakt mit Gott.

Exklusiver Kreis?

Und trotzdem hat sich einiges verändert seit dem Start unserer Arbeit. Auch wenn wir die Willkommenskultur von Anfang an großschrieben und ohne klassischen Bekehrungsaufruf auskamen, basierte unser theologisches Modell auf der Überzeugung, dass sich Menschen bewusst für Drinnen oder Draußen entscheiden müssten.

Auch wenn ich versuchte, keine gnadenlosen Grenzen zu ziehen, steckte ich meine Mitmenschen in unterschiedliche Kategorien. Es fühlte sich zwar unnatürlich und unmenschlich an, wenn ich Menschen von der Liebe Gottes überzeugen musste. Ist Liebe nicht etwas, das man spürt und erfährt? Aber so habe ich es in meiner theologischen Ausbildung gelernt: Unser Auftrag ist es, Menschen für Jesus zu gewinnen. Doch in dieser Rolle als «Vertreter», der Menschen das Seelenheil «andrehen» will, fühlte ich mich immer etwas unwohl.

Natürlich, Teil einer göttlichen Mission zu sein, ist keine Wohlfühloase. Doch mit der Zeit rieb ich mich am theologischen Konzept dahinter: Wie kann es sein, dass ein Gott, der sich in seiner Liebe mit seiner ganzen Schöpfung versöhnt hat, nur einem kleinen, exklusiven Kreis von Menschen ewigen Frieden schenkt?

Es finden sich selbstverständlich genügend Bibelverse, die wir im Sinn eines exklusiven Clubs auslegen können. Nehmen wir Offenbarung 14,4. Ironischerweise spricht gerade die «Hoffnung für alle»-Bibel von den 144.000 als exklusiv Auserwählten: «Von allen Menschen sind sie es, die freigekauft und ausgewählt wurden.» Andere Übersetzungen wie die Lutherbibel sprechen von «Erstlingen». Immerhin ergänzt die «Hoffnung für alle“ in der Fußnote eine andere mögliche Übersetzung: «Als Erste von allen Menschen sind sie (von ihrer Schuld) freigekauft und ausgewählt worden.»

Allversöhner?

Letzte Woche wurde ich bei einem Hausbesuch von einem 75-Jährigen gefragt: «Bist du denn ein Allversöhner?» Ich kam kurz ins Stocken und konnte weder schnell ja noch nein sagen. Über all die Jahre hat sich mein Verständnis vom Evangelium deutlich geweitet: Vom klassischen «Drinnen-Draußen», bei dem nur einige wenige «richtig Gläubige» gerettet werden, habe ich mich längst verabschiedet.

Zusammen mit Rob Bell (Buchempfehlung: Das letzte Wort hat die Liebe) und anderen treibt mich die Frage um, ob ein allmächtiger Gott tatsächlich am Ende nicht an sein Ziel kommen sollte: die ganze Schöpfung mit sich zu versöhnen. Gemäß Kolosser 1,19 + 20 ist dieses Ziel bereits vollbracht: «Denn Gott wollte in seiner ganzen Fülle in Christus wohnen. Durch ihn hat er alles mit sich selbst versöhnt. Durch sein Blut am Kreuz schloss er Frieden mit allem, was im Himmel und auf der Erde ist.» Rob Bell gibt ein leidenschaftliches Plädoyer dafür ab, dass am Ende in jedem Fall die Liebe gewinnt: «Der Gott, von dem Jesus uns erzählt, gibt nicht auf, bis alles, was verloren ging, gefunden wurde.»

Mogelpackung?

Ein Teenie unserer Gemeinde war letzten Sommer als Leiter in einer christlichen Sportfreizeit. Als begeisterter Fußballer stellte er kritisch fest: «Einigen Leitern geht es nur darum, die Kinder zu bekehren. Der Sport ist ihnen gar nicht wichtig.» Ich freute mich über diese kritische Reflexion! Natürlich haben wir die Mission, Gottes Liebe weiterzugeben und mit Menschen Jesus nachzufolgen. Doch inzwischen sehe ich selbstkritisch, dass einige unserer Aktivitäten Gefahr laufen, zur Mogelpackung zu werden: Wir machen attraktive Angebote, bloß um Menschen zum Drinnen zu bekehren.

Da will ich mich künftig an Rob Bells Gedanken des werbenden Gottes halten, der uns Menschen nicht aufgibt. Ich möchte mir, uns und dem Mädchen aus der eingangs geschilderten Episode zurufen: «Lasst uns diese göttliche Willkommenskultur leben! Lassen wir die verletzenden Kategorien von Drinnen und Draußen hinter uns und feiern stattdessen die Liebe Gottes mit allen, die das möchten!»

Dieser Artikel ist zuerst im Magazin familyNEXT in der Serie «Erwachsen glauben» erschienen.

Von Herzen … dankbar

Es war, einmal mehr, schlicht genial: Letzte Woche durften wir ein weiteres Mal die Happy Kids Days durchführen. Seit über 20 Jahren gehören diese vier kreativen Nachmittage in den Herbstferien fix in meinen Jahreskalender.

Von meiner Frau lanciert, als wir noch keine Kinder hatten, begeistern die Happy Kids Days Jahr für Jahr viele Kinder, Eltern und auch uns als Mitarbeiter:innen-Team. Inzwischen helfen in diesem Team junge Menschen mit, die selber als Kinder regelmässig bei dieser schönsten Woche im Happy Kids Jahr dabei waren.

So auch unsere Tochter, die unterdessen als Sozialdiakonin i.A. eine wertvolle Stütze im Kernteam wurde: Wie viele andere Teens auch, hatten wir sie bereits früh gefördert, erst kleine Aufgaben anvertraut, später bald schon die Verantwortung über eine Kleingruppe. Stunden hat sie dabei in kleinste Details investiert und «ihren» Kindern eine unvergessliche Kleingruppenzeit beschert.

Für mich ist es etwas vom Schönsten, zu sehen, wie Menschen über Jahre mit uns und unserer Arbeit verbunden bleiben. Letzten Sonntag, beim Abschlussfest der Happy Kids Days und der kleinen Feier zum 15jährigen Jubiläum vom Verein Happy Kids, wurde dies besonders deutlich: Menschen, die in losen Abständen, aber immer wieder Teil unserer Aktivitäten sind, sprechen davon, bei Happy Kids sowas wie Familie zu erleben.

Ein besonderes Highlight war für mich, ganz bewusst zu entdecken, wer bereits im Vorschulalter (z.B. in der GschichteChischte) mit Happy Kids in Kontakt war und heute als Teenie in meiner Kleingruppe war oder gar über die Schulzeit hinaus Teil der Arbeit bleibt.

Von Herzen … lieben

Was mich an den Happy Kids Days fasziniert, sind die Kreativität und die gute Stimmung in einer Gruppe von rund 40 Kindern vom Kindergarten bis zur 6. Klasse. Ein Leiter sagte dazu: «Es ist einfach so friedlich!»

Und von wegen Kreativität: Es gelingt immer wieder, mit einem abwechslungsreichen Kreativ-Programm anschaulich (oder eben erlebnispädagogisch) lebens- und gemeinschaftsfördernde Werte zu vermitteln.

Dieses Jahr ging es unter dem Motto «Vo Härze …» darum, wie es aussehen könnte, unser «Lebenshaus» auf das Fundament von Werten wie Liebe, Helfen, Teilen und Dankbarkeit zu stellen.

Es ist schön, in einer Zeit voller (globalen) Konflikte darüber nachdenken zu dürfen, wie das Miteinander von uns Menschen besser gelingen könnte.

Das mit er Dankbarkeit krieg ich recht gut hin (siehe letzter Blogartikel). Aber schon bei der Liebe ist es so eine Sache …

In einem anderen spannende Format, dem «zäme wyter dänke», haben wir kürzlich (diesmal im Kreis von Erwachsenen) auch über Liebe nachgedacht. Inspiriert wurden wir dabei von Martin Benz und seinem Buch «Wenn der Glaube nicht mehr passt»:

Eros ist motivierte Liebe, sie muss ausgelöst werden von ihrem Gegenüber, indem dieses nett, lieb, freundlich, höflich, hilfsbereit oder sympathisch ist …
Agape dagegen ist die wertschätzende und selbstlose Liebe, die göttliche Liebe. Sie ist durch Gönnen und Schenken bestimmt, sie ist zuvorkommend, es geht um den anderen. Sie kommt nicht zustande durch den Wert dessen, auf den sie sich richtet, sondern sie bringt Wert beim Geliebten hervor.

Ich bin vom biblischen Konzept der Feindesliebe begeistert.

In der Theorie.

In der Praxis geht es mir wie den Teens in meiner Kleingruppe letzte Woche: Dort zu lieben, helfen und teilen, wo das Gegenüber wirklich nervig oder gar bösartig ist, einem bei einer kleinen netten Geste gleich zum BFF machen will, ist enorm schwierig.

Und dann fahre ich durch ein Dorf, wo ich fast nur Plakate von einer politischen Richtung sehe, die ich nicht nachvollziehen kann; «liebe alle Menschen!» – in der Theorie ein grosses Ja, aber eben …

Wenn ich meinen Blick zusätzlich noch auf die aktuellen Krisenherde wie den Nahen Osten oder die Ukraine richte, kommt meine praktische Liebe für machtgeile und hassgesteuerte Menschen endgültig an ein Ende.

Meine Erkenntnis: Das mit der Eros-Liebe fällt mir nicht schwer, das mit der Agape-Liebe dagegen sehr.

Wie gut, ist das bei Gott anders: Wie die Sonne jeden Tag über den liebenswürdigen und den bösartigen Menschen aufgeht – ungeachtet ihrer Taten – so gilt uns die göttliche Agape-Liebe ungeachtet unserer scheusslichen oder glänzenden Taten.

Von dieser Liebe will ich mich beschenken lassen und als Beschenkter mehr und mehr lernen, auch dort Liebe zu säen, wo es mir eigentlich «gegen den Strich» geht.

Glücksaufgabe

Kennst du das Glücksgefühl, wenn du unverdient von der wertschätzenden Agape-Liebe, der göttlichen Liebe, geküsst wirst?

Neugierig auf die Happy Kids Days? Hier unser Foto-Rückblick (weitere Aktivitäten wie z.B. den Happy Family Day unter dem Motto «Krass willkommen» findest du hier):

Reisst die Türen auf!

Ob Restaurant, Sportverein oder Kirche: Es ist so einfach, auf eine Speisekarte, in die Vereinspost oder auf eine Webseite Sätze wie «Bei uns sind alle willkommen!» zu schreiben.

Es ist eine ganz andere Sache, ob sich die Menschen dann auch wirklich willkommen fühlen. Da reichen gut gemeinte Bekundungen auf Leitbildern, Schaukästen oder Clublokalen nicht. Genauso wenig kann man politisch eine Willkommens-Kultur ausrufen und noch ein «Wir schaffen das!» hinterherschicken und meinen, die Menschen würden sich dadurch bei uns wirklich willkommen fühlen.

Solche Bekundungen sind nichts mehr als ein zwar sehr wichtiger, aber eben doch bloss erster Schritt. Es ist quasi eine rationale Absichtserklärung.

Neben der rationalen braucht es zwingend die emotionale Absichtserklärung! Beschränkt sich unser «Willkomm!» auf einen Kopfentscheid ohne entsprechende Herzenshaltung, könnten wir genauso gut sagen: «Heute gewinne ich im Lotto!» – es hätte keine bedeutende Auswirkung auf die Menschen um uns herum.

Toxic oder Safe Place?

«Wir haben uns eingeschlossen», lautete das selbstkritische Urteil auf einem christlichen Kalenderblatt zu Pfingsten. Rückzug und Selbstbeschäftigung machte der Autor, Hans-Werner Kube, in vielen Kirchen aus. Einen Tag später wagte er den Steilpass: «Lasst uns Türen aufreissen!», Neues wagen, Begegnung wagen, das Fremde lieben lernen wagen. Pfingsten halt – mehr als eine frische Brise.

Als ich neulich eine Predigt unter dem Motto «Du bist willkommen!» hielt und es eben nicht bloss um einen Kopfentscheid, sondern eine Herzenserfahrung ging, kamen Teilnehmende unter Tränen zur Erkenntnis, dass sie sich seit Jahrzehnten nicht willkommen fühlen. Eine solche Einsicht kann sehr schmerzhaft sein. Und trotzdem ist sie wichtig: Es kann der Anfang von etwas Neuem sein und vor allem das Ende von einem oberflächlichen, netten Lächeln à la «Wir haben uns doch alle lieb und sind nett zueinander!».

Willkommens-Kultur mag im Leitbild beginnen, erlebt (oder eben nicht) wird sie jedoch in den zwischenmenschlichen Begegnungen. Die meisten Menschen spüren recht gut, ob sie in einer Gruppe gerade so angenommen sind, wie sie sind.

Gruppen, und vielleicht trifft dies in besonderem Mass auf Glaubensgemeinschaften zu, haben ein enormes Potenzial, heilsam auf unsere Persönlichkeit zu wirken. Jedoch haben sie, und das trifft ganz bestimmt in besonderem Mass auf Glaubensgemeinschaften zu, auch ein gewaltiges, gar unheimliches, Potenzial toxisch auf unsere Persönlichkeit zu wirken.

In seinem wunderbaren Buch «Türen auf!» zeigt Lorenz Marti genau dies auf, indem er sich auf den Philosophen und Religionspsychologen Erich Fromm bezieht:

Autoritäre Religion hält den Menschen klein, operiert mit Angst und Schuldgefühlen und fordert bedingungslosen Gehorsam. Sie wird zur Zwangsjacke und führt auf Dauer zu einer seelischen Verkrüppelung.

Zum Glück ist es auch anders möglich:

Der autoritären Religion stellt Fromm die humanistische Religion gegenüber, welche den Menschen in der Entfaltung seiner Kräfte unterstützt und in der Erfahrung seiner Schwächen tröstet.
Sie dient der Menschwerdungen des Menschen, wird zur Quelle seelischer Gesundheit und fördert die Liebesfähigkeit.

Wir fühlen uns nicht überall willkommen und wir stehen nicht auf jeder Gästeliste. Das ist an und für sich noch nicht schlimm. Selbst Diskriminierung geschieht ganz oft nicht mit böser Absicht.

Darum bleibt es auch unsere Aufgabe, nach Orten zu suchen, die uns und unserer Seele guttun.

Und egal, ob wir ein Restaurant führen, im Sportverein aktiv sind, Verantwortung in einer Glaubensgemeinschaft tragen oder ganz einfach in unserem persönlichen Umfeld die Welt zu einem etwas besseren Ort machen wollen, stellt sich die Frage, was ich tun kann, damit «Du bist willkommen!» mehr als ein Lippenbekenntnis ist.

Glücksaufgabe

Wo erlebst du das heilsame Potenzial von Gemeinschaft, vielleicht auch von Glaubensgemeinschaften?

Hast du einen Safe Place?

Und wo hast du Toxic Places, die du künftig besser meidest?

Wie kannst du an deinem Ort eine echte Willkommens-Kultur fördern?

Hörempfehlung: Predigt «Lustvoll statt kraftlos leben und glauben» aus der neuen Matinée-Serie «Emotional gesund leben und glauben».

Tu, was du liebst – liebe, was du tust!

Gestern Abend spät setzte ich mich müde und erfüllt in unseren Garten und hielt noch einen Moment inne. Gerade kam ich zurück vom Sommerfest unserer Kirche; Leute verabschiedet, Material verstaut, das Herz voller Eindrücke.

Beim Reflektieren über das schöne Fest zu Ehren unserer freiwillig Mitarbeitenden und für alle, die sich auf irgendeine Art zu unserer Gemeinschaft zählen, hüpfte mein Herz vor Freude: Einfach schön, was aus diesem zarten Pflänzchen, das sich gms studen nennt, geworden ist.

Und da kam mir in den Sinn, wie ich als junger Pfarrer bei einem ersten Jubiläumsfest unserer Gemeinde Buttons mit dem Slogan «I love my church» drucken liess. Es hat schon damals gestimmt, aber vielleicht war es mehr eine Kopfsache und ich versuchte mit solchen Aktionen die «gms family» zu motivieren … – es gibt viele «To-Do’s», die man als junger Gemeindegründer, der seinen Vorbildern nacheifert, abzuarbeiten hat.

Ich habe noch so einen «I love my church»-Button in meiner Tagebuch-Box, aber sonst sind diese Buttons – und zum Teil leider auch die Menschen, die sie damals erhielten – aus dem gms Alltag verschwunden.

Doch gestern Nacht im Garten fuhr mir der Gedanke durch den Kopf: Dieser «I love my church»-Slogan war noch nie wahrer als gerade jetzt.

Gut möglich, dass dies auch mit dem zu tun hat, was ich am Sonntag predigte: «Es geht mehr um unser Sein als unser Tun! Für viele von uns heisst emotional gesund zu leben und glauben vielleicht einfach einmal unser Leben zu entschleunigen – statt hektischem Tun, kraftvolles Sein. Unsere Gottesbeziehung als echte Kraftquelle entdecken – nicht als Punkt auf unserer To-Do-Liste.» (Die ganze Predigt «Lustvoll statt kraftlos leben und glauben» findest du in unserem Podcast.)

Als Leiter vom gms setze ich heute weniger auf die richtigen «To-Do’s». So sind Missionstatement, Strategien und Motivationssprüche nicht mehr omnipräsent. Das heisst nicht, dass diese falsch sind oder auf unserer Reise falsch waren. Aber irgendwann auf unserem Weg ist der Traum vom gms nicht mehr auf Karten gedruckt worden, sondern er wurde zur Seele unserer Gemeinschaft: Es ist unsere DNA, es ist unser SEIN, dass im gms eine Willkommenskultur spürbar ist und sich unterschiedlichste Menschen wohl und angenommen fühlen.

Die Karriere sausenlassen

Man kann seine Arbeit als Job gegen Geld erledigen. Manchmal wird die Arbeit eine Gelegenheit für eine persönliche Karriere: Arbeit gegen mehr Geld und vor allem Prestige.

Einige von uns dürfen erleben, wie erfüllend es ist, wenn man nicht einfach einen Job erledigt, nicht eine Karriere bastelt, sondern liebt, was man tut – wenn es weniger um den persönlichen Benefit geht, sondern um einen Beitrag zu einem grösseren Gut. Beruf ist nicht mehr bloss Arbeit, Beruf ist Berufung.

Ich gebe zu, ich werde jedes Jahr wieder etwas kribbelig während der Sommerpause: Wenn ich die Leute zu lange nicht «spüre», fühle ich mich wie im luftleeren Raum. Als ich dies während den Ferien unserem Sohn erzählte, berührte er mich liebevoll mit dem Zeigefinger nach dem Motto: «Jetzt spürst du wieder jemanden.»

Letzten Sonntag luden wir dann zum Saisonstart zur erstem Matinée mit der neuen Serie «Emotional gesund leben und glauben» ein. Und sie kamen, die Menschen, sehr unterschiedliche Menschen: Mehr als jemals zuvor an einer normalen gms Matinée. Es gab ganz viel «zu spüren» an diesem Morgen.

Und einmal mehr spüre ich: Eine prestigeträchtige Karriereplanung hätte ganz andere Formen angenommen, aber diese Woche lässt mich tief im Innern spüren: Es hat sich gelohnt, meiner Berufung treu zu bleiben – ich liebe, was ich tue – i love my church.

Noch eine Ergänzung, bevor ein falscher Eindruck entsteht: Diese Woche sprach mich jemand an und meinte, bei uns laufe scheinbar gerade alles rund. Es war mir eine eindrückliche Erinnerung daran, dass Social Media eben nicht alles zeigt. Neben dem, was ich wirklich liebe, erleben wir gerade in mancherlei Hinsicht super-chaotische Zeiten. Das gehört offensichtlich auch zum Leben und auch zu einer Berufung. Doch diese Herausforderungen brauchen einen persönlicheren Rahmen als einen Blog oder Instapost, um sie mit anderen zu teilen.

Und noch ein Nachtrag: Eigentlich wollte ich noch etwas zum Bild in diesem Blog schreiben, weil es zum Ausdruck bringt, was ich am gms so liebe. Aber ich hoffe jetzt, das Bild spricht für sich selbst …

Glücksaufgabe

Kannst du auch sagen: Ich liebe, was ich tue? Wenn nicht, dann beginne doch einfach damit, mehr von dem zu tun, was du liebst.

Was könnte es für dich heissen, mehr zu SEIN als zu TUN?

Und grad noch so eine persönliche Frage: Mit wem teilst du die persönlichen Herausforderungen in deinem Leben?

Renä, die Influencerin

Das war die beste strategische Entscheidung der letzten Monate: Für meine neue regionale Aufgabe entschied ich mich, wenn möglich einen halben Tag pro Woche in einem gemütlichen Kafi in Lyss zu verbringen. Dies mit der Idee, Menschen zu treffen und Anknüpfungspunkte zu finden.

Also bin ich aktuell am Mittwochmorgen regelmässig im Mona Lysa anzutreffen. Und so habe ich natürlich die Inhaberin, Renä, näher kennengelernt. Eine sympathische Gastgeberin mit grossem Herzen – und eine richtige Influencerin.

Wir alle sind Influencer!
Ganz einfach, weil wir alle Einfluss haben und Menschen prägen.
Du zweifelst noch, ob du ein:e Influencer:in bist?

Hast du Kinder?
Dann gehörst du zu den Top-Influencer!

Sind dir am Arbeitsplatz Menschen anvertraut?
Du bist eine Influencerin!

Übernimmst du irgendwo in der Gesellschaft Ver­antwortung (Verein, Politik …)?
Willkommen in der Welt der Influencer:innen!

Lebst du Freundschaften?
Dann prägst du andere Menschen!

Oder eben, du führst wie Renä ein Kafi oder einen Laden und der Kundenkontakt ist dein tägliches Brot. Dann bist du definitiv ein:e Influencer:in.

Im Mona Lysa fühlt man sich einfach willkommen. Natürlich hilft das gemütliche Ambiente. Aber vor allem liegt dies an der Willkommens-Kultur, die Renä lebt: Ein offenes Ohr für Menschen, die ihr etwas anvertrauen, was sie aktuell bedrückt. Ein ermutigendes Wort für Besucher:innen, die gerade in besonderen Herausforderungen stecken.

Und was sie perfekt beherrscht: Sie ist eine top Vernetzerin. Unaufdringlich und doch konkret einladend bringt sie Menschen zueinander. So hat mir beispielsweise diese Woche ein Freund geschrieben: «Dank Renä bin ich mit einer Person ins Gespräch gekommen und wir haben festgestellt: Wir haben die gleichen Bücher in derselben Reihenfolge gelesen …»

Ich finde es fantastisch, wie Renä sich als Instrument der Liebe Gottes benutzen lässt! Genau solche Influencer:innnen, ob mit tausenden Follower:innen oder mit täglichem Kundenkontakt, braucht unsere Welt! Influencer:innen der Liebe statt Influencer:innen der Spaltung!

Nutz deinen Einfluss für das Gute!

Kürzlich beschäftigten wir uns an der gms Matinée auch mit dem Thema «Alle sind Influencer». Dazu schauten wir uns diesen Clip von Coldplay an:

Natürlich ist Chris Martin ein Influencer von einem etwas anderen Kaliber als wir oder Renä es sind. Der Clip ist ein eindrückliches Beispiel, welche Macht ein solcher Influencer haben kann:

50’000 Leute, manchmal sogar über 100’000 Leute, singen deine Lieder.

Wenn du ein bestimmtes T-Shirt trägst, wolle es alle haben.

Wenn du zum Angriff rufst, wird das Capitol gestürzt.

Darum hab ich einen doppelten Rat, wenn es um unseren Umgang mit so mächtigen Influencer:innen geht: Bleiben wir kritisch und prüfen alles. Je grösser die Influencer-Bühne ist, desto einfacher bahnen sich Unwahrheiten und Verschwörungstheorien ihren Weg.

Und zweitens: Beten wir für sie. Ja, ich weiss, das klingt jetzt sackfromm. Aber die «Macht der Mächtigen» ist so riesig – da kann es nicht verkehrt sein, wenn wir in unseren Gebeten an diese Top-Influencer:innen denken.

Nun nochmals zurück zu dir und mir: Unsere Bühnen mögen um ein Vielfaches kleiner sein als die von Chris Martin. Aber dir und mir sind Menschen anvertraut und damit haben wir Einfluss. Nutzen wir ihn für das Gute!

Liebe statt Hass

Freude statt Griesgrämigkeit

Grosszügigkeit statt Eifersucht

Hoffnung statt Angst

Treue statt Verrat

Geduld statt Verbissenheit

Selbstbeherrschung statt Zügellosigkeit

Friede & Gerechtigkeit statt Krieg & Ausbeutung

Und warum war es jetzt strategisch eine so gute Entscheidung, mittwochs im Mona Lysa abzuhängen? Weil auch ich durch die Vernetzerin und Influencerin Renä mit mir bisher unbekannten Menschen in Kontakt gekommen bin und meine Arbeit weitere Kreise zieht, die sich mir ohne Renä wohl kaum erschlossen hätten.

Danke, Renä!

Glücksaufgabe

Bist du dir bewusst, wo du Influencer:in bist? Wenn du magst, schreib auf eine Karte die Menschen(gruppen) auf, die dir anvertraut sind: Kund:innen, Kinder, Mitarbeitende, Nachbarn …

Und dann dreh die Karte und schreib auf die leere Seite auf, wie du diesen Einfluss für das Gute nutzen willst.

Übrigens, meine Predigt Alle sind Influencer kannst du jetzt auch im Matinée-Podcast nachhören.