Meine Geschichte

Zu dieser Zeit war ich vor 25 Jahren bereits supernervös und angespannt: Am 31. Oktober 1999 sollte mein Traum wahr werden. Wir hatten seit Wochen alles geplant, mit freiwilligen Mitarbeitenden überlegt, wie dieser spezielle Brunch-Gottesdienst in der örtlichen Mehrzweckhalle gestaltet werden sollte, damit er möglichst viele Familien aus Studen und Umgebung anspricht.

Dass es überhaupt zu diesem Anlass kam, war einerseits in meinem Pioniergeist angelegt, anderseits doch ein Wunder für sich.

Während meiner Schulzeit war ich nämlich in Mathe immer vorne dabei, doch wenn’s um Sprache ging, gehörte ich eher zu den Sammlern von peinlichen Situationen. Was in der Primarschule unvorstellbar war, geschah dann am Reformationssonntag 1999 tatsächlich: Ich stand, notabene in der Schulanlage meiner Schullaufbahn, auf der grossen MZH-Bühne und hielt unter dem Motto «Ein Traum wird wahr!» eine Kurzpredigt vor grossem Publikum.

Doch noch aus einem anderen Grund war es eine wundersame Fügung, dass ich als 23jähriger Student das gms gründete. Den Pioniergeist fühlte ich zwar in mir und konnte diesen schon als Teenager mit Grümpelturnier-Projekten und später mit der Jungschar-Gründung ausleben. Jedoch fühlte ich mich hin und wieder als Exot und fragte mich, ob meine Träume und Ideen in der Kirchenlandschaft wirklich Platz haben.

Es brauchte einen Heinz Strupler als Motivator und eine praxisorientierte Ausbildung wie ich sie am IGW genoss, damit ich mich mit meinen Visionen nicht als Spinner abstempeln liess und in meinem letzten Studienjahr tatsächlich innerhalb eines eher traditionellen Gemeindeverbandes eine Gemeindegründung wagte.

Und wir hatten gross angerichtet: Schöne Flyer gedruckt, eingeladen, geplant, gebetet, eingeladen, Band zusammengestellt, gezittert, gebetet, eingeladen, eingeladen, eingeladen, kreative Elemente ausgedacht, Zöpfe gebacken und vieles mehr.

Dann war der Tag da, die Tische gedeckt. Viele Tische. Zu viele? Mein Chef verriet mir hinterher, er hätte gedacht: «Oh nein, wenn sich Stef und sein Team nur nicht verschätzen mit ihren grossen Erwartungen.» Doch die Halle füllte sich und es war ein wunderbarer Start in ein Abenteuer, das nun schon mehr als die Hälfte meines Lebens prägt.

Veränderungen gehören zum Leben

Vieles ist seither geworden – anders geworden, gut geworden, hoffnungsvoll geworden. In besagtem Gemeindeverband ging es für uns nicht mehr weiter, nach 10 Jahren ohne Dach fanden wir in der EMK Schweiz eine neue Heimat.

Wichtiger als Strukturen sind uns die Menschen. Unzählige Geschichten beweisen, dass der Traum von damals lebt: Im gms fühlen sich kleine und grosse Menschen wohl und angenommen und werden für ihr Leben und Glauben inspiriert.

Doch nicht nur das gms hat sich in den letzten 25 Jahren entwickelt. Auch ich habe mich in dieser Zeit gewandelt: Der Pioniergeist und die Liebe Gottes als Triebkraft sind geblieben, doch meine Überzeugungen haben sich an manchen Stellen verändert und entwickelt. Meine Theologie wurde weiter, Zweifel sind keine Bedrohung mehr, sondern Zwilling des Glaubens.

Ein bitter-süsses, weil wunderschönes und gleichzeitig enorm trauriges Zeugnis meiner Entwicklung ist die aktuelle Episode im Zweifelclub-Podcast: Mein «kleiner Bruder» und ich durften dort über unsere Geschichte, die auch eng mit der gms-Geschichte verwoben ist, erzählen. Wie erste Reaktionen zeigen, ist ein sehr berührendes Gespräch entstanden:

25 Jahre gms – das ist nicht nur der grösste Teil meiner Berufslaufbahn, sondern ebenso ein sehr prägender Teil meiner Lebensgeschichte.

Ich bin Gott und den Menschen um mich herum sehr dankbar, dass sie dieses Abenteuer mit mir eingegangen sind!

Glücksaufgabe

Ich lass mich gerne durch Biographien inspirieren. Vielleicht geht es dir ähnlich. Dann empfehle ich dir die Podcast-Folge vom Zweifelclub mit Mäth und mir.

Dann freu ich mich riesig auf die Jubiläums-Events zu 25 Jahre gms. Dass viele Menschen mit uns feiern, bedeutet mir sehr viel:

JUBILÄUMS BENEFIZ GALA DINNER mit Singer/Songwriterin Jaël und Nationalratspräsident Eric Nussbaumer u.a. => 31. Oktober in Brügg

JUBILÄUMS-GOTTESDIENST mit Klaus-André Eickhoff => 3. November in Brügg

Tageskonferenz BUNT GLAUBEN mit Christina Brudereck u.v.a. => 18. Januar in der MZH Studen

Infos & Anmeldung zu den Events

Gib dem Göttlichen eine Chance

Das hat mich begeistert: Zu Ostern brachte die NZZ am Sonntag eine Sonderausgabe voller Glücksimpulse. «100 Ideen für ein besseres Leben» wurde den Leser:innen präsentiert.

Vom preisgünstigen Wohnort über die Freude, Steuern zu bezahlen, oder über das Spielen in harten Zeiten bis zum Erfolgsrezept von DJ Bobo – die Ideen sind sehr vielfältig.

Natürlich fehlen auch die Klassiker der Positiven Psychologie, wie ich sie hier im GlücksBlog oder im Glücks-Buch auch gerne ausführe, nicht: «Das Glück lässt sich wie ein Muskel trainieren», Gemeinschaft und Verbundenheit, Dankbarkeit, Vergebung, Vergleichen als Sackgasse, in Erlebnisse statt ins fette Bankkonto investieren …

Während ich mich immer noch an diesen 100 Tipps aus der NZZ am Sonntag abarbeite, kauft sich meine Frau ein schönes, simples Schild mit der Zusammenfassung aller guten Ideen für ein gutes Leben:

Glück ist kein Ziel.
Glück ist eine Art zu leben.

Hm, ich frag mich wieder einmal, warum ich eigentlich so viel Zeit mit meiner Wochenlektüre verbringe, wenn es doch auch so einfach zu haben ist.

Nun gut, dann würden mir auch solche Perlen entgehen. Johannes Läderach, der wahrlich krisen- und Shitstorm-erprobte Chef von Läderach Schokolade, wird auf der Wirtschafts-Aufschlagsseite in grossen Lettern im Titel zitiert:

Machen Sie Ihren Selbstwert nie von Ihrem Job abhängig.

Wie gesagt, das Zitat stammt nicht etwa aus der Bibel oder einem esoterischen Ratgeber! Es steht ganz oben, ganz gross auf der Frontseite des Wirtschaftsteils, da wo sonst mehr Zahlen als Herz dominieren.  Für mich ist das eine schöne Osterbotschaft für viele stressgeplagte Manager und Burnout gefährdete Zeitgenossen.

Erfolg ist schön und gut, doch wenn du dich darüber definierst, läufst du genauso auf eine Sackgasse zu wie die Misserfolg geplagte Person, die sich über ihr Scheitern definiert!

Du bist gut, weil du bist!
Du bist wertvoll, weil es dich gibt!

Du bist geliebt,
mit allem Erfolg und Misserfolg,
allem Schönen und Hässlichen.
Du bist geliebt – brutto!

Definitiv gehüpft bei meiner Wochenlektüre ist mein Pfarrerherz, als ich zum «ältesten Tipp für ein bessers Leben» kam: Praktizierter Glaube. Wow, was für ein schönes, herzhaftes und gleichzeitig Wissenschaft basiertes Plädoyer für eine gelebte Spiritualität.

Zahlreiche Studien unterschiedlichster Fachrichtungen würden belegen, dass «das Vertrauen in ein höheres, transzendentes Prinzip … der Klassiker unter den Tipps für ein besseres Leben» bleibe.

Dabei sei es aber wichtig, dass man nicht in der Theorie, bspw. im Fürwahrhalten von Glaubensüberzeugungen, stecken bleibe. Glaube entfalte dann am besten sein Potenzial, wenn es zur praktischen Anwendung komme:

Kaum jemand wird zum Fussballfan, ohne je in einem Stadion gesessen zu haben. Und sich auf die Wucht eines Theaterstücks einzulassen, fällt einem im Theater eindeutig leichter.

Kurzum: Glaube heisst, sich auf diese transzendente Erfahrung einzulassen. Nicht Dogma, sondern Beteiligung. Ich freu mich an dieser Einladung, sich auf Glaubenserfahrungen einzulassen.

Und wenn ich da an den Oster-Brunch zurückdenke, den ich erleben durfte, fühlte ich genau diese Stärkung durch diese Gemeinschafts- und Gotteserfahrung.

Muss der kritische Zeitgenosse nun auf der Strecke bleiben und seine Zweifel unterdrücken! Nein, der Zweifel darf gerne als Zwilling des Glaubens dabei bleiben. Der Artikel schliesst mit Hinweis auf Blaise Pascal mit dem Gedanke, dass der Glaube sogar Vorteile bringe, selbst wenn sich herausstellen würde, dass Gott nicht existieren würde.

Glücksaufgabe

Wie ich in meinem letzten Artikel «Glück zwischen den Welten» schilderte, gab es für mich in den letzten Wochen sehr berührende Momente.

Aus dieser Fülle heraus nehme ich den Anstoss aus der NZZ am Sonntag gerne auf und mache von ganzem Herzen Werbung für diese Glaubenserfahrung.

Aber wo anfangen? Vielleicht in dem du die Passion auf RTL nachschaust, den Podcast mit Torsten Hebel hörst, vielleicht inspirieren dich auch Gedanken aus meiner letzten Predigt oder du hörst dir das Lied Aus Gnade von Klaus-André Eickhoff an.

Und: Geh ins Stadion! Suche eine Glaubensgemeinschaft, in der du dich wohl und angenommen fühlst und den Fragen des Lebens gemeinschaftlich nachgehen kannst.

Glück zwischen den Welten

Neulich schrieb ich in einer Mail: «Bewege mich grad etwas zwischen den Welten: Arbeit geht ab, Daddy wird schwächer und schwächer.»

Ich habe hier ja schon vorher von der niederschmetternden Diagnose meines Vaters berichtet. Dass er immer noch lebt, ist eigentlich schon ein Wunder. Doch derzeit verlassen ihn seine Kräfte zusehends, dies mitzuerleben ist sehr brutal und traurig. Trotzdem haben wir noch sehr schöne Momente zusammen – wie beispielsweise als wir am Montag stundenlang zusammen im Ehebett meiner Eltern lagen und ich mit meinem Päpu schöne Gespräche führen durfte.

Daneben geht meine Arbeit gerade ab, wie ich es noch selten bis nie erlebt habe: Ganz besonders waren da letzte Woche die Tage mit Klaus-André Eickhoff und Torsten Hebel. Was wir gemeinsam erleben durften, lässt sich kaum in Worte beschreiben: Ein wunderbares Chäs, Brot, Wy – und mini Gschicht mit Gott, mit einem berührenden Talk mit Torsten und den passenden Liedern von Klaus-André Eickhoff dazu.

Es folgten wunderbare Momente der persönlichen Begegnung – viel Lachen, grosse Offenheit, echtes Interesse, berührende Momente – heilig.

Und dann der Samstagabend: Erstmals ein Kultur & wunderBar ausserhalb von Studen. Wie es dazu kam, dass wir in einer mit 120 Personen gefüllten Kapelle in Lyss diesen einzigartigen Abend erleben durften, ist eine Geschichte für sich. Dass es so stimmig war, Torsten und Klaus-André in Hochform, ausserordentlich engagierte Mitarbeitende, überall glückliche Gesichter, energiegeladene Aufbruchstimmung … – ein grossartiges Geschenk.

Das macht soviel Sinn, Mut und Hoffnung. Ja, das erfüllt mich.

Zum Abschluss der CH-Tour TATSÄCHLICH LIEBE! sassen wir im kleinen Kreis mit den beiden deutschen Künstlern zusammen und waren uns einig: Wir durften da Teil von etwas ganz Besonderem sein.

Ich hatte zwei Künstler engagiert und dabei zwei Freunde gewonnen.

Am Sonntagabend war ich von mir selbst überrascht: Diese Emotionalität, dieses tief bewegt sein, eine Art Glückseligkeit – das kenne ich selten von mir.

Es war so intensiv, dass da plötzlich der passende Soundtrack in Form eines alten Pur-Hits durch mein Herz und Kopf schwirrte:

Glücksaktivität Verbundenheit

Heute, 20. März, ist internationaler Tag des Glücks. Dank meinem GlücksBuch durfte ich auch heuer ein kurzes Radiointerview zu diesem UNO-Tag des Glücks geben. Wie immer verwies ich natürlich auf die Dankbarkeit, den Königsweg für Menschen, die mehr Glück in ihrem Leben erfahren wollen: Sammle täglich drei Dinge, wofür du dankbar bist, und du wirst ein anderer Mensch.

Doch ich wollte nicht bei diesem Basic-Wissen bleiben und erwähnte auch Vergebung als Glücksaktivität, weil ich grad kürzlich ein Unternehmer über Vergebung als Erfolgsfaktor seiner milliardenschweren Firma sprechen hörte.

Und dann ist da der starke Glücksfaktor Verbundenheit: Glückliche Menschen sind verbunden mit sich selbst (sprich: sie lieben sich selbst), sind verbunden mit ihren Mitmenschen und erleben eine Verbundenheit mit etwas Höherem. Für mich ist dieses Höhere der Schöpfergott, der mich daran erinnert, dass ich geliebt bin, weil ich bin.

Genau dies durfte ich letztes Wochenende erleben – wunderschön und heilig.

Herzlichen Dank, lieber Torsten und Klaus-André, für diese Lektion und die Verbundenheit zwischen uns!

Ein anderer Soundtrack dieser Tage ist das wunderschöne Lied «Aus Gnade» von Klaus-André Eickhoff:

Glücksaufgabe

Während ich diese Zeilen schreibe, schlägt mein Herz nicht, es hüpft freudig erregt.

Was lässt dich diese Tage Glück spüren? Wie steht es um deine Verbundenheit mit dir, den Mitmenschen und mit der göttlichen Liebe?

Wenn du dich vertieft mit dem Thema Glück beschäftigen willst, empfehle ich dir natürlich gerne mein Buch Glück finden – hier und jetzt.

Und wenn du dich von der berührenden Lebensgeschichte von Torsten Hebel inspirieren lassen möchtest, kannst du unser Gespräch von letztem Donnerstag hier in unserem Podcast nachhören.

Fehlende Sicherheit – das ist grob fahrlässig

Zuletzt haben mich drei Texte bewegt, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben: Da war Jonny Fischers Biografie, die mich erschüttert hat, dann ein Artikel mit dem Titel Keine Angst vor dummen Fragen aus dem Wirtschaftsteil der NZZ am Sonntag und schliesslich das letzte Kapitel aus Martin Benz Buch Wenn der Glaube nicht mehr passt, das wir diese Woche im Format zäme wyter dänke besprochen haben.

Gebrochene Persönlichkeit

Via Medien habe ich wie viele andere längst mitbekommen, dass Jonny Fischer unter seiner freikirchlichen Prägung gelitten hatte.

Nun (endlich) seine Biografie zu lesen, machte mich tief traurig und auch wütend: Die familiäre, konservativ-evangelikale Prägung war nicht einfach der frühere Jonny – oder eben Jonathan. Seite für Seite wird klar, dass noch ganz viel Jonathan im erfolgreichen Jonny steckt (darum auch der Titel des Buches Ich bin auch Jonathan).

Als gefeierter, mehrfach preisgekrönter Bühnenstar hat es Jonny mit Divertimento längst geschafft. Doch all dieser Erfolg reichte nicht, um ihm den Selbstzweifel zu nehmen. Er konnte das von seinem Vater vermittelte Bild eines strafenden Gottes nicht einfach abstreifen. Im Gegenteil: Er litt immer wieder unter der Angst, nicht okay zu sein, nicht zu genügen und kämpfte darum, geliebt zu werden.

Doch so lange er selbst sich nicht lieben konnte, waren auch seine zwischenmenschlichen Beziehungen immer wieder von Enttäuschungen und Verletzungen durchzogen.

Es tut mir so leid für Jonny und viele Leidensgenossen, was einige Menschen aus dem liebenden Gott gemacht haben. Jonnys Biografie ist eine schonungslose Erinnerung daran, welche toxischen Züge der Glaube annehmen kann.

Falscher Fuss amputiert

Komisch-tragisch war die Lektüre des eingangs erwähnten NZZ Artikels:

In einem amerikanischen Krankenhaus wurde einem Patienten der falsche Fuss amputiert, obwohl mehrere Personen im Operationssaal den Fehler bemerkten.

Nicole Kopp, in Geld & Geist (NZZ am Sonntag, 4. Februar 2024)

Der Artikel ging der Frage nach, wann es in einem Team zu Bestleistungen kommt. Stimmt das naheliegende? Sind die besten Teams die, in denen die besten Leute sind? Sind Intelligenz, Fachkompetenz und strategisches Denken beispielsweise die entscheidenden Erfolgsfaktoren?

Vor vielen Jahren habe ich gelernt, dass der Unterschied zwischen einem guten zu einem Hochleistungs-, oder Dream-, Team der Umgang miteinander ist. Wo das Miteinander ein echtes Miteinander, geprägt von Respekt, Wertschätzung und sogar Liebe, ist, da sind auch die Resultate die besten.

Tatsache ist, dass es in Teams zu haarsträubenden Fehlleistungen kommen kann, wenn das Miteinander von Gleichgültigkeit oder gar Angst geprägt ist. Ob der falsche Fuss amputiert oder Flugzeugabstürze – es sind keine erfundenen Geschichten, sondern der tragische Beweis, dass fehlende psychologische Sicherheit und ausbleibende Kommunikation weitreichende Folgen haben.

Safe Places – ein sicheres Umfeld

Über Monate haben wir mit 20-30 Personen über das spannende Buch Wenn der Glaube nicht mehr passt von Martin Benz ausgetauscht. Diese Woche war nun das letzte Kapitel verbunden mit der Frage, wie wir vorwärtsglauben können, an der Reihe.

Eine gesunde Glaubensentwicklung, so unsere Erkenntnis des Abends, ist zwar individuell, braucht jedoch einen sicheren Ort mit anderen Menschen. Nur ein ehrlicher Austausch kann uns echt weiterbringen. Doch diese Ehrlichkeit, bei der man sich seinen Ängsten, Zweifel und Fragen stellt, kann nicht auf Knopfdruck hergestellt werden.

Es braucht Geduld, damit Vertrauen wachsen kann. Erst wenn ich mich sicher fühle und darauf vertrauen kann, dass ich von den anderen nicht «abgeschossen» werde, kann ich mich öffnen und mich verletzlich machen.

In Dreamteams fühlen sich Menschen sicher und getrauen sich beispielsweise auch den Chefarzt zu korrigieren (bevor er einen falschen Fuss amputiert) , in Glaubensgemeinschaften macht die psychologische Sicherheit den Unterschied, ob Menschen sich in ihrem persönlichen Glauben entfalten können (oder alle gleichgeschaltet werden).

Jonathan fehlte in der Kindheit diese psychologische Sicherheit. Dafür bezahlte der äusserlich äusserst erfolgreiche Jonny einen enorm hohen Preis.

Glücksaufgabe

Wie ist das bei dir? Was hat dich in deiner Kindheit geprägt, welches Gottesbild wurde dir vermittelt?

Und wo hast du in deinem Berufsleben bereits in einem Dreamteam mitwirken dürfen und wo hast du vielleicht erlebt, wie man mangels psychologischer Sicherheit den unangenehmen Gesprächen ausgewichen ist?

Welche Menschen können dir einen sicheren Rahmen bieten, damit du dich in deiner Persönlichkeit und in deinem Glauben positiv entwickeln kannst?

Das Leerbuch

Neulich lernte ich Rolf Marti kennen. Das war ein Vergnügen. Da war einerseits sein Konzert (Programm «zwöierlei» zusammen mit Ädu Trubädur Baumgartner) – ein kultureller Leckerbissen, der im vollbesetzten H2 für eine heitere Stimmung sorgte. Nachdenkliches und Humorvolles reichten sich die Hand. Grad wie im richtigen Leben abseits der Bühne.

Anderseits war da die persönliche Begegnung mit einem spannenden Menschen. Ein Geschichtenerzähler, Philosoph und Ästhet in einem. Leider war die Zeit an der wunderBar nach dem Konzert etwas knapp, um dem tiefschürfenden Philosophieren über die Welt im Allgemeinen und das Leben im Speziellen den gebührenden Raum zu geben.

Dafür hat mir Rolf sein «Leerbuch» als Erinnerung dagelassen. Ein Büchlein, das hält, was es verspricht: «Die reine Leere» enthält rund 80 Seiten vollständiger Leere. Worte sucht man vergebens, auch keine Karos sind zu finden und sogar Linien fehlen in diesem Büchlein.

«Die reine Leere» von Rolf Marti ist eine Einladung zum Selberdenken. Mir gefällt diese Art Humor: Zuerst ist es irritierend, dann lustig und schlussendlich bringt es einem (hoffentlich) zum Nachdenken.

Ja, wie gehen wir mit all den Menschen um, die für sich in Anspruch nehmen, «DIE» Wahrheit, die «reine Lehre», gepachtet zu haben?

Oder mit Menschen, die eben etwas kleinkariert in jeder Situation wissen, was richtig und falsch ist?

Zum wundervollen, minimalistischen Leerbuch passt, was ich dieser Tage bei einem anderen Marti, bei Lorenz Marti, gelesen habe:

Die Sprache (…) kennt zwar Lebensfragen –
aber keine Lebensantworten. (…)
Lebensfragen stehen keine
Lebensantworten gegenüber.
Diese Stelle bleibt leer.

Lorenz Marti gibt zu bedenken, dass wir im Duden das Wort Lebensantworten vergebens suchen – und dass uns dies etwas zu sagen hat.

Wir machen es uns zu einfach, wenn wir meinen, auf die grossen Fragen des Lebens gebe es einfache, allgemeingültige «Lebensantworten».

Den grossen Fragen nachzuspüren, nach Gott und Sinn zu fragen, ist gut und gehört zum Menschsein. Diese Suche hat sogar etwas Völkerverbindendes, weil wir unabhängig unserer Herkunft ähnliche Fragen stellen.

Und genau dafür ist gerade so ein «Leerbuch» super hilfreich: Wir können unsere Fragen und Gedanken festhalten. Betonung auf «unsere». Weil unsere Antworten immer individuell, biographisch und kontextabhängig bleiben.

Natürlich dürfen wir voneinander lernen, gemeinsam Fragende sein – unbedingt sogar! Gemäss Lorenz Marti ist es die Aufgabe der Religion, uns mit unseren existenziellen Fragen nicht alleine zu lassen, «ohne abschliessende Antwort zu erwarten».

Besser ist es, Mut zu machen, mit unseren Fragen unterwegs zu sein, in Kontakt zu bleiben.

Und so bekommt das Ganze für mich in einer superkomplexen Welt etwas Befreiendes: Ich kann und muss nicht auf alles eine Antwort haben. Wichtiger ist «die Bereitschaft, mit den Fragen zu leben» (Lorenz Marti in «Türen auf»).

Glücksaufgabe

Welche Fragen würdest du in deinem «Leerbuch» notieren?

Und wie gut gelingt es dir, wenn Fragen offenbleiben oder statt Antworten sogar noch mehr Fragen dazukommen?

Wo erlebst du das Glück, nicht auf alles eine Antwort haben zu müssen?

Übrigens: Das Leerbuch kann direkt beim «Autor» für 5 Franken bestellt werden.

Mit dir ist jeder Tag Weihnachten

Eigentlich bin ich ja kein besonders sentimentaler Typ, aber halt schon romantisch veranlagt. Und so kommt es, dass mich die wohlig-warmen Weihnachts-(Liebes)Komödien alljährlich aufs Neue in ihren Bann ziehen.  

Wie schön ist es doch, wenn Menschen, die sich gerade noch fremd waren und unterschiedlichen sozialen Schichten angehören, sich beim Güetsli-Backen näherkommen und sich schliesslich in grosser Verbundenheit um den Weihnachtsbaum versammeln …

In einem eben dieser schönen Weihnachtsfilmen sind die gestresste Mutter und der entschleunigte Vater aneinandergeraten:

Sie: «Du bist einfach zu nett!»
Er: «Es würde der Welt besser gehen,
wenn mehr Menschen nett wären.»

Dem stimme ich zu.

Und dann jedes Jahr die herzerwärmenden TV-Spots der Grossverteiler. Ich liebe es!

Dieses Jahr hat mich derjenige von Coop besonders angesprochen:

Ich freu mich, dass Warenhäuser wie Coop uns mit Werbekampagnen daran erinnern: Uns Menschen geht es besser, wenn wir gut zueinander sind. Wenn wir einander ein Lächeln schenken. Eine ermutigende Message kann nachhaltig etwas bewegen!

Übrigens, die Kampagne von Coop bleibt nicht bei den schönen Bildern stehen, sondern lädt uns mit passend gestalteten Karten dazu ein, einander ganz konkret mit ermutigenden Nachrichten ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

Und es geht noch weiter: Gerade gestern hat mir jemand erzählt, dass sie während dem Einkaufen in den Regalen eine solche ermutigende Botschaft gelesen hätte. Natürlich hatte die Frau ein Lächeln im Gesicht, als sie mir davon erzählte.

Darum: Just do it!! Und nicht nur in der Weihnachtszeit.

Aber: Unser Nett-sein, unser Gutes tun, muss aus einer «genährten Seele» (aus einem vollen Akku) kommen – sonst sind es bloss noch mehr To-Do’s auf unserer Liste und der Weihnachtsstress ist komplett.

Lass dein sein Licht leuchten

Effektiv auftanken, eine gesunde Life-Balance pflegen, zielbewusstes Zeitmanagement, wissen, was einem Energie spendet und was Energie kostet – all das sind immer mal wieder Themen hier in meinem GlücksBlog oder auch in unseren Workshops. Und das sind absolut wichtige Themen, weil keine:r von uns pausenlos aktiv sein kann.

Doch zu Weihnachten möchte ich noch eine Schicht tiefer graben: Was hält deine Seele am Leben, was ist dein inneres Licht?

Wie die Weihnachtsfilme gehören auch Gospel-Konzerte in die aktuelle Jahreszeit. Neulich bei einem solchen Konzert trat der Chor am Ende von der Bühne und die Sänger:innen umkreisten mit einem Licht in der Hand das Publikum. Alle zusammen sangen wir den Gospel «Shine your Light».

Wow, Hühnerhautmoment!

Ich lass mich hineinziehen in diese schöne, emotionale Stimmung. Das Lied ist mir bekannt (Erinnerungen an überwältigende Konzerte vom Oslo Gospel Choir), ich singe mit und hänge dem Text nach.

Zuerst singen wir: Shine your light in me, Jesus.

Was für ein wohltuender Unterschied zur Aufforderung von Coop und anderen: Nicht ich muss die ganze Zeit leuchten, nett sein, Gutes tun. Da ist einer, der mit seinem Licht mein Innerstes berühren will.

Dann geht’s weiter: Shine your light on me, Jesus.

Mein Leben darf aufgehoben sein in diesem Friedensbringer, denn sein Licht leuchtet auf mein Leben.

Und schliesslich singen wir alle zusammen: Shine your light through me Jesus.

Ja, wir wollen das göttliche Weihnachts-Licht aufnehmen, damit dieses Licht durch uns leuchtet.

Es ist dasselbe Anliegen wie beim erwähnten Weihnachtsfilm und in vielen adventlichen TV-Spots: Bring Licht, Liebe, Wärme, Nettigkeit in diese Welt, weil wir Menschen das brauchen – immer wieder und nicht nur in der kalten, dunkeln Jahreszeit.

Doch einen sehr wesentlichen Unterschied gibt es: Es ist nicht mein eigenes Licht, das die ganze Zeit leuchten muss! Dieses göttliche Kind in der Krippe will auch mich beschenken, mit anzünden, mir sein Licht schenken – damit es durch mich in diese Zeit hineinleuchtet.

Darum nochmals die Frage: Was ist dein inneres Licht?

Glücksaufgabe

An der letzten gms Matinée habe ich darüber gepredigt, wie wir unsere Seele nähren können (die Message kann im Podcast nachgehört werden).

Es war mir wichtig, dass wir aus der Stille heraus agieren. Und zum Schluss habe ich uns alle herausgefordert, das schöne Kartenset von Coop für eine praktische Umsetzung zu nutzen. Ich lud dazu ein, die darin enthaltenen drei Karten wie folgt zu nutzen:

Schreib dir selbst eine Karte, eine an Jesus und die dritte als Ermutigung an einen Mitmenschen.

Passenderweise hat eine dieser Karte bereits die Aufschrift «Mit dir ist jeder Tag wie Weihnachten».

Das ist die Weihnachtsbotschaft: Mit Jesus ist immer Weihnachten. Sein Licht möchte unsere Tage rund ums Jahr erhellen.

Vielleicht liegt bei dir auch noch so ein Kartenset des Grossverteilers herum. Lässt du dich auf diese Aufgabe ein?

Weggetragen

«Du hangisch wieder», wurde mir Ende September mehrmals gesagt. Gemeint war, dass auch mein Kopf im Plakat-Wald des Wahlherbstes zu finden war.

Auch wenn ich mich nach mehreren Wahlkämpfen (mit mehr oder weniger Ambitionen) daran gewöhnt habe, wochenlang an einem Plakat von mir selbst vorbeizufahren – es bleibt etwas Spezielles und irgendwie auch Unangenehmes.

Schön war dieses Jahr, dass mir Kids auf dem Schulhausplatz «Sälü Herr Gerber» nachgerufen haben. Erschreckend fand ich, wie viele Menschen unser, zugegebenermassen kompliziertes und für Kleinparteien auch unfaires, Wahlsystem nicht begreifen: «Wenn sein Plakat im Dorf hängt, dann will er auch unbedingt in den Nationalrat». Nein, das war nicht so, ich wollte nur meiner Partei (EVP) helfen und unserem Nationalrat (Marc Jost) zur Wiederwahl verhelfen.

Soweit so gut, um Politik soll es hier nicht gehen.

Eine Szene nach den Wahlen war so skurril, dass ich sie hier mit euch teilen will: Als wir durch ein Nachbardorf fuhren, sahen meine Frau und ich, wie ein Werkhof Mitarbeiter gerade den Plakatständer mit meinem Kopf darauf wegtrug.

Das ist eingefahren: Ich werde einfach weggetragen. Ein starker Mann nimmt mich einfach so unter seinen Arm – und weg bin ich.

Wir schauten der Szenerie etwas perplex zu und verpassten es so leider, ein Foto davon zu schiessen. Ein solches Bild hätte meine Gedanken hier eindrücklich untermalen können. Nun setz ich einfach auf deine Vorstellungskraft!

Endlichkeit vor Augen

Dieses Bild, wie ich weggetragen werde, brannte sich sofort in mein Herz. Deutlicher kann man nicht mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert werden. Meine Zeit, mein Sein und Tun, all die schönen Beziehungen und all mein freudiges Wirken, aber auch sämtlicher Schmerz des Alltags – all das hat ein Verfallsdatum.

Irgendwann werde ich nicht mehr sein!

Und bei dir ist es genauso!

Ich finde diesen Gedanken nicht bedrohlich – auch wenn ich hoffe, dass mein Verfallsdatum noch einige Jahre auf sich warten lässt.

Doch die Endlichkeit vor Augen ist für mich eine Einladung, mein Leben bewusst zu gestalten. Mich regelmässig, ganz besonders um meinen Geburtstag herum (war gestern), zu fragen, was ich durch mein Sein und Tun bewegen will und was ich eines Tages hinterlassen will.

Die Amis sprechen da schön von «Leave a legacy», die deutsche Übersetzung kommt nicht an diesen schönen Satz heran: Ein Vermächtnis hinterlassen.

Aber bleiben wir dabei: Welches Vermächtnis wollen wir zurücklassen? Das entscheidet sich heute – und nicht auf dem Sterbebett!

Die kleinen Entscheidungen des Alltags bestimmen, welche «Legacy» wir einmal zurücklassen werden.

Das Bild meines Wegtragens ist kaum an Dramatik zu überbieten, wenn ich dir jetzt noch etwas ganz Persönliches anvertraue: Genau in diesen Tagen, als sich die Szenerie abspielte, erfuhren wir, dass die Chemotherapie bei meinem Vater sein Ziel verfehlt und er besser seiner baldigen Endlichkeit ins Auge schaut.

Lass uns im Bewusstsein leben, dass wir möglicherweise schon morgen weggetragen werden.

Glücksaufgabe

Meine Hoffnung, dass es auch nach dem endgültigen Wegtragen meiner Selbst nicht zu Ende ist, nährt sich aus meinem Vertrauen in die christliche Verheissung: Nach dem unvollkommenen Leben im Hier und Jetzt mit all seiner Schönheit und seiner Tragik, wartet auf uns ein vollkommenes Leben im Jenseits. All unsere Sehnsüchte werden da gestillt werden.

Und welche Hoffnung trägt dich über die Endlichkeit des diesseitigen Lebens hinaus?

Nach den vielen Worten hier ein Lied, das mich bewegt und etwas von dieser Hoffnung ausdrückt:

«Ich bin drin, und du bist draußen.»

Heute ist Halloween.

Und Reformationstag.

Und der 24. Geburtstag vom gms studen.

Passend dazu ist in der aktuellen Ausgabe des Magazins familyNEXT in der Rubrik «Erwachsen glauben» ein Artikel von mir abgedruckt, in dem ich davon schreibe, dass ich meine Mitmenschen nicht mehr in zwei Kategorien einteilen möchte.

Anlässlich des heutigen gms Geburtstags stelle ich den Artikel hier in den GlücksBlog, auch wenn der Text länger als gewohnt ist …

«Du darfst hier nicht rein. Du gehörst nicht zur Gemeinde!» Mir lief schon damals, vor 25 Jahren, ein kalter Schauer den Rücken hinab, als ich miterlebte, wie ein Mädchen einem Nachbarkind mit diesen Worten den Eintritt ins Gebäude der Freikirche verweigerte.

Zwar war dieses «Drinnen-Draußen» ein Glaubenssatz, den ich damals durch meine theologische Prägung auch verinnerlicht hatte. Doch in diesem Moment war mir klar: Da ist etwas schiefgelaufen! Was für ein Bild von Gott und seiner Gemeinde hatte dieses Kind mitbekommen, dass es aus der Gemeinde einen Exklusiv-Club machte? Ich mutmaße, dass eine Art Subtext die biblischen Geschichten im Kindergottesdienst begleitete: Weil wir Jesus lieben, gehören wir zu seiner Familie. Wer Jesus nicht liebt, gehört hier nicht dazu – und ist darum auch nicht willkommen bei uns. Wie tragisch, wenn das die Botschaft ist, die bei den Kindern hängenbleibt. Der Gott der Liebe wird zum exklusiven Gut für einige Auserwählte. Aus dem «Lasset die Kinder zu mir kommen!» wird ein «Du hast hier nichts verloren!».

Willkommenskultur!

Etwa zur selben Zeit stand ich zusammen mit meiner Frau vor einer Gemeindegründung. Wir wollten im Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, eine zeitgemäße Gemeinde für kirchendistanzierte Familien aufbauen. Von Anfang an sollte in dieser neuen Gemeinde eine Willkommenskultur gelebt werden. Mit dem Gründungsteam hatten wir einen entsprechenden Traum definiert: «Wir wollen kirchendistanzierten Menschen einen Ort bieten, wo sie sich wohl und angenommen fühlen, Gott kennen und lieben lernen.“

Für dieses Anliegen investiere ich mich noch heute. Dieser Traumsatz wurde zur DNA unserer Gemeinde. Unterschiedlichste Menschen, junge und alte, christlich sozialisierte und Agnostiker, bestätigen, dass sie hier einen Ort erleben, wo sie sich außergewöhnlich angenommen und wohl fühlen. Und ja, auch den zweiten Teil des Traums dürfen wir erleben: Die Besucherinnen und Besucher kommen in Kontakt mit Gott.

Exklusiver Kreis?

Und trotzdem hat sich einiges verändert seit dem Start unserer Arbeit. Auch wenn wir die Willkommenskultur von Anfang an großschrieben und ohne klassischen Bekehrungsaufruf auskamen, basierte unser theologisches Modell auf der Überzeugung, dass sich Menschen bewusst für Drinnen oder Draußen entscheiden müssten.

Auch wenn ich versuchte, keine gnadenlosen Grenzen zu ziehen, steckte ich meine Mitmenschen in unterschiedliche Kategorien. Es fühlte sich zwar unnatürlich und unmenschlich an, wenn ich Menschen von der Liebe Gottes überzeugen musste. Ist Liebe nicht etwas, das man spürt und erfährt? Aber so habe ich es in meiner theologischen Ausbildung gelernt: Unser Auftrag ist es, Menschen für Jesus zu gewinnen. Doch in dieser Rolle als «Vertreter», der Menschen das Seelenheil «andrehen» will, fühlte ich mich immer etwas unwohl.

Natürlich, Teil einer göttlichen Mission zu sein, ist keine Wohlfühloase. Doch mit der Zeit rieb ich mich am theologischen Konzept dahinter: Wie kann es sein, dass ein Gott, der sich in seiner Liebe mit seiner ganzen Schöpfung versöhnt hat, nur einem kleinen, exklusiven Kreis von Menschen ewigen Frieden schenkt?

Es finden sich selbstverständlich genügend Bibelverse, die wir im Sinn eines exklusiven Clubs auslegen können. Nehmen wir Offenbarung 14,4. Ironischerweise spricht gerade die «Hoffnung für alle»-Bibel von den 144.000 als exklusiv Auserwählten: «Von allen Menschen sind sie es, die freigekauft und ausgewählt wurden.» Andere Übersetzungen wie die Lutherbibel sprechen von «Erstlingen». Immerhin ergänzt die «Hoffnung für alle“ in der Fußnote eine andere mögliche Übersetzung: «Als Erste von allen Menschen sind sie (von ihrer Schuld) freigekauft und ausgewählt worden.»

Allversöhner?

Letzte Woche wurde ich bei einem Hausbesuch von einem 75-Jährigen gefragt: «Bist du denn ein Allversöhner?» Ich kam kurz ins Stocken und konnte weder schnell ja noch nein sagen. Über all die Jahre hat sich mein Verständnis vom Evangelium deutlich geweitet: Vom klassischen «Drinnen-Draußen», bei dem nur einige wenige «richtig Gläubige» gerettet werden, habe ich mich längst verabschiedet.

Zusammen mit Rob Bell (Buchempfehlung: Das letzte Wort hat die Liebe) und anderen treibt mich die Frage um, ob ein allmächtiger Gott tatsächlich am Ende nicht an sein Ziel kommen sollte: die ganze Schöpfung mit sich zu versöhnen. Gemäß Kolosser 1,19 + 20 ist dieses Ziel bereits vollbracht: «Denn Gott wollte in seiner ganzen Fülle in Christus wohnen. Durch ihn hat er alles mit sich selbst versöhnt. Durch sein Blut am Kreuz schloss er Frieden mit allem, was im Himmel und auf der Erde ist.» Rob Bell gibt ein leidenschaftliches Plädoyer dafür ab, dass am Ende in jedem Fall die Liebe gewinnt: «Der Gott, von dem Jesus uns erzählt, gibt nicht auf, bis alles, was verloren ging, gefunden wurde.»

Mogelpackung?

Ein Teenie unserer Gemeinde war letzten Sommer als Leiter in einer christlichen Sportfreizeit. Als begeisterter Fußballer stellte er kritisch fest: «Einigen Leitern geht es nur darum, die Kinder zu bekehren. Der Sport ist ihnen gar nicht wichtig.» Ich freute mich über diese kritische Reflexion! Natürlich haben wir die Mission, Gottes Liebe weiterzugeben und mit Menschen Jesus nachzufolgen. Doch inzwischen sehe ich selbstkritisch, dass einige unserer Aktivitäten Gefahr laufen, zur Mogelpackung zu werden: Wir machen attraktive Angebote, bloß um Menschen zum Drinnen zu bekehren.

Da will ich mich künftig an Rob Bells Gedanken des werbenden Gottes halten, der uns Menschen nicht aufgibt. Ich möchte mir, uns und dem Mädchen aus der eingangs geschilderten Episode zurufen: «Lasst uns diese göttliche Willkommenskultur leben! Lassen wir die verletzenden Kategorien von Drinnen und Draußen hinter uns und feiern stattdessen die Liebe Gottes mit allen, die das möchten!»

Dieser Artikel ist zuerst im Magazin familyNEXT in der Serie «Erwachsen glauben» erschienen.

Von Herzen … dankbar

Es war, einmal mehr, schlicht genial: Letzte Woche durften wir ein weiteres Mal die Happy Kids Days durchführen. Seit über 20 Jahren gehören diese vier kreativen Nachmittage in den Herbstferien fix in meinen Jahreskalender.

Von meiner Frau lanciert, als wir noch keine Kinder hatten, begeistern die Happy Kids Days Jahr für Jahr viele Kinder, Eltern und auch uns als Mitarbeiter:innen-Team. Inzwischen helfen in diesem Team junge Menschen mit, die selber als Kinder regelmässig bei dieser schönsten Woche im Happy Kids Jahr dabei waren.

So auch unsere Tochter, die unterdessen als Sozialdiakonin i.A. eine wertvolle Stütze im Kernteam wurde: Wie viele andere Teens auch, hatten wir sie bereits früh gefördert, erst kleine Aufgaben anvertraut, später bald schon die Verantwortung über eine Kleingruppe. Stunden hat sie dabei in kleinste Details investiert und «ihren» Kindern eine unvergessliche Kleingruppenzeit beschert.

Für mich ist es etwas vom Schönsten, zu sehen, wie Menschen über Jahre mit uns und unserer Arbeit verbunden bleiben. Letzten Sonntag, beim Abschlussfest der Happy Kids Days und der kleinen Feier zum 15jährigen Jubiläum vom Verein Happy Kids, wurde dies besonders deutlich: Menschen, die in losen Abständen, aber immer wieder Teil unserer Aktivitäten sind, sprechen davon, bei Happy Kids sowas wie Familie zu erleben.

Ein besonderes Highlight war für mich, ganz bewusst zu entdecken, wer bereits im Vorschulalter (z.B. in der GschichteChischte) mit Happy Kids in Kontakt war und heute als Teenie in meiner Kleingruppe war oder gar über die Schulzeit hinaus Teil der Arbeit bleibt.

Von Herzen … lieben

Was mich an den Happy Kids Days fasziniert, sind die Kreativität und die gute Stimmung in einer Gruppe von rund 40 Kindern vom Kindergarten bis zur 6. Klasse. Ein Leiter sagte dazu: «Es ist einfach so friedlich!»

Und von wegen Kreativität: Es gelingt immer wieder, mit einem abwechslungsreichen Kreativ-Programm anschaulich (oder eben erlebnispädagogisch) lebens- und gemeinschaftsfördernde Werte zu vermitteln.

Dieses Jahr ging es unter dem Motto «Vo Härze …» darum, wie es aussehen könnte, unser «Lebenshaus» auf das Fundament von Werten wie Liebe, Helfen, Teilen und Dankbarkeit zu stellen.

Es ist schön, in einer Zeit voller (globalen) Konflikte darüber nachdenken zu dürfen, wie das Miteinander von uns Menschen besser gelingen könnte.

Das mit er Dankbarkeit krieg ich recht gut hin (siehe letzter Blogartikel). Aber schon bei der Liebe ist es so eine Sache …

In einem anderen spannende Format, dem «zäme wyter dänke», haben wir kürzlich (diesmal im Kreis von Erwachsenen) auch über Liebe nachgedacht. Inspiriert wurden wir dabei von Martin Benz und seinem Buch «Wenn der Glaube nicht mehr passt»:

Eros ist motivierte Liebe, sie muss ausgelöst werden von ihrem Gegenüber, indem dieses nett, lieb, freundlich, höflich, hilfsbereit oder sympathisch ist …
Agape dagegen ist die wertschätzende und selbstlose Liebe, die göttliche Liebe. Sie ist durch Gönnen und Schenken bestimmt, sie ist zuvorkommend, es geht um den anderen. Sie kommt nicht zustande durch den Wert dessen, auf den sie sich richtet, sondern sie bringt Wert beim Geliebten hervor.

Ich bin vom biblischen Konzept der Feindesliebe begeistert.

In der Theorie.

In der Praxis geht es mir wie den Teens in meiner Kleingruppe letzte Woche: Dort zu lieben, helfen und teilen, wo das Gegenüber wirklich nervig oder gar bösartig ist, einem bei einer kleinen netten Geste gleich zum BFF machen will, ist enorm schwierig.

Und dann fahre ich durch ein Dorf, wo ich fast nur Plakate von einer politischen Richtung sehe, die ich nicht nachvollziehen kann; «liebe alle Menschen!» – in der Theorie ein grosses Ja, aber eben …

Wenn ich meinen Blick zusätzlich noch auf die aktuellen Krisenherde wie den Nahen Osten oder die Ukraine richte, kommt meine praktische Liebe für machtgeile und hassgesteuerte Menschen endgültig an ein Ende.

Meine Erkenntnis: Das mit der Eros-Liebe fällt mir nicht schwer, das mit der Agape-Liebe dagegen sehr.

Wie gut, ist das bei Gott anders: Wie die Sonne jeden Tag über den liebenswürdigen und den bösartigen Menschen aufgeht – ungeachtet ihrer Taten – so gilt uns die göttliche Agape-Liebe ungeachtet unserer scheusslichen oder glänzenden Taten.

Von dieser Liebe will ich mich beschenken lassen und als Beschenkter mehr und mehr lernen, auch dort Liebe zu säen, wo es mir eigentlich «gegen den Strich» geht.

Glücksaufgabe

Kennst du das Glücksgefühl, wenn du unverdient von der wertschätzenden Agape-Liebe, der göttlichen Liebe, geküsst wirst?

Neugierig auf die Happy Kids Days? Hier unser Foto-Rückblick (weitere Aktivitäten wie z.B. den Happy Family Day unter dem Motto «Krass willkommen» findest du hier):

Reisst die Türen auf!

Ob Restaurant, Sportverein oder Kirche: Es ist so einfach, auf eine Speisekarte, in die Vereinspost oder auf eine Webseite Sätze wie «Bei uns sind alle willkommen!» zu schreiben.

Es ist eine ganz andere Sache, ob sich die Menschen dann auch wirklich willkommen fühlen. Da reichen gut gemeinte Bekundungen auf Leitbildern, Schaukästen oder Clublokalen nicht. Genauso wenig kann man politisch eine Willkommens-Kultur ausrufen und noch ein «Wir schaffen das!» hinterherschicken und meinen, die Menschen würden sich dadurch bei uns wirklich willkommen fühlen.

Solche Bekundungen sind nichts mehr als ein zwar sehr wichtiger, aber eben doch bloss erster Schritt. Es ist quasi eine rationale Absichtserklärung.

Neben der rationalen braucht es zwingend die emotionale Absichtserklärung! Beschränkt sich unser «Willkomm!» auf einen Kopfentscheid ohne entsprechende Herzenshaltung, könnten wir genauso gut sagen: «Heute gewinne ich im Lotto!» – es hätte keine bedeutende Auswirkung auf die Menschen um uns herum.

Toxic oder Safe Place?

«Wir haben uns eingeschlossen», lautete das selbstkritische Urteil auf einem christlichen Kalenderblatt zu Pfingsten. Rückzug und Selbstbeschäftigung machte der Autor, Hans-Werner Kube, in vielen Kirchen aus. Einen Tag später wagte er den Steilpass: «Lasst uns Türen aufreissen!», Neues wagen, Begegnung wagen, das Fremde lieben lernen wagen. Pfingsten halt – mehr als eine frische Brise.

Als ich neulich eine Predigt unter dem Motto «Du bist willkommen!» hielt und es eben nicht bloss um einen Kopfentscheid, sondern eine Herzenserfahrung ging, kamen Teilnehmende unter Tränen zur Erkenntnis, dass sie sich seit Jahrzehnten nicht willkommen fühlen. Eine solche Einsicht kann sehr schmerzhaft sein. Und trotzdem ist sie wichtig: Es kann der Anfang von etwas Neuem sein und vor allem das Ende von einem oberflächlichen, netten Lächeln à la «Wir haben uns doch alle lieb und sind nett zueinander!».

Willkommens-Kultur mag im Leitbild beginnen, erlebt (oder eben nicht) wird sie jedoch in den zwischenmenschlichen Begegnungen. Die meisten Menschen spüren recht gut, ob sie in einer Gruppe gerade so angenommen sind, wie sie sind.

Gruppen, und vielleicht trifft dies in besonderem Mass auf Glaubensgemeinschaften zu, haben ein enormes Potenzial, heilsam auf unsere Persönlichkeit zu wirken. Jedoch haben sie, und das trifft ganz bestimmt in besonderem Mass auf Glaubensgemeinschaften zu, auch ein gewaltiges, gar unheimliches, Potenzial toxisch auf unsere Persönlichkeit zu wirken.

In seinem wunderbaren Buch «Türen auf!» zeigt Lorenz Marti genau dies auf, indem er sich auf den Philosophen und Religionspsychologen Erich Fromm bezieht:

Autoritäre Religion hält den Menschen klein, operiert mit Angst und Schuldgefühlen und fordert bedingungslosen Gehorsam. Sie wird zur Zwangsjacke und führt auf Dauer zu einer seelischen Verkrüppelung.

Zum Glück ist es auch anders möglich:

Der autoritären Religion stellt Fromm die humanistische Religion gegenüber, welche den Menschen in der Entfaltung seiner Kräfte unterstützt und in der Erfahrung seiner Schwächen tröstet.
Sie dient der Menschwerdungen des Menschen, wird zur Quelle seelischer Gesundheit und fördert die Liebesfähigkeit.

Wir fühlen uns nicht überall willkommen und wir stehen nicht auf jeder Gästeliste. Das ist an und für sich noch nicht schlimm. Selbst Diskriminierung geschieht ganz oft nicht mit böser Absicht.

Darum bleibt es auch unsere Aufgabe, nach Orten zu suchen, die uns und unserer Seele guttun.

Und egal, ob wir ein Restaurant führen, im Sportverein aktiv sind, Verantwortung in einer Glaubensgemeinschaft tragen oder ganz einfach in unserem persönlichen Umfeld die Welt zu einem etwas besseren Ort machen wollen, stellt sich die Frage, was ich tun kann, damit «Du bist willkommen!» mehr als ein Lippenbekenntnis ist.

Glücksaufgabe

Wo erlebst du das heilsame Potenzial von Gemeinschaft, vielleicht auch von Glaubensgemeinschaften?

Hast du einen Safe Place?

Und wo hast du Toxic Places, die du künftig besser meidest?

Wie kannst du an deinem Ort eine echte Willkommens-Kultur fördern?

Hörempfehlung: Predigt «Lustvoll statt kraftlos leben und glauben» aus der neuen Matinée-Serie «Emotional gesund leben und glauben».