Von Thierry über Bono zu Jesus

Ich liebe Biografien. Wahrscheinlich bin ich darum selbst auch der grösste Fan vom Format «Chäs, Brot, Wy – und mini Gschicht mit Gott», wo ich einmal im Monat mit einem Gast über seine Geschichte talken darf.

Eigentlich wollte ich über Bono von U2 schreiben. Aber wenn wir schon beim «Chäs, Brot, Wy» sind, muss ich euch unbedingt zuerst vom letzten solchen Talk berichten. Es war sehr eindrücklich, wie offen mein Gast, Thierry Oppliger, aus seinem Leben erzählte und dabei auch Schwieriges und Scheitern nicht verschwieg.

«Fussballprofi war mein grosses Ziel. Mit 14 Jahren geriet für mich alles andere in den Hintergrund», erzählte Thierry anfangs Monat im gms Studen. Er entwickelte eine Leistungsmentalität, die er heute als ungesund einstuft. Alles wurde dem grossen Ziel untergeordnet, sogar Verletzungen wurden verschwiegen. Der Profivertrag war zwar da, doch der Körper und irgendwann auch die Seele stellten sich quer: Verschleppte Verletzungen, ungesunder Konkurrenzkampf und Verbiegung der eigenen Persönlichkeit.

Es folgte eine persönliche Krise und die Suche nach dem Sinn im Dasein. Geholfen hat ihm die Liebe: Als er im Ausgang von einer Frau Interesse und Annahme ohne jegliche Leistung oder Status erfuhr, weckte dies seine Neugier. Und er fand eine doppelte Liebe: Er entdeckte durch diese Frau die bedingungslose Liebe Gottes für sich und die Frau wurde später seine Ehefrau.

Krisen gibt es im Leben von Thierry noch heute, auch dies verschwieg er nicht.

Und jetzt zu Bono

Leider war er bisher noch kein Live-Talk-Gast bei uns, dafür erzählt er in seiner Biografie sehr offen über sein Leben, seine Erfolge, aber vor allem auch über seine (Selbst)Zweifel, seine Herausforderungen, Kämpfe und die Schattseiten eines Lebens als globaler Rockstar.

Als Pfarrer fasziniert mich, wie er seinen Glauben – samt allen Zweifel – immer wieder durchblitzen lässt. Dabei outet sich Bono als äusserst religionskritisch, aber grosser Jesus-Fan: «Die Religion kann das grösste Hindernis auf dem Weg durchs Leben sein.» (S. 177) Oder: «Das Christentum schien sich zum Feind des radikalen Predigers Jesus von Nazareth entwickelt zu haben.» (198)

Bono ist mit einer Mission unterwegs, kämpft als Aktivist gegen Armut und Ungerechtigkeit, doch auf das «Missionieren» im Sinne von Menschen zu sagen, was sie tun sollen, ist er allergisch: «Man braucht uns nicht zu sagen, wie wir leben sollen; was wir brauchen, sind Menschen, die uns mit ihrem Leben inspirieren.» (167)

Und er spricht mir aus dem Herzen, wenn er sagt (599):

Was mich an Religiosität total nervt, ist die Vorstellung des Gläubigen ohne Zweifel. Des Gläubigen, der nicht nur nie an seinem Gott zweifelt, sondern auch nicht an seiner Fähigkeit, die Heilige Schrift zu verstehen. Der nicht daran zweifelt, dass seine Interpretation die richtige ist.

Bono versteht sich als Christusanhänger auf einer Pilgerreise (167). Kirchen und Religionsgemeinschaften bleiben ihm suspekt, weil er (noch) keine Kirche gefunden hat, in der er sich wirklich zuhause fühlt (628). Doch er lebt eine faszinierende Beziehung mit Jesus. Gegen Ende seines Buches schildert er eine spannende Szene als er in Australien einen Arzt aufsucht, der mit ihm eine Hypnose macht (601):

«Ich gehe mit meinem besten Freund an einem Fluss entlang», sagte ich.
«Und alles ist genauso, wie es sein sollte. Meine Schritte sind sicher, ich spüre, dass ich zu urteilen lerne, ohne beurteilt zu werden. Ich kann alles sagen, was ich will. Mal kommt eine Antwort, mal nicht. Es ist ein Gespräch unter Freunden.»

«Und ihr Freund?», fragte der Arzt.
«Wer ist es?»

Ich sagte:
«Ich glaube, es ist Jesus.»

Glücksaufgabe

Eine letzte Perle von Bono, er spricht hier über seine «Sabbatstunde»: «Zeit, in der man aufhört zu tun und anfängt zu sein.»

Wo hast du solche Momente, wo du aufhörst zu tun und anfängst zu sein?

Falls Podcast oder Bücher dir helfen, mehr zu sein als zu tun, empfehle ich dir, den ganzen Talk mit Thierry nachzuhören oder die Biografie von Bono zu lesen.

Mehr als eine Formel

Letzten Sonntag war ich wieder einmal eingeladen, in einem Talk weiterzugeben, was ich als Theologe bei der Positiven Psychologie für die Lebenszufriedenheit gelernt habe.

Mit im Gepäck hatte ich natürlich auch mein Buch «Glück finden – hier und jetzt». Und damit auch die Glücksformel. Nein, ich würde nicht das Buch als Glücksformel bezeichnen, aber im Buch schreibe ich über die Formel für mehr Lebenszufriedenheit, die ich bei Martin Seligman, dem Vordenker der Positiven Psychologie, entdeckte.

Weil die Glücksformel auf spielerische Art die Erkenntnisse der Glücksforschung auf den Punkt bringt, brauche ich sie regelmässig in Workshops, Referaten oder eben Talks, um mit den Teilnehmenden in die Entdeckungsreise zu einem zufriedeneren Leben zu starten. Die Erkenntnis, dass beispielsweise die Lebensumstände einen viel geringeren Anteil an unserem Glücksempfinden haben als allgemein angenommen, wird dankbar als Inspiration angenommen.

Doch beim Talk letzten Sonntag schien ein Zuhörer derart von der Formel irritiert gewesen zu sein, dass er im Frageteil wissen wollte, ob ich das ernst meine oder ob ich damit nur Irritation auslösen wollte. Ich fand nicht heraus, ob er inhaltlich nicht mit der Glücksforschung einverstanden war oder ob sich in seinem Innern etwas sträubte, das Leben in eine Formel zu packen.

Natürlich sind das Glück und das Leben sowieso viel mehr als eine Formel! Trotzdem helfen mir solche Veranschaulichungen, wertvolle Impulse oder Lebensprinzipien zu verinnerlichen. Immer mit dem Wissen, dass es in Wahrheit noch eine Spur komplexer ist und sich das Leben nie auf eine mathematische Gleichung reduzieren lässt – das wäre ja zu einfach …

Haschen nach Wind

Und trotzdem will ich euch hier auch eine Formel präsentieren. Kommenden Sonntag schliessen wir im gms studen eine inspirierende Matinée-Serie ab. Dabei haben wir uns über mehrere Monate mit dem Bibelbuch Kohelet (Prediger) beschäftigt. Der Prediger hat beobachtet, dass unser menschliches Treiben – von der Arbeit über die Karriere und unseren Wohlstandsbemühungen bis zu intensivstem Vergnügen – alles vergänglich und paradox ist, eben wie «Haschen nach Wind».

Während der Zeit dieser Serie habe ich Christoph Wirz kennen gelernt. Der pensionierte Notar ist ein leidenschaftlicher Autor und ist in einem spannenden Projekt in den Dialog mit dem Prediger getreten. Im daraus resultierten Buch «Windhauch» schreibt Christoph diesen denkwürdigen Satz:

Noch besser als Wissen und Können sind die beiden, gepaart mit Erfahrung und Gelassenheit; das wäre dann Weisheit.

Daneben habe ich mir eine Randnotiz gemacht; eben, eine neue Formel:

(Wissen + Können) + (Erfahrung + Gelassenheit) = Weisheit

Was wir uns mit unserem Verstand aneignen und die Fähigkeiten, die wir entwickeln, können zu unserer grossen Stärke werden. Nämlich dann, wenn wir dieses Wissen und Können mit Freude und Leidenschaft einbringen. Das ist eine wunderbare Sache und kann immer mal wieder zu schönen Flow-Erlebnissen führen.

Wissen und Können alleine bergen die Gefahr in sich, dass wir überheblich werden. Darum braucht es für ein Leben aus Weisheit noch etwas mehr: Erfahrungen, die schwierigen und die tollen. Sie helfen uns, uns in einer komplexen Welt mit unberechenbaren Menschen (inklusive uns selbst) etwas besser zu orientieren. Und die Gelassenheit im Sinn einer gesunden Demut erinnert uns daran, dass nicht alles an uns, unserem Einsatz sowie unserem Wissen und Können hängt. Wir mögen noch so vieles können – wir haben das Leben nie unter Kontrolle.

In gewissen Kreisen sagt man dazu: «So Gott will und wir leben». Dieser Ausspruch geht auf eine Bibelstelle (Jakobus 4,15) zurück und ist aus meiner Sicht eine schöne Erinnerung daran, dass wir bei allem Können und Wissen, und egal wie gross unser Erfahrungsrucksack ist, diese Gelassenheit brauchen: Es liegt nicht alles in unseren Händen.

Diese Lebensweisheit wünsch ich uns!

Glücksaufgabe

Auch wenn es nur eine Spielerei ist: Wie würde deine persönliche Glücksformel lauten?

Übrigens: Meine Predigten zur Serie Haschen nach Wind kannst du in unserem Podcast nachhören und selbstverständlich bist du herzlich dazu eingeladen, am Sonntag mit uns den Abschluss der Serie im gms studen zu feiern.

Frustbewältigung

Nicht schon wieder!

Am Ende bleibt einmal mehr der Frust: «Vorrunden-Weltmeister» und dann dieses grandiose Scheitern im ersten Spiel, in dem es um alles oder nichts geht.

Die Schweizer Nati hat in der ersten WM-Woche alle Hockeyfans des Landes (und bestimmt sogar darüber hinaus) mit ihrem attraktivem Spiel verzückt. Zeitweise hat man die «grossen Namen» wie Kanada regelrecht vorgeführt. Wow, wir sind bei den ganz Grossen angekommen!

Und damit steigt natürlich die Erwartungshaltung. Als souveräner Leader der Vorrunde ist der Viertelfinal nicht etwa Kür, nein, wir sind auf den Geschmack gekommen und sprechen von einem Pflichtsieg, da man sich eben zu den Grossen zählt und sich zu Höherem berufen fühlt.

So kam es, wie es bei unseren Schweizer Teams viel zu oft kommen muss: Das entscheidende WM-Spiel war das schlechteste, die Ernüchterung gross, der Frust riesig.

Als Seeländer Hockey-Fan wähnt man sich in einem Déjà-vu: Fantastische Saison und herausragende Playoffs – und am Ende bleibt der Frust. Nun ja, unser EHCB hat es wenigstens bis ins Entscheidungsspiel im Final geschafft und die Saison ist als Riesenerfolg zu werten. Mit paar Wochen Distanz ist der Frust total fehl am Platz, wir sind würdiger Vize-Schweizermeister – was für ein Erfolg!

Gesunder Umgang mit Frust

Aber bleiben wir beim Frust und der Schweizer Nati: Wie kann es geschehen, dass man das beste Team ever hat, vor dem entscheidenden Spiel sagt, man sei bereit … und dann das? Ich habe nicht das ganze Spiel gesehen und ich versteh von Hockey etwa so viel wie von Wein – es gefällt (schmeckt) mir oder es gefällt (schmeckt) mir nicht. Aber was ich da gesehen habe, hat mir wirklich nicht gefallen: Ein hilfloses Anrennen ohne die Magie der letzten Spiele.

Grosse Frustration im Schweizer Team nach dem WM-Aus gegen Deutschland.
(Foto: Claudio Thoma/freshfocus)

Leider kann ich Patrick Fischer und seinem Team genauso wenig Tipps geben wie dem Weinbauer – ob Wein oder Hockey, ich bin nur Konsument.

Aber was wir uns alle von Zeit zu Zeit fragen müssen: Wie können wir konstruktiv mit Frust umgehen? Es wird wohl bei uns allen immer mal wieder vorkommen, dass unsere Pläne nicht aufgehen, Erwartungen höher waren als das, was am Ende rausschaut.

Wie ich neulich hier geschrieben habe, erlebe ich beruflich derzeit einen zweiten Frühling. Das macht richtig viel Freude. Etwa so wie die Vorrunde des Schweizer-Teams an der Eishockey-WM. Natürlich erlebe ich auch da Rückschläge – manchmal äussern sich diese in massiver Kritik oder gar Anfeindung.

Wohin mit diesem Frust? Mir hilft es, wenn ich solche Situationen mit meiner Frau besprechen kann. Glücklicherweise war ich diese Woche auch gerade an einer Pfarrpersonenweiterbildung und konnte meinen Frust mit meinen Kolleg:innen teilen.

Eine weitere Frustbewältigung geschieht bei mir während dem Tagebuchschreiben: In mich hineinhorchen, Gedanken aufschreiben, den Frust und die Fragen im Gebet vor Gott ausbreiten.

Zusätzlich treffe ich mich regelmässig (alle 3-4 Monate) mit meinem Coach, um meinen (Berufs)alltag zu reflektieren. Da hat natürlich aktueller Frust und die Frage, wie ich positiv damit umgehe, einen grossen Platz.

Zuletzt durfte ich mit meinem Coach aber vor allem die Freude darüber teilen, dass gerade so viel spriesst in meinem Alltag.

Glücksaufgabe

Ich weiss wirklich nicht, wie ein Sportler mit solchen frustrierenden Erlebnissen umgeht. Wenn ich denke, wie emotional das Ganze schon für uns Fans ist … Bei Gelegenheit werde ich nachfragen, zum Beispiel nächste Woche im «Chäs, Brot, Wy – und mini Gschicht mit Gott», wo ich einen Talk mit Thierry Oppliger, ehemaliger Fussballprofi, führen darf.

Und du, wie gehst du mit Frust um? Wer oder was hilft dir, nach frustrierenden Erfahrungen wieder glücklich zu werden?

Falls du auf der Suche nach einem Coach bist, der dich beim Reflektieren unterstützt, dann melde dich gerne.

Wenn alles spriesst …

Ich erlebe gerade einen zweiten Frühling!

Nein, es geht nicht um eine andere Frau.

Vor einem Vierteljahrhundert habe ich mir als engagierter Jugendarbeiter und junger Theologiestudent ausgemalt, wie eine Kirche für Menschen von heute aussehen müsste: Kreativ, lebensnah und gesellschaftsrelevant.

Mit viel Enthusiasmus machte ich mich zusammen mit anderen Menschen – und bald auch schon mit meiner zukünftigen Frau – an die Arbeit: Aus Träumen wurden konkrete Visionen, aus Ideen praktische Schritte, aus neugierigen Mitmenschen motivierte Mitstreiter.

Beruflich war das mein erster Frühling: Im Gepäck hatte ich viele ermutigende Erfahrungen aus der Freiwilligenarbeit mit jungen Menschen (Jungschar und Jugendverein) und jetzt wurde ich dafür bezahlt, meinen Traum zu leben.

Naiv, wie man nur mit Frühlingsgefühlen und Schmetterlingen im Bauch sein kann, habe ich gedacht, die Welt hätte auf uns gewartet. Zwar zogen unsere speziellen Brunch-Gottesdienste teils über 200 Menschen an. Doch als die erste Neugier gestillt war, blieb ein kleiner, harter Kern an Mitstreitern übrig. Unsere Aktivitäten waren für viele eine willkommene Abwechslung zum normalen Kirchenalltag – aber irgendwie auch nicht viel mehr.

Nach den Frühlingsgefühlen war schnell klar: Unsere Berufung als Paar – inzwischen Eltern – wird kein Spaziergang (schon bald klang Xavier Naidoo in Dauerschleife in unseren Ohren: «Dieser Weg, wird klein leichter sein»).

Unzählige gute Begegnungen, leuchtende Kinderaugen, geniale Projekte … das gehörte immer zu unserem Weg. Und doch nagte schon bald und immer öfters die Frage nach dem «Return on Investment (ROI)» – spätestens als der Arbeitgeber die Projektunterstützung nach 10 Jahren auslaufen liess, wurden diese Fragen existenziell.

Noch näher als die Frage nach dem betriebswirtschaftlichen ROI war mir auf diesem Weg ein Zuspruch aus den Psalmen:

«Die mit Tränen säen,
werden mit Freuden ernten.
Sie gehen hin und weinen
und tragen guten Samen
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben.»
Die Bibel, Psalm 126,5+6

Freude unterwegs

Letzten Montag war ich – wie etwa seit zwei Jahrzehnten vierteljährlich – bei meinem Coach. Er hat all mein berufliches Auf und Ab durch meine Erzählungen hautnah miterlebt und mich darin unterstützt, in allem Hinterfragen meinen eigenen Weg zu finden.

Und als ich also letzten Montag von so viel Gutem erzählen konnte, das ich in letzter Zeit und insbesondere in den letzten drei Monaten erleben durfte, staunten und freuten wir uns beide herzlich.

Foto: Melanie Blaser-Gfeller

Ich fühle mich tatsächlich beruflich gerade in einem zweiten Frühling: Die Veränderungen per 1. Januar (politische und andere Mandate aufgegeben, dafür Pfarrertätigkeit von 60 auf 100 % aufgestockt, neue regionale Verantwortung) fühlten sich sofort stimmig an und die vielen guten Begegnungen mit Menschen der Region lassen mich hoffnungsvoll vorwärtsblicken. Es ist noch nicht ein «mit Freuden ernten», wie es das Psalmwort sagt. Aber es ist ein verheissungsvolles Spriessen wie im Frühling.

Dieses Frühlingsgefühl wirkt sehr motivierend. Es ist nicht mehr die jugendliche Naivität wie im ersten Frühling. Doch mit den vielen gesammelten Erfahrungen kann ich in meinem zweiten Frühling hoffentlich mit mehr Weisheit agieren.

Was mich zuversichtlich stimmt: In den letzten Wochen habe ich ganz viele Menschen zwischen 30 und 90 Jahren getroffen, die sich genau wie ich mich nach einer Gemeinschaft sehnen, wo wir in zeitgemässen, post-modernen Formen mit einer weiten Theologie progressiv glauben können.

Das macht definitiv Lust auf mehr! Möge das frühlingshafte Spriessen zu einem «mit Freude ernten» werden.

Glücksaufgabe

Wo darfst du gerade Frühlings-/Glücksgefühle erleben?

Ich bin meiner Kirche, der EMK Schweiz, sehr dankbar, dass sie durch die Aufstockung meiner Anstellung in mich und in die Region investiert. Und wem bist du dankbar?

Auf der Suche nach dem Glück

Kommenden Montag ist – wie jedes Jahr am 20. März – Weltglückstag. Gut, dass es diesen UNO-Tag des Glücks gibt und wir daran erinnert werden, wie zentral für unsere persönliche und gesellschaftliche Entwicklung das subjektive Wohlbefinden ist. In der Resolution 66/281 zum Weltglückstag anerkennen die Vereinten Nationen die «Notwendigkeit eines inklusiveren, gerechteren und ausgewogeneren Konzepts für Wirtschaftswachstum, das die nachhaltige Entwicklung, die Armutsbeseitigung, das Glück und das Wohlbefinden aller Völker fördert.» (Quelle)

Ein ganzheitliches Konzept des menschlichen Seins und Wohlbefindens setzt also nicht einseitig auf Wohlstand. Wohlbefinden ist eben mehr als ein fettes Bankkonto.

Wenn ich an unsere Prioritätenlisten denke, vermute ich, dass ein Weltglückstag pro Jahr nicht reicht. Um nicht zu sehr auf die Zahlen (der internationale Tag der Mathematik ist übrigens am 14. März) fixiert zu sein, ist ein regelmässiger Blick auf das, was nachhaltig unser Glück fördert mehr als angebracht.

Zum Beispiel ist ein guter Umgang mit sich selbst von so grosser Bedeutung, dass man inzwischen auch bei uns darüber nachdenkt, Glück als Schulfach in der Volksschule einzuführen – wie ich diese Woche erfreut an einer Sitzung mit Kader der BKD (Bildungs- und Kulturdirektion, Kanton Bern) erfuhr.

Was glückliche Menschen auszeichnet

Mit meinem GlücksBlog lade ich 14täglich dazu ein, konkret nach dem zu fragen, was uns im Alltag zufriedener und erfüllter macht. Aber vielleicht ist es ganz gut, einmal im Jahr ganz grundsätzlich daran zu erinnern, was glückliche Menschen auszeichnet:

Geld ist kein Glücksmotor, darin sind sich die Vertreter der Positiven Psychologie einig. Einigkeit herrscht auch darüber, was dagegen den glücklichen Menschen auszeichnet. Die Merkmale des zufriedenen Menschen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Erfülltes Liebes- und Familienleben: Sie verbringen viel Zeit mit Menschen, die ihnen wichtig sind. Sie pflegen Freundschaften und gestalten ihr Liebes- und Familienleben aktiv.

Sinnerfüllte Tätigkeit: Sie gehen einer Aufgabe nach, die ihren Talenten und Interessen entspricht und mit der sie einen Unterschied auf dieser Welt machen können.

Reiches Sozialleben: Sie bringen sich als aktiven Teil in die Gesellschaft ein – sei dies in Beziehungen oder in freiwilligem Engagement für ihre Mitmenschen.

Bewusste Selbstführung: Sie sind mit sich im Reinen, blicken optimistisch in die Zukunft und pflegen einen dankbaren und achtsamen Lebensstil.

Gelebte Spiritualität: Sie verstehen sich als Teil des großen Ganzen. Ihr Leben hat Bedeutung, weil sie sich im Dienst einer höheren Sache verstehen.

Quelle: «Glück finden – hier und jetzt», Stefan Gerber

Nachhaltiges Glück – oder besser: echte Lebenszufriedenheit – erlebe ich dort, wo ich mit diesen fünf Aspekten des Lebens versöhnt bin. Es muss nicht alles goldig glänzen, aber es lebt sich deutlich zufriedener, wenn ich mich mit dem Schönen und Schwierigen in meinem Leben versöhne.

Die Bibel spricht hier von Shalom und meint damit ein Friede, der viel mehr ist als ein Waffenstillstand. Ja, ein Glück, das letztendlich das Irdische überragt. In der Worterklärung umschreibt es die BasisBibel so: «Umfassender Zustand von Glück und Wohlergehen des Einzelnen und der Gemeinschaft, der aus der Beziehung mit Gott hervorgeht.»

Das wünsch ich uns zum diesjährigen Weltglückstag – mitten in die globalen und persönlichen Krisen unserer Zeit.

Glücksaufgabe

Eine Bestandesaufnahme und eine Glücksaktivität gebe ich dir auf dem Weg zum Weltglückstag mit:

Wie zufrieden bist du gegenwärtig in den fünf obgenannten Bereichen? Top, soso lala, Flop? Bewerte gerne auch jeden Bereich mit einer Zahl von 1 – 10.

In meinem Buch stelle ich 16 Glücksaktivitäten vor, unter anderem steht da «Gemeinschaft: Liebe geben und empfangen» oder auch «Achtsamkeit». Per anfangs Jahr habe ich eine neue Funktion übernommen und führe derzeit sehr viele Gespräche und lerne Menschen mit ihrer Geschichte kennen. Was mir immer wieder auffällt: So viele fühlen sich «übersehen», nicht beachtet, gar vergessen.

Darum meine Einladung an dich: Sei achtsam – nimm dich und deine Mitmenschen wahr. Horche in dich hinein, um zu erfahren, wie es dir wirklich geht. Und frag nach bei den Menschen in deinem Umfeld, wie es ihnen geht, wirklich geht!

Guten Morgen, liebes Spiegelbild!

Das war irgendwie eine komische Woche: Sehr viel wirklich Gutes einerseits, gleichzeitig meldete sich meine «innere Systemstimme» immer mal wieder mit der Meldung: «Akkustand niedrig!».

Während die Tage gut waren, voller interessanten Begegnungen und spannenden Projekten, waren die Nächte wenig erholsam: An ungestörten Schlaf war nicht zu denken, dementsprechend wiederholte sich allmorgendlich der holprige Start in den Tag.

Wie sagt man so schön? Wenn der Tag zerknittert beginnt, hat er jede Menge Entfaltungsmöglichkeiten. Naja …

Umarm den Tag

Das ist irgendwie lustig und doch nicht. Jedenfalls stell ich mir einen optimalen Start in den Tag nicht zerknittert vor.

Darum wie wir in den Tag starten, ging es auch letzten Dienstag, als ich einen Kurs zum Thema Persönliches Ressourcenmanagement gestalten durfte. Neben den gängigen Zeitmanagement- und Organisationstipps, angefangen bei der ALPEN-Methode, übers Eisenhower- und Pareto-Prinzip bis zum Parkinson’sche Gesetz, beschäftigten wir uns mit ganz Grundlegendem.

Der wichtigste Grundsatz: Der Auftrag muss klar sein! Wenn das Ziel schwammig bleibt, können wir noch lange unser Zeitmanagement optimieren – wir werden dabei vielleicht immer effizienter (können schneller mehr erledigen), aber ob wir dabei auch effektiv sind (das Richtige in Bewegung bringen), bleibt fraglich.

Doch lange vor der optimalen Arbeitsorganisation und auch vor der Auftragsklärung kommt die persönliche Einstellung und die gesunde Selbstfürsorge.

Und so war mein erster Tipp an die Schulsekretärinnen in besagtem Kurs: «Umarmt den Tag! Startet mit einer positiven Einstellung in den neuen Tag.»

Ich lud die Frauen ein, ihr eigens Spiegelbild am morgen freundlich zu begrüssen. Das verhaltene Lachen der Kursteilnehmerinnen bestätigte mir, dass sich der Gedanke an ein ermutigendes Selbstgespräch vor dem Spiegel etwas fremd anmutete.

Es hat aber keine abgestritten, dass diese hohe Kunst der Selbstfürsorge zu früher Morgenstunde eine wirkungsvolle Sache sein könnte: Noch bevor ich den eigenen Kindern, dem Chef, den Mitarbeitenden oder den Kunden begegne, sorge ich für eine positive Begegnung mit mir selbst.

Anders ausgedrückt: Wie will ich (aufrichtig) nett zu meinen Mitmenschen sein, wenn ich mit mir selbst abschätzig umgehe?

Mut zur gesunden Selbstfürsorge

Stell dir vor, du hast eine kleine «Bude» mit einer einzigen äusserst wertvollen Maschine, die quasi für deinen gesamten Umsatz zuständig ist. Wirst du nicht alles daran setzen, dass diese Maschine jeden Tag gut geölt läuft? Du wirst sie hegen und pflegen, weil dein ganzer Umsatz daran hängt.

Nun, spätestens bei Thomas Härry und seinem Vortrag am Willow Creek Leitungskongress 2022 haben wir eindrücklich gelernt, dass Menschen keine trivialen Systeme wie Maschinen sind – sondern höchst komplexe Wesen, deren Laune täglich neu unberechenbar ist.

Ich hüte mich also davor, Mensch mit Maschine zu vergleichen. Aber gib dem Bild trotzdem eine Chance: Wenn du als Unternehmer:in schon deine Maschine von ganzem Herzen hegen und pflegen würdest, wie viel mehr solltest du da um eine gesunde Selbstfürsorge bemüht sein?

Du bist keine Maschine!
Du hast eine viel bessere Pflege als jede Maschine verdient!

Darum: Sei dir ein guter Freund, eine gute Freundin!

Sei gut zu deinem Spiegelbild, begrüss dich schon am Morgen freundlich und sorge dafür, dass du deine «innere Systemstimme» nicht ignorierst, wenn sie wieder einmal sagt: «Akkustand niedrig!».

Glücksaufgabe

Gesunde Selbstfürsorge ist keinesfalls egoistisch! Sie ist ein wichtiger Schlüssel zu mehr Freude, Glück (Zufriedenheit) in deinem Leben – und im Leben deiner Mitmenschen.

Darum ist wichtig, dass du dich mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigst:

Was hilft dir dabei, positiv in den Tag zu starten?

Wie lädst du wirkungsvoll deinen inneren Akku auf?

Was von deinen Tätigkeiten gibt dir Energie?
Und was nimmt dir Energie?

Leerer Tank schon anfangs Jahr?

Diese Meldung hat mich beeindruckt: Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern tritt überraschend zurück, weil ihr Tank leer sei.

«Ich weiss, was man für diesen Job braucht,
und ich weiss, dass ich nicht mehr genug im Tank habe.
So einfach ist es.»
Jacinda Ardern

Die empathische, junge Premierministerin erhielt weltweit Bewunderung für ihre Leistungen in ihrer zwar kurzen Amtszeit, die jedoch von Krisen (Attentaten von Christchurch, Vulkanausbruch, Corona) gespickt war.

Ihr Rücktritt zeigt: Es braucht nicht immer einen Skandal, um vorzeitig aus einem Amt zu scheiden. Aber was es braucht, ist eine gesunde Selbstwahrnehmung und Rückgrat: Wer sein Amt gut macht, wird bei einer vorzeitigen Rücktrittsankündigung nicht nur Menschen überraschen, sondern auch viele enttäuschen.

Nicht alle schaffen es, wie Jacinda Ardern hinzustehen und zu sagen: «Genug ist genug!». Ein solcher Schritt soll gut überlegt sein, aus einer eigehenden Selbstreflexion erwachsen. Man muss in sich hineinhorchen und spüren, wann genug ist, wann nicht mehr genug im Tank ist. Jacinda Ardern sagte sinngemäss, dass man wissen sollte, was man zu geben hat – und was eben nicht (mehr).

Ich vermute, dass viel zu viele von uns viel zu lange auf dem Zahnfleisch laufen, weil sie entweder nicht so eine gute Selbstwahrnehmung wie Jacinda Ardern haben oder nicht das nötige Rückgrat, um die Entscheide zu fällen, die längst fällig wären.

Lernen vom Kohelet

Mir persönlich hilft dabei die Weisheit, die ich in den letzten Monaten im Bibelbuch Kohelet (Prediger) während der Matinée-Serie «Haschen nach Wind» im gms wiederentdeckt habe.

Es ist eine äusserst steile Aussage, wenn der Kohelet sagt: «Windhauch um Windhauch, alles vergeht und verweht.» Eindrücklich zeigt er auf, wie vergänglich menschliche Bestrebungen sind – ob wir uns ganz dem beruflichen Erfolg, der Klugheit oder dem Vergnügen hingeben, der Prediger kommt zum Schluss, dass dies alles Windhauch um Windhauch, flüchtig und vergänglich ist.

Doch sein Ziel war nicht etwa, uns in eine Depression oder einen Nihilismus zu stürzen. Vielmehr ging es ihm darum zu sagen: Menschliche Bemühungen mögen Windhauch sein, wer sein Vertrauen auf Gott setzt, baut auf das bleibende Fundament.

In einer solchen demütigen Haltung können wir unser Leben befreiter gestalten. Der Kohelet lädt uns ein, zu akzeptieren, dass wir vieles im Leben nicht unter Kontrolle haben. Und gerade darum können wir in Gelassenheit das geniessen, was uns anvertraut ist und das gestalten, was in unseren Möglichkeiten steckt.

Und noch ein Rat gibt uns der Kohelet mit auf den Weg: Meide die Extreme! Mit anderen Worten: Übertreib es nicht!

Wer immer Perfektion sucht, macht sich das Leben selbst schwer.

Und wer ins andere Extrem fällt, wird auch nicht glücklich: Pures Chaos und Gleichgültigkeit haben genauso eine selbst­zerstörerische Tendenz – das wusste schon der Prediger.

Ein ausgewogener Lebensstil mit einer gesunden Selbstwahrnehmung und einem starken Rückgrat, das wünsch ich dir für 2023!

Glücksaufgabe

Ich habe schon erlebt, dass Menschen nach der Lektüre des Glücks-Buches ihre beruflichen und freiwilligen Engagements neu sortiert haben. Das ist nicht immer einfach und man enttäuscht auch andere Leute. Doch eine solche Selbstreflexion ist eine wichtige Glücksaufgabe.

Wo willst du 2023 deinen Fokus legen?

Wie steht es aktuell um deinen Tank?

Und wo ist es an der Zeit für eine Veränderung?

Podcast Empfehlung: Die Messages der Kohelet-Serie kannst du jetzt online nachhören.

Dream big. Do big.

Früher konnte für mich ein Traum nicht gross genug sein. Mir wurde ja nicht umsonst gesagt: «Je grösser dein Traum, desto stärker kann sich Gott darin zeigen».

Inzwischen habe ich auch kleine Träume schätzen gelernt und bin mir ziemlich sicher, dass die Gleichung «Grosser Traum = Grosser Gott» hinkt. In vielen ach so schönen grossen Träumen steckt wohl eine dicke Portion GW – und zwar nicht GW als Gottes Wille, sondern als Grössenwahn.

Und trotzdem habe ich im gms gestern Abend bereits zum zweiten Mal den Werbespott «Dream big. Do big.» von Sunrise gezeigt. Mich inspiriert dieser Clip, weil er uns ermutigt, nicht nur von einer besseren Welt zu träumen, sondern auch konkret etwas für eine bessere Welt zu tun – ob im Kleinen oder im Grossen spielt da weniger eine Rolle.  

Mich faszinieren Geschichten von Menschen, die genau nach diesem «Dream big. Do big.» mutig etwas angepackt haben. Wie gesagt: Auch wenn ich es in meiner Ausbildung oder an Kongressen noch etwas anders gelehrt bekam, die Grösse dieser Träume spielen mir heute nicht mehr so eine Rolle.

Was mich begeistert sind Menschen, die von einer Idee, einem Anliegen oder einer Not so sehr gepackt wurden, dass sie nicht nur beim Träumen blieben, sondern mutig und innovativ Neuland betreten haben. Ein solcher Mensch ist Nathalie Schaller. Als Sozial-Unternehmerin wurde ihre Story am Willow Creek Leitungskongress vorgestellt.

Sie gründete nach ihrem Jurastudium [eyd], das erste humanitäre Modelabel Deutschlands. Bei [eyd] steht nicht Profit, sondern das Wohlergehen der Produzentinnen im Vordergrund. Die traumatisierten Frauen, die in den Partnerwerkstätten in Indien und Nepal arbeiten, werden therapeutisch betreut und befähigt, ihr Leben selbst zu gestalten. [eyd] ist im deutschsprachigen Raum in über 50 Concept Stores vertreten.

Für mich eine sehr beeindruckende Geschichte:

«Abitur, Studium, Karriere – so hätte Nathalie Schallers Leben aussehen können. Doch auf Reisen nach Indien und Kambodscha begegnet sie Überlebenden von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Sie will helfen, schmeißt ihr Jura-Studium und gründet ein humanitäres Mode-Label.»

Im Grander-Vision-Video berichtet Nathalie Schaller am Leitungskongress, wie ihr Herz Feuer fing für eine grosse Vision. Und im Live-Talk motivierte sie die Kongressbesucher:innen:

«Wenn du merkst, dass etwas in dir glüht, dann mache ein Feuer daraus!»

Ein tolles Bild – aber wie macht man das?

Bleiben wir im Bild: Diese Woche glühte ein grosses Stück Holz in unserem Cheminée vor sich hin. Die Luftzufuhr passte, doch es brauchte weitere Holzstücke, damit sich ein richtiges Feuer entwickeln konnte.

Träume leben

Vom Bild des Feuers können wir dreierlei für unsere Träume lernen:

Ein Traum beginnt damit, dass wir in uns hineinhören, um herauszufinden, was in uns «glüht»:
=> Was sind die Themen, die dich nachts wachhalten?
=> Worüber kannst du stundenlang diskutieren?
=> Welche Menschengruppen sind dir besonders wichtig?

Sorge für eine passende Luftzufuhr:
=> Beschäftige dich mit dem Thema, dass dir wichtig ist!
=> Schaue Dokus dazu oder liess entsprechende Bücher.
=> Lerne Menschen kennen, die Erfahrung in diesem Bereich haben.
Wichtig: Wie beim Feuer braucht es das richtige Mass an Sauerstoff.
Mit zu viel Sauerstoff beginnt es wild zu flackern und das Feuer ist zu schnell vorbei! Zu viele Infos bringen dich durcheinander und bald ist der Traum aus!
Aber bleib dran, wenn du dich gar nicht mit deinem Traum auseinandersetzt (Luftzufuhr abstellst), erlöscht das Glühen schlagartig.

Bleib nicht alleine mit deinem Traum:
Hast du schon ein beeindruckendes Feuer mit nur einem Holzstück gesehen?
=> Triff dich mit Menschen, die dasselbe Anliegen teilen!
=> Schmiede mit ihnen zusammen Pläne!
=> Überlegt euch, wie aus dem «Dream big.» ein «Do big.» werden kann.

Glücksaufgabe

Ich liebe es, einem schönen Feuer zuzuschauen.

Und ich liebe es, Menschen zu erleben, die für ein Anliegen brennen.

Mit Träumen, die wir gemeinsam in Taten verwandeln, verändern wir die Welt in kleinen Schritten zum Guten. Das geht selten ohne Schweiss und Rückschläge – aber es macht glücklich!

Für die Lias und Luanas dieser Welt

Diese Woche hatte ich mein Standort- und Fördergespräch. In einem offenen Austausch haben wir uns mit meiner beruflichen Situation und der Entwicklung im letzten Jahr beschäftigt.

Dabei gab es viel Grund zur Freude – zum Beispiel über Ziele, die erreicht wurden und Perspektiven, die sich in den letzten Monaten eröffnet haben.

Doch ich nutzte die Gelegenheit auch, um einen ehrlichen Blick in unerfüllte Wünsche zu geben: Sowohl ich als auch meine Frau erhalten immer mal wieder ausgezeichnete Feedbacks auf unsere Predigt- und Referententätigkeit. Trotzdem fühlt sich vieles in unserem Alltag nach «Kleinklein» an – und nach Halloween befreien wir beispielsweise verklebte Fenster in unserer Location vom nächtlichen Eierbewurf.

Anders ausgedrückt mit einem konkreten Beispiel: Ich erhalte super ermutigende Feedbacks auf «Glück finden – hier und jetzt» (zuletzt vom ehemaligen Regierungsrat Bernhard Pulver), aber mein Glücks-Buch ist weit davon entfernt, ein Kassenschlager zu sein.

Was ist Erfolg?

Das Gefühl, das ich also in diesem Mitarbeitergespräch offen benannte, hat damit zu tun, dass ich mir «mehr Erfolg» wünsche und die «grosse Bühne» vermisse.

Mein Chef nahm meine Gefühle ernst, hielt mir gleichzeitig den Spiegel vor: «Warum hast du damals vor Jahren die Strategie deiner Arbeit angepasst und freiwillig auf die «grosse Bühne» verzichtet? Und von wegen «mehr Erfolg»: Gibt es etwas Wirkungsvolleres als das, was ihr da tut – denk nur an die Lias und Luanas, die hier einen Safe Place gefunden haben und sich aktiv einbringen!»

Touché! Es ist ein cooles Gefühl, vor 200 oder 1’000 Menschen zu sprechen und dafür Anerkennung zu erhalten. Doch ich habe mich bewusst dafür entschieden, mich für die Lias und Luanas dieser Welt einzusetzen. In der Hoffnung, abseits des Scheinwerferlichts nachhaltiger wirken zu können.

Das heisst dann halt auch: Hier ein Teenie-Kreis mit acht Personen, dort eine Matinée mit zwanzig Teilnehmenden und dazwischen ein wilder Cocktail von Umbauen, Einkaufen, Chai Latte zubereiten, Administration und Marketing.

Richtig schön ist es, wenn ich in die Predigtvorbereitung eintauchen kann und meine Gedanken mit anderen teilen darf. Und wenn wir dann wie letzten Sonntag Meilensteine feiern dürfen, fühlt sich unser Engagement tatsächlich sehr stimmig und nachhaltig an: Mit unterschiedlichsten Menschen durften wir den 23. Geburtstag unserer Arbeit feiern und die Moderation wurde von zwei jungen Frauen sehr persönlich, sympathisch und professionell gemacht.

Gibt es eine schönere Frucht als das: Zwei Menschen, die bei der Geburtsstunde vom gms noch gar nicht auf der Welt waren, erzählen offen, wie sie das gms als Geschenk von Gott erleben, hier einen Safe Place und die Liebe Gottes gefunden haben.

Darum mache ich, was ich mache!

Darum habe ich mich entschieden, mich künftig voll und ganz als Pfarrer zu betätigen und die Politik hinter mir zu lassen.

Für die Lias und Luanas dieser Welt.

Glücksaufgabe

Mit wem kannst du über ungestillte Sehnsüchte sprechen? Was für ein Glück, wenn man einen Chef hat, der einem dabei hilft zu sortieren. Wenn es nicht der Chef ist, kann ein Freund, Partner oder Coach diese Aufgabe übernehmen und dich spiegeln.

Und wenn du wissen willst, was denn die beiden jungen Frauen erzählt haben, dann empfehle ich dir von Herzen, in die Audio-Aufnahme der Matinée «Geschenk von Gott» reinzuhören. Mich macht es sehr glücklich – dich hoffentlich auch!

Über hoffnungslose Fälle und andere Sackgassen

Meine Sonntagslektüre (NZZ am Sonntag) brachte mich neulich herzhaft zum Lachen: «Sie sind ein hoffnungsloser Fall! – Man sollte eine Sackgasse nach Ihnen benennen.»

Ich fand und finde dieses Cartoon wirklich lustig. Natürlich meldete sich in mir auch sofort die Stimme, die sagte: «Bei Gott gibt es keine hoffnungslosen Fälle.»

Ja, so hörte ich es seit Kindheitsbeinen immer wieder und in dieser Glaubensüberzeugung bin ich bis heute verwurzelt.

Und trotzdem hat sich im Lauf der Zeit und mit zunehmender Komplexität des Lebens die Bedeutung dieser kindlichen Überzeugung gewandelt.

Salopp gesagt, sah die Hoffnung, dass es bei Gott keine hoffnungslosen Fälle gibt, für mich früher etwa so aus: Was nicht sein darf, macht Gott weg – schliesslich gibt es bei ihm ja keine hoffnungslosen Fälle.

Leider hat er es so oft nicht gemacht: Bei der Krankheit meiner Mutter, beim Leidensweg meines Bruders, bei der Depression meines Freundes, bei so mancher Krise und auch nicht bei Putin.

Also doch hoffnungslose Fälle?
Doch eine Sackgasse?

NZZ am Sonntag, 11. Sept. 2022 – Schluss-Strich von Nicolas Mahler

Vielleicht stimmt die vertrauensvolle Aussage mit Gott und den hoffnungslosen Fällen für mich darum noch, weil ich eine neue Definition für Hoffnung gefunden habe: Es geht hier nicht um einen kurzfristigen Zweckoptimismus à la Positives Denken – was heute nicht gut ist, ist morgen wunderbar – wenn du nur genug daran glaubst.

Nein, Hoffnung ist für mich ein tragendes Grundgefühl geworden: Auch wenn es das Leben nicht gut mit mir meint, Gott wird – zu seiner Zeit! – alles zu einem guten Ende bringen.

Meine Herausforderung dabei ist die Frage nach der Geduld: Ich möchte es jetzt «geflickt» haben. Doch Gott lässt sich Zeit und sagt nur: «Hab Geduld, mein Kind!».

Vielleicht sagt er das bis in alle Ewigkeit. Aber dann, das ist meine Hoffnung und Zuversicht, wird wirklich alles gut. Denn Hoffnung heisst für mich, wie ich es neulich zum Schluss meiner Predigt sagte: Die Perspektive, dass unsere Sehnsucht nach dem Vollkommenen und Ewigen einmal in Erfüllung gehen wird.

Zurück ins Hier und Jetzt. Tatsächlich gibt es ausweglose Situationen und gar hoffnungslose Fälle. Ich glaube nicht mehr, dass jede Situation sich plötzlich wie durch Wunderhand ins Gute dreht und nicht jeder Fall verpuppt sich von der Raupe zum Schmetterling – bei mir starben die Raupen meistens vorher.

Das klingt pessimistisch, ja. Aber das Leben zeigt uns doch, dass manchmal wirklich die Sackgasse gewinnt. Doch: Auch hier lebt die Hoffnung zuletzt, wie es eine Freundin von uns formuliert. Auch wenn die Sackgasse, das Unausweichliche, weder weggebetet noch wegpositivgedenkt werden kann: Gott bringt alles zu seinem guten Ende!

Glücksaufgabe

Wie definierst du Hoffnung?

Hoffnung ist eine wunderbare Glücksaktivität – sogar in der Sackgasse.

Übrigens: Die Künstlerin Christa Reusser, von der das obige Schriftenbild stammt, gibt demnächst bei uns in Studen einen Handlettering Kurs (vier freie Plätze gibt es noch).