Ich bin grün – äh, oder gelb?

Was für ein schönes und irreführendes Bild: Da fährt ein unverkennbar traditionell eingefärbtes Postauto (sprich: ein gelber Bus) durch die schönsten Schweizer Landschaften und behauptet per Aufdruck tatsächlich: «Dieses Postauto ist grün».

Unsere Gesellschaft produziert gerade reihenweise Menschen auf der Suche nach ihrer Identität – in einer Multioptions-Welt, in welcher glücklicherweise viele soziale Normative kritisch hinterfragt werden, sind Menschen eingeladen (oder gar gezwungen?), sich selbst zu (er)finden, statt einer bestimmten Norm zu entsprechen.

Doch dass dieser Trend nun auch auf die Postautos überschwappt, kann zu denken geben: Bin ich jetzt gelb? Oder doch grün?

In meiner Predigt «Was ist es dir wert?» der neuen Themenserie «Nice to meet you! – Schön, dich zu sehen!» habe ich über das gute Leben und Werte, die lebenswert sind, nachgedacht.

Einer meiner persönlichen Werte, die ich in der Predigt kurz vorgestellt habe, ist «Transparenz» im Sinn von: Ich bin echt, wahrhaftig, mein Reden und Handeln ist authentisch.  

Doch Transparenz ist für mich deutlich mehr als ein Imperativ. Es ist eben grad nicht mit der Aufforderung zur Authentizität gemacht: «Sei transparent!».

Viele Menschen wären gerne transparent, merken aber, dass ihre Mitmenschen mit der nackten Wahrheit schlicht überfordert – oder mindestens irritiert – wären. Grad wie wenn wir ein gelbes Postauto sehen, das von sich behauptet, grün zu sein.

Darum ist für mich der Wert Transparenz nicht bloss Anspruch an meine Aufrichtigkeit, sondern auch meine Anfrage an mein Gegenüber: Darf ich transparent sein? Darf ich so sein, wie ich wirklich bin? Kannst du damit umgehen, dass ich vielleicht grün statt gelb bin?

Solche «Safe Places», in denen sich alle Menschen sicher fühlen können und unabhängig von Her­kunft, Geschlecht, Religion, sexueller Orientierung oder anderen Merkmalen in ihrem unkaputtbaren Wert geachtet werden, sind leider selten.

«Die Würde des Menschen ist unantastbar» ist so schnell gesagt, erfährt viel Zustimmung und ist mehrheitsfähig, um in ein Grundgesetz geschrieben zu werden.  Doch im täglichen Miteinander ist es dann doch nicht mehr so einfach: Wir alle haben (normative) Bilder im Kopf, die unser Denken, Fühlen und Handeln prägen.

Ein Postauto ist gelb.
Punkt!

Ein:e Schweizer:in fährt Ski –
und ist neutral.
Punkt!

Ein Mensch ist männlich oder weiblich.
Punkt!

Tatsächlich ist das wirkliche Leben dann doch um einiges komplizierter. Eigentlich spüren wir das auch und können es in unserem Leben oder in unserem Umfeld beobachten.

Ja, die Komplexität bringt einige neue Herausforderungen mit sich und das Leben wird dadurch selbstredend nicht einfacher sondern komplizierter. Trotzdem erlebe ich es als befreienden Fortschritt, dass immer mehr Menschen nicht mehr gewillt sind, sich unkritischen den vorgegebenen Normen zu beugen. Nicht selten sind nämlich genau diese Normen Resultat einer (patriarchalen) Machtstruktur, die gewisse Gruppen oder den einzelnen Menschen kleinhalten wollen.

Darum: Geben wir einander Raum.
Lassen wir doch das Postauto grün sein.

Vielleicht muss ich mich von liebgewonnen Bildern verabschieden. Oft überhöhen und idealisieren wir solche Bilder. Einfach weil sie doch ein so wohlig-warmes Erinnerungsgefühl in uns auslösen: Ach, dieses gelbe Poschi auf der Passstrasse mit dem tü-ta-ta-Klang.

Normen schaffen Identitäten – für die, die dem normativen Mainstream entsprechen.

Aber Normen schaffen auch Identitätskrisen – für alle, die ihnen nicht entsprechen.

Transparenz und Authentizität werden heute (zu Recht) von vielen erwartet. Doch sind wir auch bereit Menschen den sicheren Rahmen zu geben, ihre Identität wahrhaftig zu leben – auch wenn sie von der gängigen Norm abweicht?

Denn: Vielleicht ist das gelbe Postauto in Wahrheit grün.

Glücksaufgabe

Wann hast du dich zuletzt so sicher gefühlt, dass du deinem Gegenüber etwas ganz Persönliches, das vielleicht noch niemand von dir wusste, anvertraut hast?

Wie gut gelingt es dir, normative Bilder loszulassen und Menschen einfach zu nehmen, wie sie sind?  

(Foto-Credits: Peter Hofer)

Viva la Vida

Wenn nicht jetzt, wann dann? Baden in der Aare, lange Sommerabende, Freunde treffen, sich und das Leben feiern …

Aber halt, darf mensch das Leben feiern, wenn die Welt einmal mehr Kopf steht und ich beispielsweise an einer Armeeseelsorger:innen-Tagung Sätze wie «Wir müssen wieder über unseren Umgang mit töten und getötet werden nachdenken.» hören muss?

«Irgendwas ist halt immer», pflegt ein Herzensmensch zu sagen. Das kann unsere Feierlaune in eine kleinere bis grössere depressive Verstimmung kippen lassen. Oder aber uns vor Augen führen: Es lohnt sich nicht, auf den Moment zu warten, in dem alles perfekt sein wird.

Diesen Moment gibt es nicht. «Irgendwas ist halt immer».

Eigentlich wollte ich hier über die Leichtigkeit des Sommers schreiben, von meiner Tochter erzählen, die zusammen mit ihrer Partnerin kurzerhand das Zelt in unserem Garten aufgestellt hat, oder vom letzten «zäme wyter dänke» berichten, das wir dank den äusseren Bedingungen ins Aare-Beizli verlegten und bei dem wir Mitten im Leben eben diesem Leben nachspürten.

Doch gerade bleibe ich bei diesem «Irgendetwas ist halt immer» hängen und es wird mir wieder bewusst, warum ich nichts von Positivem Denken halte, aber sehr viel von Positiver Psychologie.

Wer sich das Leben schönredet und dieses «Irgendetwas ist halt immer» auf billige Weise runterzuspülen, zu verdrängen versucht, belügt sich selbst. Schönreden, was nicht schön ist, macht wenig Sinn. Viel eher kann es zum Bumerang, zur Zeitbombe werden.

In der Positiven Psychologie hingegen geht es darum, sich das «Irgendetwas ist halt immer» nicht wegzudenken oder schönzureden, sondern sich damit zu versöhnen: Das Leben besteht aus Schönem und Schwierigem. Erst wenn wir beides integrieren, können wir das Leben gestalten und feiern.

Den Moment feiern – trotzdem

Vielleicht geht es darum, sich nicht zu zergrübeln. Ob persönlich oder im Blick auf die Weltlage, es gibt die Momente, in denen mensch in Gefahr steht, aufs Gedankenkarussell aufzuspringen und eine Runde nach der anderen zu drehen. Mit Vorliebe nachts um drei Uhr – an Schlaf ist da vorerst nicht mehr zu denken.

Wenn es einmal dreht, dieses Gedankenkarussell, ist es kaum mehr zu stoppen. Dazu mag ich keine simplen Tipps geben, da ich es selbst ja auch nicht schaffe, einfach mal so locker von diesem Karussell herunterzuspringen.

Aber ich versuche, ein «Sowohl als auch» zu leben: Trotz den Herausforderungen, die mich bis in die Nacht beschäftigen, schöne Momente zu leben, feiern und geniessen.

 «Viva la Vida» heisst einer der bekannten Songs der populären Band Coldplay. Den Text zu interpretieren ist ne Aufgabe für sich. Was ich darin sehe, passt zu dieser hier beschriebenen Ambivalenz des Lebens: «Eine Minute lang hielt ich den Schlüssel. Danach wurden die Mauern um mich herum verschlossen. Und ich entdeckte, dass meine Burgen auf Säulen aus Salz und Säulen aus Sand standen.»

Kurz gesagt: «Irgendetwas ist halt immer». Wir haben das Leben nicht im Griff.

Trotzdem bleibt das Leben ein wunderbares Geschenk. Jeder Mensch, der atmet und ein pulsierendes Herz unter seiner Brust trägt, ist ein Kuss des Himmels!

Und so will ich, ob strahlender Sommertag oder Regenschauer, ob Freudentag oder Trauerphase, mit einer Haltung durchs Leben gehen, die mich daran erinnert: «Kann Spuren von Ewigkeit enthalten!».

Glücksaufgabe

Was immer du heute zu feiern hast, feiere es!

Ohne zu ignorieren, dass auch das stimmt: «Irgendetwas ist halt immer.»

Das Leben ist beides. Und darum hat es mich in den letzten Wochen immer wieder ermutigt, wenn ich das bekannte Methodisten-Zitat von John Wesley hörte: «Das beste an allem ist, dass Gott mit uns ist!»

Viva la Vida – Lebe das Leben.

PS: Ich liebe die Musik der Band Coldplay. Dieses Musikvideo eines anderen bekannten Songs (A Sky Full Of Stars) transportiert die Lebensfreude und Leichtigkeit, die ich uns wünsche – auch gerade dann, wenn wir vielleicht durch harte Zeiten gehen:

Glaub dich glücklich!

Ja, ich weiss, das klingt viel zu simpel. Und überhaupt: Ist der Glaube wirklich für unser Glück zuständig? Was heisst schon Glauben? Und vielleicht noch schwieriger: Was ist schon Glück?

Wer hier regelmässig vorbeischaut, hat hoffentlich eine Ahnung von dem, was ich unter Glück verstehe. Es geht mir nicht um ein Leben im ständigen «Happy Hour»-Modus – nicht Easy-Life ist das Ziel, sondern ein ganzheitliches Wohlbefinden und eine Lebenszufriedenheit, in der wir mit dem Schönen und Schwierigen unseres Lebens versöhnt sind, sind gemäss meiner Glücks-Definition und der Idee vom «Shalom-Leben» anzustreben.

Und dazu haben diese Woche zwei Artikel meine Aufmerksamkeit in besonderem Masse geweckt.

Die eine Quelle der Inspiration war, wie so oft, die NZZ am Sonntag. Peer Teuwsen hält uns mit seiner Kolumne «Die Schamlosigkeit hat auch mit uns zu tun» knallhart den Spiegel vor die Nase: Zu einfach sei es, sich an der Schamlosigkeit des neuen politischen Stils zu empören. Und in Vergessenheit geraten sei sie, die Volksweisheit, «dass Bescheidenheit eine Zier sein kann. Dass es christliche Pflicht ist, zu Lebzeiten Gutes zu tun, vor allem anderen, nicht bloss sich selbst.»

Was er stattdessen beobachtet, wirkt wie entblössende Gesellschaftskritik:

Die Zeichen der Zeit sind andere. Viele Schweizerinnen und Schweizer ramassieren, was sie nur bekommen können. Sie reisen in einer Kadenz in ferne Länder, als hätten sie Krebs im Endstadium und wollten ein letztes Mal die Schönheit der Welt bestaunen. … Sie verkaufen ihre Häuser und Wohnungen einfach an den Meistbietenden. Man wählt links und investiert sein Geld, das nicht selten ein geerbtes ist, gleichzeitig in Aktien von Waffenherstellern. Hauptsache, die Rendite stimmt.

Gnadenlos fällt das Fazit aus: «Mehr Widerspruch und weniger Engagement für das Gemeindewohl waren selten. Nur eins scheint klar: Alle wollen mehr von allem. Haben statt Sein.»

Nein, es ist nicht mein Stil, hier mit den Ausführungen von Peer Teuwsen den moralischen Zeigefinger aufzustrecken und über den katastrophalen Zustand der Gesellschaft zu lamentieren. Einerseits gibt es natürlich neben diesen, vom Autoren selbst so benannten, überspitzen Aussagen ganz viel schöne Beispiele die von Mitmenschlichkeit, Grosszügigkeit und Gemeinschaftssinn zeugen – auch in unserer Zeit.

Anderseits will ich nur fragen, ob uns der egozentrische Lebensstil der Schamlosigkeit wirklich nachhaltig glücklich macht. Mag die dritte Kreuzfahrt oder der fünfte Städtetrip innerhalb eines Jahres wirklich unser Wohlbefinden nachhaltig verbessern?

Da kommt der zweite Artikel ins Spiel. Im Dienstagsmail war diese Woche zu lesen:

Spiritualität ist eine wichtige Ressource für das Leben – in vielen Bereichen eine Wohltat. Ein christlicher Lebensstil reduziert die Sterblichkeit und ist ein Jungbrunnen bezüglich Langlebigkeit (Longevity). … Neue Studien zeigen auch, dass die feste Zugehörigkeit zu einer Kirche dem Leben gut tut. Die Teilnahme an Gottesdiensten kann die Gesundheit fördern, weil sie soziale Integration verbessert, gesundheitliche Verhaltensweisen reguliert, ein Gefühl von Sinn vermittelt und den Charakter stärkt.

Ich will nicht verheimlichen, dass Glaube auch krank machen kann. Doch die Glücksforschung hat längst entdeckt, dass nicht Egoismus, sondern Gemeinschaft und Mitmenschlichkeit uns nachhaltig glücklich machen. Und genau das, verbunden mit einer Transzendenzerfahrung, also der Verbindung mit dem Göttlichen, ist die grosse Chance einer Glaubensgemeinschaft.

Es ist mein Traum und mein Bestreben, Räume zu schaffen, in denen unterschiedlichste Menschen genau das erleben dürfen.

Glücksaufgabe

Wo fühlst du dich vielleicht ertappt in den gesellschaftskritischen Ausführungen von Peer Teuwsen? Macht dich immer mehr haben zu wollen statt mehr in Verbundenheit zu sein wirklich zufriedener?

Und wie hast du es mit dem Glauben? Macht er dich glücklich? Vielleicht magst du ja mal ausprobieren, ob die Studien wirklich recht haben …

Übrigens, auch wenn mein GlücksBuch bald sein 10jähriges Jubiläum feiert, die Frage nach dem Glück bleibt aktuell: Glück finden – hier und jetzt.

Wo Welten aufeinanderprallen

«Wurde da gerade der letzte «Servant Leader» zu Grabe getragen?» kann sich fragen, wer vergangenen Samstag auf Rom blickte.

Es gab eine Zeit, da war dieser dienende Führungsansatz hoch im Kurs – und zwar nicht bloss in sozialen und kirchlichen Kreisen, wo es ja von Natur aus nur so von «Gutmenschen» wimmelt.

Nein, auch CEOs von internationalen Top-Firmen setzten auf diesen Ansatz, bei dem die Führungsperson eine vertrauensvolle und wertschätzende Atmosphäre schafft, in der sich die Mitarbeitenden wohl und unterstützt fühlen, ihre Fähigkeiten und Potenziale entfalten und eigenverantwortlich handeln können und Vorgesetzte dazu da sind, ihre Mitarbeitenden darin zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen. 

Die «Servant Leadership»-Philosophie geht auf den Managementforscher Robert K. Greenleaf und die 1970er Jahren zurück. Tatsächlich haben laut Wikipedia mehrere empirische Studien aufzeigt, dass «der Servant Leadership-Ansatz einen starken Einfluss auf die Jobzufriedenheit der Mitarbeiter:innen» hat.

Natürlich wurde der dienende Führungsansatz nicht erst in den 1970er Jahre erfunden. Das Vorbild einer solchen Führungsperson ist unbestritten Jesus. Er hat die entsprechenden Werte gelehrt und verkörpert: Empathie, starker Gemeinschaftssinn, Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Vertrauen, Zuhören, Wertschätzung, Glaubwürdigkeit …

Er setzte nicht auf beherrschende Machtkonzepte, sondern auf die sogenannten «Soft Skills». Seine Stärke war seine Schwäche, seine Verletzlichkeit.

Jesus, Franziskus & Trump

Weltweit sind alle (Christen)Menschen dazu eingeladen, dem Vorbild Jesu nachzufolgen. Und einer dieser Nachfolger Jesu wurde letzte Woche in Rom zu Grabe getragen. Papst Franziskus verstand sich stets als Diener. Er folgte dieser Jesus-Spur – er machte sich klein und wurde gerade dadurch populär und berührte die Herzen vieler.

Und das hatte Strahlkraft. Solche Strahlkraft, dass Nicole Althaus in der NZZ am Sonntag (27. April 2025) denkwürdige Zeilen über das «Aufeinanderprallen zweier Welten» schrieb:

Franziskus, der sich wie kein anderer Papst der Moderne ein Leben lang für die Schwächsten am Rand der Gesellschaft eingesetzt hatte, ist tot. Platz im Zentrum nahmen nun die Mächtigsten, unter ihnen solche, die Stärke zur Religion erhoben haben.

Als sei das Requiem für den Papst von einem Regisseur aus dem Marvel-Universum inszeniert worden, erwies allen voran Donald Trump, der selbsternannte Auserwählte Gottes, dem obersten Glaubenshüter die letzte Ehre.

Der Mann des Deals verabschiedete sich vom Mann der Demut.
Narzissmus beerdigte die Nächstenliebe.
Masslosigkeit die Bescheidenheit.
Egozentrik die Empathie.

Ja, Papst Franziskus war ein eindrückliches Beispiel eines «Servant Leaders». Durch ihn strahlten Werte wie Nächstenliebe und Demut wieder auf dem Wertekompass auf.

Es schaudert mich, wenn auf der anderen Seite Machthaber dieser Welt – oft sogar als selbsternannte Auserwählte Gottes – genau diese Werte mit ihren Füssen treten.

Statt Mitgefühl zu zeigen, grenzen sie aus.

Statt zu dienen, bedienen sie sich.

Statt zu lieben, beuten sie aus.

Das «Aufeinanderprallen zweier Welten», wie es Nicole Althaus in der NZZ am Sonntag so trefflich formulierte, wurde bereits vor der Zeit Jesus ebenso eindrücklich beschrieben.

Im Buch Hesekiel in der Bibel findet sich in Kapitel 34 eine Gegenüberstellung der selbstherrlichen Hirten mit den dienenden Hirten.

Trump & Co. wollen uns gerade weis machen, es gelte das Recht des Stärkeren und das Leben bestünde aus Deals.

Das ist einfach nicht wahr!

Erst recht nicht, für die, welche sich auf die Jesus-Spur begeben wollen: Unser Held war ein Märtyrer. Der Gottessohn, der aus Liebe zu den Menschen sein Leben gibt und so zum Retter wird.

Und dadurch entspricht er nicht dem gängigen Heldentypus: Jesus suchte nicht Ehre, Macht, Ruhm und die Bestätigung, dass er der Beste ist.

Er zeigte Mitgefühl.

Er diente.

Er liebte.

Und dazu sind auch wir eingeladen!

Glücksaufgabe

Von wem lässt du dich inspirieren?
Für dein Menschsein?
Für dein Führungspersonsein?

Glück im Job?

«Ich träume von einer Welt, in der Träume wahr werden – vielleicht bewerbe ich mich in der Filmindustrie», mit diesen Worten hab ich kürzlich versucht meine Gefühlslage zu beschreiben.

Es ist die Schattenseite des Lebens und Arbeitens als Visionär: Ich stelle mir vor, wie die Dinge in Zukunft sein könnten. Doch die Lücke zur Realität in der Gegenwart bringt den Glauben an die Träume manchmal arg ins Schleudern.

«Träume sind wie Schäume», sagen die einen. Und ich erwidere im Blick auf mein Leben: «Meine Träume haben viel bewegt, durften – wenn auch nicht in ‘voller Grösse’ – an manchen Stellen wahr werden und waren die Gefühlsachterbahn auf dem Weg dahin wert.»

Wären wir alle Visionär:innen, würden wir eine grössere Traumwelt fabrizieren als die Traumfabrik in Hollywood.

Gut, dass es nicht so ist. Doch eines geht uns alle an: Welche Erwartungen haben wir an unseren Job? Ist unser Beruf, vielleicht gar unsere Berufung, da, um uns glücklich zu machen? Oder jobben wir bloss, um unser Leben(sglück) zu finanzieren?

Für mich kann ich mir ein Job ohne Erfüllung, ohne Sinnstiftung schlicht nicht vorstellen. Und so ist auch klar, dass ich mich mit der sogenannten resignativen Arbeitsplatzzufriedenheit sehr schwertue. Aber muss es für alle so sein? Ist es nicht auch ein unheimlicher Druck, wenn Beruf immer auch gleich Berufung sein muss? Was ist mit all den Jobs, die einfach von irgendjemandem erledigt werden müssen?

«Wir glauben, dass unsere Arbeit uns immer erfüllen muss.»

Dieses Zitat vom Psychotherapeuten Claas Lahmann stand neulich in grossen Lettern im «NZZ am Sonntag Magazin» und weckte sofort mein Interesse.

Und tatsächlich brachte das Interview mit dem Experten zu Arbeitsgesundheit einige sehr interessante Erkenntnisse zutage:

Laut Lahmann muss uns unsere Arbeit nicht immer glücklich machen, aber es gibt einige Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit unser Job ein gesundes Arbeiten ermöglicht.

Als erstes wird der eigene Gestaltungsspielraum (Anforderung und Autonomie) genannt: Was kann ich hier bewegen, selbst gestalten?

Ein zweites Prinzip ist ein gutes Verhältnis von Geben und Nehmen: Was bekomme ich hier alles? Und was investiere ich?

Da wir äusserst empfindlich auf Ungerechtigkeit reagieren, ist ein weiteres wichtiges Prinzip die Gerechtigkeit: Werden hier alle Leute fair behandelt?

«Aber das kraftvollste der vier Prinzipien», sagt Claas Lahmann im Magazin-Interview, «ist das der psychologischen Sicherheit.»

Fühle ich mich gesehen, wertgeschätzt und aufgehoben? So dass ich mich traue Fragen, Ideen und auch mal Kritik einzubringen? Beste Ideen gehen verloren, weil sie nicht geäussert werden (dürfen). Ganze Unternehmen geraten arg in Schieflage, weil keine:r da ist, etwas in Frage zu stellen.

Mir gefallen diese Ansätze sehr gut, weil sie einerseits zu dem passen, was ich schon vor 25 Jahren auf Leadership-Konferenzen bei Willow Creek hörte, und anderseits ist es genau das, was wir als gms seeland versuchen: Begegnungsorte zu schaffen, die für unterschiedlichste Menschen zu «Safe Places» werden. Orte, wo sie sich gesehen, wertgeschätzt, angenommen und geliebt fühlen.

Doch wie schaffen wir das? Am Arbeitsplatz? In der Kirche?

Sind da immer nur die Führungskräfte, Chefs und Pfarrers dafür zuständig. Natürlich haben die eine besondere Verantwortung, wenn es darum geht, die Kultur zu prägen.

Doch auch wenn sie dieser Aufgabe nicht gerecht werden, gibt es laut Lahmann noch Hoffnung: «Veränderung beginnt immer bei dem ersten Menschen, der etwas verändert.» Wenn es mir wichtig ist, dass sich das Klima (am Arbeitsplatz, in meiner Gruppe, in der Kirche …) verändert, kann ich in kleinen Schritten in meinem nächsten Umfeld die Veränderung sein.

Eine Anekdote aus dem gestrigen Talk mit Florian Wüthrich bei «Chäs, Brot, Wy – und mini Gschicht mit Gott» beweist, dass dies tatsächlich möglich ist: Er erzählte, wie eine Mitarbeiterin im Lokalradio ab dem ersten Tag die Stimmung im Team veränderte.

Eine Person kann den Unterschied machen – und so vielleicht den entscheidenden Beitrag leisten, damit Träume wahr werden.

Bist du diese Person?

Glücksaufgabe

Auf dem Buchdeckel meines aktuellen Tagebuchs steht «If you can dream it, you can do it.» (Wenn du es träumen kannst, kannst du es tun.)

Ich weiss selbst, dass dieses Zitat aus dem Hause Walt Disney in die Kategorie «schöne Kalendersprüche» gehört und nicht immer hilfreich ist.

Und trotzdem: Wo kann ich dazu beitragen, dass Träume wahr werden?

100fach dankbar

Gestern durften wir im preisgekrönten Format Chäs, Brot, Wy – und mini Gschicht mit Gott den 100. Talk-Gast in Studen begrüssen. Das sind 100 spannende Lebensgeschichten, 100 individuelle Lebensentwürfe, 100 Gründe für Dankbarkeit.

Bis auf zwei Talks (einmal war ich krank und einmal waren Brigä & ich selbst die Talk-Gäste und wurden von Ladina Spiess ausgefragt) durfte ich all diese spannenden Gespräche moderieren.

Zeit also, zu fragen, was von all diesen Talks bleibt.

Für mich persönlich ganz einfach die schöne Erfahrung von dem, was ich Flow nenne oder wie ich es gerade diese Woche bei Marcus Buckingham in einem Podcast hörte: Erfolgreiche Menschen tun das, was sie lieben.

Dabei war meine Aufgabe nicht immer einfach: Die «härteste Nuss» war (mit Abstand) der pensionierte und wortkarge Notar. Auf die Frage nach schönen Kindheitserinnerungen meinte er, da gäbe es eigentlich nichts. Selbst der professionelle Moderator im Publikum sagte nach dem Abend, er hätte nicht mit mir tauschen wollen. (Fun Fact am Rande: Aus diesem harzigen Start entwickelte sich eine schöne Bekanntschaft mit besagtem Notar.)

Herausfordernd erlebte ich auch die Talks mit Menschen, die (noch) keine grösseren Brüche in ihrem Leben hatten. Da waren beispielsweise die die junge, immer fröhliche Radiomoderatorin oder auch Stefan Zürcher, Bischof in der Methodistenkirche (EMK), der natürlich grosse Herausforderungen kennt, aber auch sagen konnte, dass er keine grossen Brüche in seinem Leben erfahren hatte.

In eine andere Richtung gefragt, war ich als Moderator dann, wenn mein Talk-Gast emotional wurde und sich gar Tränen ihren Weg bahnten. Das sind immer wieder sehr intime und intensive Momente, die es gilt, nicht zu zerreden, sondern einfach zuzulassen, was ist. Oft sind es gerade solche Gesprächsmomente, welche die Besucher:innen besonders berühren. Zum Beispiel als Christine & Gody Grogg erstmals öffentlich von ihrer Ehekrise berichteten.

Für mich als Talkmaster sind besonders schöne Momente, wenn ich meine Talk-Gäste dazu bringe, dass sie gerade selbst etwas entdecken («Das habe ich mir noch gar nie überlegt.») oder Promis sagen, dass wären sie noch nie gefragt geworden.

Während Corona stellten wir für einige Zeit auf ein online «Mini-Chäs»-Format um. Und in besonders schöner Erinnerung bleibt, als wir im zweiten Corona-Sommer drei Openair-Ausgaben durchführten. Unter anderem mit dem Berner Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg, welcher uns direkt Auskunft zur Pandemie und vor allem zu seinen Herausforderungen damit geben konnte.

Ein weiterer Promi war der NHL-Eishockeyprofi JJ Moser – der Talk mit Janis gehört nach wie vor zu den meistgehörten in unserem Podcast. Weitere mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten aus Politik, Sport und Wirtschaft erzählten im «Chäs» offen aus ihrem Leben.

Doch die Idee des Konzepts ist eben gerade, dass jede Lebensgeschichte es wert ist, erzählt und gehört zu werden – Promi hin oder her. Jede Geschichte ist spannend, oft auch überraschend. Darum holen wir auch immer wieder gerne Menschen aus unseren Dörfern auf die Bühne wie Margrit, Theres, Rémy, Monique oder Karin.

Bei der Auswahl der Gäste muss ich etwas aufpassen, nicht zuviele Pfarrkolleg:innen und Theolog:innen einzuladen. Doch gerade auch die Talks mit Christine Schliesser, Martin Benz, Sabine Herold und natürlich unvergessen Torsten Hebel (der mit Abstand meistgehörte Talk im Podcast) haben viele Menschen sehr inspirieret.

Und von wegen Folgenrangliste: Der Februar-Talk von diesem Jahr folgt bereits jetzt auf dem zweiten Platz nach Torsten Hebel. Die (Liebes)Geschichte von Eva Kaderli & Sara Folloni berührte live viele Menschen und berührt nun online weiter.

«Wer soll der 100. Talk-Gast sein?» haben wir uns lange gefragt. Die Wahl ist auf Zsolt Balkanyi, Rektor Jüdische Schule Zürich und mein «jüdischer Freund» aus der Armeeseelsorge, gefallen. Erstmals wurde eine Lebensgeschichte nicht aus christlicher Perspektive erzählt – eine Horizonterweiterung für die Besucher:innen war garantiert.

Zsolt sagte: «Es gibt eine dramatische und eine hoffnungsvolle Perspektive meiner (Lebens)Geschichte.» Damit deute er an, dass es darauf ankommt, wie wir das, was uns widerfährt, deuten.

Und was habe ich persönlich aus all diesen Geschichten gelernt?

Vor allem, dass mensch mit Dankbarkeit, Gelassenheit, Freude und Liebe – gerade auch trotz krassen Schicksalsschlägen wie zB die Geschichte von John Decker – besser durchs Leben kommt, als mit Kontrolle, Dramatisierung oder fixen Vorstellungen.

Anfangs hat mich überrascht, dass das Leben meiner Talk-Gäste viel weniger einem Masterplan folgte, als es vielleicht gerade bei erfolgreichen CEOs wie Markus oder Werksleitern wie René zu erwarten wäre. Oft taten die Menschen einfach das, was ihnen «vor die Füsse» geworfen wurde und so entwickelte sich eine spannende Lebensgeschichte.

Glücksaufgabe

Falls du dich auch gerne von Lebensgeschichten inspirieren lässt: Höre gerne in unseren Podcast rein oder besuche das Chäs, Brot, Wy – und mini Gschicht mit Gott live in Studen.

Und was lernst du aus deiner und anderen Lebensgeschichten?

Übrigens: Ein Glücksmoment für mich war natürlich, als das Format mit dem Verkündigungspreis ausgezeichnet wurde. Wie schön, wenn das, was mensch liebt und mit Leidenschaft tut, noch solche Anerkennung erhält.

«Dieser Weg …»

Genau – «… wird kein leichter sein.»

Trotzdem – ich will ihn gehen.

Weil ich zu oft schon erlebt habe, dass der Weg zwar nicht leicht ist, gleichwohl lebendig macht. Weil er das Leben fördert – und nicht ein starres Denk- und Glaubenssystem.

Weil ich auf diesem Weg zwar unendlich gefordert bin – und trotzdem entspannt und gelassen vorwärtsgehe.

Weil dieser Weg keinen Autopiloten kennt und die Route ständig neu berechnet wird – und dennoch ist es ein verheissungsvoller Weg der Hoffnung.

Es ist gut, auf einem Weg zu sein.
Es ist auch gut, sich dabei nicht zu fest an ein Geländer zu klammern. Vor allem aber ist es gut, mit anderen Menschen unterwegs zu sein: Erfahrungen und Einsichten zu teilen, voneinander zu lernen, sich gegenseitig zu fordern und zu fördern. Verbundenheit ist der Pulsschlag aller Spiritualität. Sie belebt, sie wärmt das Herz, und sie stärkt die Gewissheit, in dieser Welt willkommen und zu Hause zu sein.
Lorenz Marti in «Türen auf!»

Im Zuge der Regionalisierung in unserer Kirche hatten wir vor rund zwei Jahren das Format «zäme wyter dänke» ins Leben gerufen. Ziel ist es, anhand eines Buches gemeinsam unsere Theologie und Glaubenspraxis zu reflektieren und dabei eben zusammen weiterzudenken.

Letzten Mittwoch haben wir nun die zweite Runde abgeschlossen. Ich bin mit dem obigen Zitat von Lorenz Marti in den Abend gestartet und habe die Teilnehmenden gefragt, inwiefern sie bei «zäme wyter dänke» einen solchen «Herz wärmenden» Ort erleben.

Die Antworten haben mein Herz erwärmt. Und waren mir Beweis genug, dass sich dieser nicht immer leichte Weg wirklich lohnt.

In einer Zeit, in der sich mensch in politischen, gesellschaftlichen oder religiösen Themen reflexartig in seinen Schützengraben zurückziehen will, erleben wir gemeinsam ein Format, in dem es eben gerade nicht darum geht, wer recht hat, was richtig, was falsch ist.

Wir sind auf einer gemeinsamen Entdeckungsreise, wir interessieren uns dafür, was die andere erfahren hat, wie der andere darüber denkt, wie andere zweifeln und glauben.

Und genau das war bei dieser Einstiegsrunde eindrücklich spürbar: Es wird geschätzt, dass die eigene Meinung ohne Bedenken geäussert werden kann. Und mehr noch: Es wird geschätzt, andere Meinungen zu hören, sich dadurch bereichern zu lassen – und sie vielleicht ins eigene Denken zu integrieren oder beim eigenen Standpunkt zu bleiben. Beides ist möglich, beides ist okay.

Gemeinsam auf dem Weg

Ich liebe es zu predigen und ich liebe es, Talks zu moderieren, in denen andere ihre Storys erzählen.

Doch ich liebe es auch, einfach still zu beobachten, wie in Formaten wie «zäme wyter dänke» Menschen in kleinen Tischrunden ins Gespräch kommen, Erfahrungen und Meinungen austauschen, voneinander lernen, sich unterstützen, ohne sich besserwisserisch zu korrigieren. Eben: Einfach gemeinsam auf dem Weg sind.

Dieser Weg ist kein leichter – denn es heisst auch Kontrolle abgeben. Ich weiss ja nicht, was in den Tischrunden besprochen wird, kann zu Gesprächen animieren, sie jedoch nicht steuern. Auch der Austausch im Plenum will an der einen oder anderen Kliffe vorbei navigiert werden (zB politische Statements).  

«zäme wyter dänke» – das ist ein tolles Format. Doch es ist mehr als das, es ist im Grunde Kern meiner Spiritualität: Gemeinsam auf dem Weg sein. Mein Glaube ist nicht ein System, mein Glaube ist «Weg, Wahrheit und Leben». Göttliche Liebe, die uns auf den Weg zu wahrhaftigem Leben einlädt.

Glücksaufgabe

Gestern sprach ich mit einem Pfarrkollegen über den Zusammenhang zwischen Spiritualität und Gesundheit.

Wo erlebst du Spiritualität als wertvolle Ressource für dein Wohlbefinden?
Wie zeigt sich das?

Bist du alleine auf diesem Weg oder hast du Weggefährt:innen mit dabei?

Meine Woche mit Trump, Brudereck und Bischöfin Budde

Lass uns gleich auf den Punkt kommen: Zu welcher Fraktion gehörst du? Zur Fraktion «Türen-Zuknaller:innen» oder bist du bei den «Fenster-Öffner:innen» dabei?

Die vergangene Woche liefert dazu jede Menge Anschauungsmaterial. Einerseits auf der für uns schon ziemlich grossen Konferenz-Bühne von BUNT GLAUBEN, anderseits auf der mega grossen Weltbühne der Politik und Wirtschaft.

Die Konferenz mit Christina Brudereck, Lukas Amstutz und vielen anderen sollte ein Tag, gar ein Wochenende, der Inspiration und Motivation für einen weiten, tragfähigen Glauben werden. Tatsächlich ist das gelungen – wie viele schöne, spezielle, persönliche und ermutigende Rückmeldungen es deutlich machen.

Viele Feedbacks haben mich persönlich berührt, weil sie sich stark abheben vom typisch Schweizerischen «War gut – weiter so!». In den Zeilen sind ganz viel Herz und persönliche Betroffenheit zu spüren, neben aller Begeisterung und Freude auch ein Ringen, wie diese markigen Sätze wie «Hier ist Platz für alle!» und «You are loved – always!» denn nun wirklich gelebt werden können.

Jemand schrieb: «Wie ihr Fenster zur Freiheit geöffnet habt. Ich bin sicher, das wird nachwirken.»

Was für ein schönes Bild! Ja, genau das wollten wir. Fenster öffnen, Weite und Freiheit feiern, Grenzen sprengen – oder wie es einer meiner Talk-Gäste sagte: «Gott aus dem Kästchen, in das wir ihn gesteckt haben, herauslassen.»

Fenster zur Freiheit zu öffnen, kann auch irritieren. Wenn mensch Fenster öffnet, geht es bei uns im Bernbiet nicht lange und irgendwer sagt: «Äs zieht!». Fenster zu öffnen kann auch unbequem werden, unser wohligwarmes, selbstgefälliges bis selbstgerechtes Gefühl beginnt zu frösteln.

Die Freiheit der offenen Fenster inspiriert und beflügelt die einen – wie entspannend ist es, nicht mehr auf jede Frage eine Antwort haben zu müssen.

Für andere ist es zu viel Irritation. Bei offenen Fenstern kann der Wind wehen, wo er will – das haben nicht alle gerne. Da fehlt die Kontrolle, die eigene Macht wird möglicherweise in Frage gestellt.

Da gibt es nur eins: Türen zuschlagen!

Das hat sich wohl auch Donald Trump gesagt und bei der Antrittsrede am Montag vorsorglich schon mal detailliert geschildert, welche Türen bei ihm nun alle zugeknallt werden. Dass für diese unmenschliche Haltung gar noch der Name Gottes missbraucht wird, Trump als Messias oder immerhin als Gesandter Gottes angehimmelt wird – ich weiss nicht, ob ich da lachen oder weinen will. Mindestens fremdschämen für die Tür-Zuknaller-Fraktion unter meinen Glaubensgeschwistern.

Gott sei Dank gibt es aber auch in den USA die Fenster-Öffner-Fraktion. Wow, der Mut von Bischöfin Mariann Edgar Budde in ihrer prophetischen Predigt den in der ersten Reihe sitzenden Präsidenten anzuflehen, bitte nicht alle Türen zuzuknallen – das war grossartig, beeindruckend.

Was für ein Kontrast: Laut, überheblich, menschenentwürdigend werden auf der einen Seite Türen zugeknallt. Leise, zerbrechlich und doch klar, mitfühlend werden andernorts Fenster geöffnet.

Ja, das Leben ist komplex und am Schreibtisch solche Dinge zu schreiben ist einfacher, als als Kanzlerkandidat Lösungen auf die aktuellen Probleme zu präsentieren.

Aber ich will und kann nicht glauben, dass wir, wenn wir irgendwie ein C oder E im Namen haben oder uns ganz konkret als Nachfolger:innen des Friedenspredigers aus Nazareth verstehen, keine besseren Lösungen finden als: «Das Boot ist voll!», «America first!» «Das Mass ist endgültig voll!». Mit anderen Worten: «Diese Türen schlagen wir zu!»

Es muss anders gehen!
Als Mensch,
als Christenmensch erst recht.

Ich halte mich an den Schlusssatz von Christina Brudereck an unserer BUNT GLAUBEN-Konferenz: «Gott hat immer mehr und ewig Platz.»

Glücksaufgabe

Nochmals die Frage: Zu welcher Fraktion gehörst du? «Türen-Zuknaller:innen» oder «Fenster-Öffner:innen»?

Und wie zeigt sich das in deinem Leben?

Vom Himmel «wachgeküsst»

Heute schreibe ich einerseits meinen Weihnachts-Artikel hier im Blog und anderseits soll es der Abschluss einer kleinen Trilogie zum «You are loved – always!»-Satz werden.

Dieses «Du bist geliebt – immer!» ist Vision und Anspruch: Ich wünsche mir, dass sich Menschen in meiner Gegenwart geliebt, gesehen, wertgeschätzt fühlen. Darum ging es im ersten Artikel unter dem Motto Ohne Wenn und Aber.

Doch gleichzeitig ist dieser Anspruch auch Zumutung. Im Artikel Ich schaff das nicht habe ich vor zwei Wochen geschildert, wie mich dieser Wunsch, Liebe weiterzugeben, auch an meine Grenzen bringt, mich herausfordert und hin und wieder sogar überfordert.

Darum ist mir Weihnachten so wichtig: «You are loved – always!» beginnt nämlich nicht als Anspruch oder Zumutung. Es ist zuallererst der himmlische Zuspruch: Da ist ein Gott, der dich liebt – immer! Und diese Liebe wird nirgendwo konkreter sichtbar als an Weihnachten: Gott wird Mensch, wird einer von uns, nimmt sich uns an.

Gerade wenn die Erwartungen zu Weihnachten ins Unermessliche steigen und Familien mindestens einmal im Jahr auf Heile Welt machen wollen, brauchen wir diese Erinnerung: Das Fest der Liebe heisst nicht so, weil wir einander in dieser Zeit besonders gern haben, uns beschenken und versuchen, alle Themen mit Zündstoff wie Schikanen zu umfahren!

Genau an diesem Anspruch ist schon so manche Familienidylle zerbrochen und das Fest der Liebe ist vielleicht sogar in der grandiosen Katastrophe gelandet – oder eben im Eskalations-Feuerwerk, da vor lauter Schikanen-Umfahren die Beherrschung verloren ging und ein Zündstoff nach dem anderen gezündet wurde …

Weihnachtsidylle ist tatsächlich eine Zumutung! Wie soll ausgerechnet an Heiligabend per Knopfdruck funktionieren, was wir schon im normalen Alltag nicht schaffen?

Treffpunkt Krippe

Ich liebe es, gemeinsam mit Herzensmenschen (Familie und Freunden) bei einem leckeren Essen am Tisch zu sitzen, das Leben zu feiern, Freud und Leid zu teilen, über Gott und die Welt zu philosophieren. Das kann an Weihnachten sein – muss aber nicht. Und häufig sind die besonders guten Abende losgelöst von Weihnachts- oder sonstigem Erwartungsdruck.

Wir haben eben das Fest der Liebe missverstanden, wenn wir den Familientisch zum Zentrum des Geschehens erklären.

So gerne ich den Esstisch zum Treffpunkt erkläre – an Weihnachten ist der erste Treffpunkt die Krippe und nicht der Esstisch.

Der (Familien)Esstisch steht hier für Anspruch und Zumutung.

Die Krippe jedoch ist der Zuspruch: In Jesus wird Gott Mensch und will uns von Mensch zu Mensch begegnen. Weihnachten ist Fest der Liebe, weil uns an der Krippe – in aller Unvollkommenheit, Weltlichkeit, Menschlichkeit – die Vollkommenheit des Himmels begegnet.

Weihnachten ist das himmlische Geschenk für die Menschheit: Göttlicher Friede und vollkommene Liebe macht sich auf, um uns Menschen «wachzuküssen».

Glücksaufgabe

Mich hat berührt, wie die Mäuse neulich in der kreativen Adventsfeier vom gms unbedingt Teil der Krippenlandschaft sein wollten. Weihnachten ist für alle! Darum wollten auch die Mäuse nahe bei der Krippe sein.

Wie ist das mit uns, mit dir? Wo siehst du dich in der Krippenlandschaft: Freudig dazukommend und empfangend wie die Hirten? Nahe bei Maria, weil sie so eine Ruhe ausstrahlt? Oder direkt an der Krippe, um die Begegnung mit diesem Himmelskind als intime, ganz persönliche Gotteserfahrung einzusaugen? Vielleicht eher etwas auf Distanz, ungläubig beobachtend? Oder bist du noch unterwegs mit den Weisen aus dem Morgenland und fragst dich, wie du dieses Kind in der Krippe beschenken kannst?

An dieser Stelle noch den Hinweis auf unsere You are loved – always!-Produkte: Noch ist es nicht zu spät, im H2 Studen ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen und damit unsere gemeinnützige Arbeit zu unterstützen.

Und falls du über die Festtage etwas freie «Hör-Zeit» hast, verlinke ich hier gerne drei Podcasts, in welchen ich kürzlich zu Gast war:

Vis-à-vis-Podcast von ERF Medien: Stef Gerber findet fragend frische Formen für die Kirche (mit Einblick in meine persönlichen Himmelsmomente 2024)

Der Zweifelclub: Bunt glauben mit Stef und Mäth

Jetzt wirds PERSÖNLICH: Klaus-André Eickhoff im Gespräch mit Stef

Ich schaff das nicht

Vor zwei Wochen hab ich hier über die Liebe ohne Wenn und Aber geschrieben. Tatsächlich bin ich überzeugt, dass Gott sich wünscht, dass wir uns alle nach unseren Möglichkeiten an seiner Liebes-Mission, die Welt zu einem bessern, liebevolleren Ort zu verwandeln, beteiligen.

Ich bin wirklich begeistert von unserem «You are loved – always!»-Slogan und ich fühle mich reich beschenkt, eine Arbeit zu leiten und gestalten, in der immer wieder Menschen sagen, dass sie hier genau das spüren.

Trotzdem muss ich heute gestehen: Ich schaff das ganz oft nicht. Diese bedingungslose Liebe wie sie in der Bibel in 1. Korinther 13 wunderbar beschrieben ist, fasziniert mich, danach streck ich mich aus.

Doch ich schaff sie nicht. Nicht immer. Und vor allem: Nicht bei allen.

Es gibt Menschen, die liegen mir einfach nicht besonders gut. Und dann gibt es Menschen, die haben mir so grausam «ans Bein gepinkelt», da fällt es mir unheimlich schwer zu denken: «You are loved – always!». Geschweige denn es zu sagen oder es gar zu fühlen.

Und was mach ich mit Menschen, die mir den Glauben absprechen, die Gott und die Welt durch eine völlig andere Brille betrachten als ich?

Menschen zu lieben, die das Gute für uns wollen, ist das eine. Menschen zu lieben, die uns (vielleicht ja sogar nur aus unserer Sicht) Schaden zuführen wollen, ist eine ganz andere Liga.

Wenn ich aufrichtig mit meinen Gefühlen in Kontakt bin, kann ich mir nicht befehlen, diese Menschen zu lieben. Doch ich kann mich daran erinnern, dass Liebe auch eine Entscheidung ist. Und darum entscheide ich mich: Ich will jedem Menschen, egal, was er mir angetan hat, ob er komplett andere Ansichten vertritt als ich, mit Respekt begegnen.

Das heisst nicht, dass ich mit allen in die Ferien fahren muss!

Und es heisst auch nicht, dass ich alles gutheissen muss!

Es heisst auch nicht, dass ich schweigend Unrecht über mich ergehen lassen muss!

Wir dürfen und sollen protestieren, wo protestiert werden muss.
Doch wir sollen den Respekt vor dem Menschen nicht verlieren.

Das ist der erste Schritt, damit sich die Liebe ihren Weg bahnen kann.

Wo ist mein Safe Place?

Ich brauche Orte, wo ich mich sicher fühlen kann. Wo ich sein kann, wie ich bin. Wo ich spüre: Da sind Menschen, die wollen das Gute für mich. Die sind für mich. Und ja, die sind mir Ausdruck des göttlichen «You are loved – always!».

Hast du einen solchen Ort? Wo ist er? Familie, Freunde, Verein oder vielleicht eine Kirche?

Beim Netzwerktreffen, von dem ich vor zwei Wochen schrieb, wurde eine Folie mit der Aussage präsentiert: Kirchliche Angebote sind heute eines unter vielen Freizeitangeboten wie Kino, Turnverein, Einkaufscenter oder Freizeitparks.

Wenn das so ist, haben wir als Kirchen schon verloren. Wir können gar nicht mithalten mit diesen Aktivitäten. Wir stellen die falsche Frage, wenn unsere Events so attraktiv sein sollten, wie ein Broadway-Musical oder wir unsere Kids-Programme am Erlebnisfaktor vom Europapark messen.

Die Frage ist: Erfahren Menschen bei uns einen Safe Place, spüren sie hier, dass sie bedingungslos angenommen und geliebt sind?

Kirche ist mehr als ein weiteres Freizeitangebot. Wenn Menschen hier mit dem Himmel in Berührung kommen, erfahren sie das göttliche «You are loved – always!». Selbst wenn wir es nicht immer schaffen, allen Menschen diese Liebe zu schenken.

Glücksaufgabe

Jetzt sind wir also wieder in dieser aufgeladenen Zeit des Jahres, wo wir allen Menschen auf Knopfdruck Liebe schenken sollten.

Selbst wenn die Weihnachtszeit etwas «magisches» in sich trägt, wenn wir es das ganze Jahr hindurch nicht schaffen, alle Menschen zu lieben, warum sollte es ausgerechnet jetzt damit klappen?

Entstress dich, gesteh dir ein, dass du es nicht schaffst. Und beginn mit dem ersten kleinen respektvollen Schritt. Was könnte das für dich bedeuten?