Seid nützlich!

Bisher bin ich ganz gut ohne KI zurechtgekommen. Naja, vielleicht nahm ich dieser künstlichen Intelligenz auch einfach übel, dass sie mich und mein Glücksbuch vor längerer Zeit einmal nicht wirklich kennen wollte.

Inzwischen habe KI dazugelernt, wird gesagt. Also fragte ich sie, was ich glaube. Mit dem Resultat kann ich grösstenteils leben, jedenfalls wird da keine mir fremde Person beschrieben – auch wenn gewisse Reizthemen etwas gar überhandnehmen, inkl. Vorwürfe meiner Kritiker.

Doch dieser Abschnitt gefällt mir: «Sein Lebensmotto lautet ‘Liebe schenken – Hoffnung verbreiten – Glaube leben’. Gerber entdeckte den christlichen Glauben früh durch seine Eltern und setzt sich für Projekte ein, die Dankbarkeit, Gelassenheit und Freude fördern, auch inmitten von Zweifeln.»

Und auch diesen Satz nehme ich gerne und freue mich, wenn mein Engagement so erlebt wird (ob das eine künstliche Intelligenz beurteilen kann, ist wiederum eine andere Frage): «Seine Arbeit zielt auf zeitgemässe, feierliche Glaubenskommunikation ab, fern von Kontrolle oder Angst.»             

Seit ich predige, war mir ein solcher einladender Stil wichtig. Doch einfach nur «schön & nett» sollte es auch nicht sein. Mit dem, was ich tue und sage, will ich etwas bewegen. Darum darf es gerne auch herausfordern, ja ab und zu vielleicht sogar etwas piksen.

So war es die letzten beiden Wochen spannend zu erleben, was der Titel meiner aktuellen Predigt auslöste: «Wie politisch darfs denn sein?» Teils wurde mir zu verstehen gegeben, dass das kein gutes Thema für eine Predigt sei.

Natürlich steckte auch eine leichte Provokation im Titel, was die Neugier wecken sollte. Und in der Predigt habe ich auch sehr deutlich gemacht, dass ich die Vermengung von Glaube und Politik, wie wir sie derzeit gerade in den USA erleben, höchstbedenklich finde.

Darum geht es mir auch nicht um Parteipolitik und schon gar nicht um einen Gottesstaat. Doch der Mensch ist ein politisches Wesen, der Christenmensch sogar sehr.

Mindestens wenn er dem Vorbild Jesu folgt. Dieser war nämlich höchstpolitisch und leitete seine Zuhörer:innen in der Bergpredigt dazu an, sich als Salz der Erde und Licht der Welt nützlich zu machen.

In diesem Abschnitt in der Bergpredigt benutzt Jesus auch das Bild einer Stadt auf dem Berg. Ich verstehe seine Botschaft darin so: Bei euch gilt eine andere Sozialordnung, hier geht es um eine lebensfördernde Gemeinschaft.

Ja, da sind Menschen auf dem Jesus-Weg unterwegs und suchen nachdem, was das Leben aufblühen lässt. Wir sind aufgefordert, uns für eine bessere, liebevollere und gerechtere Welt zu engagieren – das hat immer auch eine politische Dimension.

Als ich neulich über den «Salz & Licht»-Bibeltext nachdachte, schrieb ich in meine Bibel «Seid nützlich!» und «Kein Schneckenhaus!».

Und da landen wir wieder beim Zitat von Johanna Dohnal, mit dem ich den letzten Blogartikel beendete: «Aus taktischen Gründen leise zu treten, hat sich noch immer als Fehler erwiesen.»  

Und wir landen auch wieder bei der KI-Suche zu meinem Glauben: Wer diesem Jesus nachfolgt, verkriecht sich nicht im Schneckenhaus. Er:sie exponiert sich. Und wer die Würde aller Menschen hochhält, tut im Grunde nur, wozu uns die Bibel und manch Grundgesetze schön längst einladen – und riskiert damit leider noch heute Gegenwind zu ernten.

Glücksaufgabe

Ich bin kein Fan grosser Imperative. Das hat sogar KI gecheckt, wenn sie meine Glaubenskommunikation als «fern von Kontrolle oder Angst» einstuft. Befehle gehören für mich genauso in diese Kategorie.

Trotzdem habe ich heute einen Imperativ als Blogtitel gewählt: «Seid nützlich!» Ich weiss, es kann ein schmaler Grad zwischen «liebevoll-anstupsender Einladung» und einer «druckerzeugenden (Auf)Forderung» sein.

Darum setz ich hier am Ende des Blogs jeweils auch lieber ein ?-Zeichen als ein !-Zeichen.

Doch heute bleibe ich dabei: «Sei nützlich!»

Die erwähnte Predigt kann übrigens in unserem Matinée-Podcast nachgehört werden.

Bilanz zum halben Jahrhundert

Bald werde ich fünfzig. Bin ich deshalb aktuell besonders sentimental?

Jedenfalls sass ich letzten Samstag in Marburg in einer Konferenz und heulte während der ersten Session vor mich hin. Naja, vielleicht ist das etwas übertrieben. Doch die Augen waren immer mal wieder feucht und Tränen kullerten über meine Wangen.

Ich sass im Lokschuppen Marburg, einer Location, die mich durch die Posts und Videos vom UND Marburg bereits in Vergangenheit sehr angesprochen hatte. Das Live-Erlebnis konnte für einmal durchaus mit dem virtuellen Eindruck mithalten.

Das Zusammenspiel einer für mich sehr ansprechenden Location, dem guten Sound und der Tatsache, dass ich hier Teil einer Veranstaltung sein durfte, in der es um Inklusion statt um Verdammung ging, hat mein Herz tief berührt.

Und ja, auch wenn ich kurz davor in meiner Reisegruppe noch bluffte, mein 50. Geburtstag bringe mich nicht sonderlich ausser Balance, war es nun doch um mich geschehen. Der Realitätscheck war knallhart: Was ich hier in Marburg erleben durfte, war Kirche, wie ich sie vor meinem inneren Auge und in meiner Traumvorstellung schon längst sehe und ersehne.

Tatsächlich habe ich mehr als die Hälfte meines bisherigen Lebens diesem Traum verschrieben. Und was ist daraus geworden? Je nach Blickwinkel ganz viel.

Schönes. Gutes. Kraftvolles. Befreiendes. Lebensförderndes. Hoffnungsvolles.

Und doch bleibt es an manchen Stellen ein «Murks». Es ist anspruchsvolle Arbeit, die sich mal um Marketing, mal um Raumgestaltung, dann um knappe Finanzen und Liegenschaftsfragen dreht. Begleitung von Menschen und inhaltliches Wirken kommt da manchmal einfach zu kurz.

Natürlich ist in den hippen Projekten oder gar in Megachurchs nicht alles einfach easy und mega. Im Gegenteil: während bei uns Zehntausende Franken fehlen, sind es dort möglicherweise Millionen.

Und ja, es ist auch ganz vieles gegangen in den letzten Jahren: Wir waren anfangs Jahr mit BUNT GLAUBEN Veranstalter einer fantastischen Konferenz, mehr Menschen tragen Verantwortung, Teams gestalten mit, die Resonanz scheint grösser geworden zu sein …

Trotzdem tauchen sie auf, die Fragen, die wohl ganz automatisch zu dieser Wegmarke mit der 50 drauf gehören: Was ist aus meinen Träumen geworden? Was habe ich erreicht? Wo will ich noch hin? Wie will ich meine nächste Wegstrecke gestalten?

Da gab es letztes Wochenende auch ganz viel Bestätigendes: Ich will an diesem Mix von frischen Formen, weiter Theologie und gemütlichem Ambiente unbedingt dranbleiben. Dabei will ich mich nicht im Kleinklein verlieren, sondern zusammen mit positiven Menschen «etwas Grosses rocken» – selbst dann, wenn es ein kleines, verletzliches Pflänzchen bleibt.

Dazu nehme ich wertvolle Impulse aus der Coming-In Konferenz (veranstaltet vom Verein Zwischenraum) mit. Wie diese Perlen aus meinen Tagungsnotizen:

Wenn wir «Gemeinsam Gemeinde» (Tagungsmotto) sein wollen, sollten wir auf unserer Reise nicht wie die vorne im Van sein, die herablassend über die Mitreisenden hinten im Van reden. Möglicherweise schlafen sie nicht und werden tief verletzt von der Art, wie wir über sie sprechen.

Dieses Bild hat was. Und dazu passt ein weiterer Gedanke von Tabea Wagner: «Stellt Fragen, aber stellt niemanden in Frage!».

Denn (so Lol): «In einer Gemeinde, in der nicht alle sicher sind, ist niemand sicher!»

Vom Workshop mit Damaris vom genialen lev-Gemeindegründungsprojekt bleibt mir besonders dieser Gedanke hängen: «Die Haltung von anderen kann ich nicht machen, ich kann nur immer wieder meine Haltung einbringen.» 

Und Mira Ungewitter habe ich wunderbare Zitate zu verdanken: «Die gerade Linie ist gottlos», habe der Künstler Hundertwasser gesagt. Umgemünzt für unser Wirken gab Mira zu bedenken: «Der Jesus-Weg ist viel verschlungener als so manche Gemeinde-Einbahn!»

Mit einem Zitat der österreichische Feministin Johanna Dohnal ermutigte uns Mira zu beherztem Engagement: «Aus taktischen Gründen leise zu treten, hat sich noch immer als Fehler erwiesen.»

Vielleicht nehme ich das als Motto für meinen nächsten Wegabschnitt.

Glücksaufgabe

Was ist aus deinen Träumen geworden?

Welche gilt es loszulassen und für welche willst du umso beherzter einstehen?

Lass uns das Leben feiern

Heute ist ein Feiertag.
Nein, heute sind viele Feiertage.

Weisst du welche?

Die einen feiern Halloween.
Die anderen den Reformationstag.

Dann gibt es am 31. Oktober auch noch kuriose Feiertage wie den Tag der Türklingel, den Tag der Klopf-Klopf-Witze, den Steigere-Deine-übersinnlichen-Fähigkeiten-Tag, der wohl mit dem heutigen Tag der Zauberei verwandt ist, und natürlich den Schnitz-einen-Kürbis-Tag. Kulinarisch sind heute der Karamell-Apfel-Tag sowie der Grissini-Tag.

Schon deutlich seriöser scheinen mir da der Welttag der Städte und der Weltspartag.

Und was feierst du heute?

Von den allermeisten Aktions- und Feiertagen der obigen Aufzählung habe ich gerade erst erfahren. Halloween berührte mein Herz nie – und ging trotzdem nicht spurlos an mir vorbei, da unsere Kids, als sie klein waren, sich, sagen wir mal, sehr unwohl fühlten mit dieser Tradition. Und Halloween-Spuren gab es auch schon an unserer Location von gms und Happy Kids (Stichwort: Eier am Fenster).

Beim Reformationstag ist das anders, da ist mein Herz voll involviert. Ich wünsche mir eine Kirche, die sich immer wieder reformiert. Die vor allem festhält an der ewiggültigen bedingungslosen Liebe Gottes und den Menschen hilft, mit ihrer «Himmels-Sehnsucht» ein aufblühendes Leben zu gestalten. Eine Kirche, die offen ist für frische Formen und alle Menschen, sich jedoch nicht festbeisst an sturen Regeln, aus der Zeit gefallenen Traditionen und einer pharisäerhaften Bibelinterpretation.

Und dies führt mich zu meinem persönlichen Feiertag: Am 31. Oktober ist auch der Jahrestag vom gms. Heute jährt sich dieser besondere Aktions- und Feiertag, als ich zusammen mit einer Gruppe junger Menschen, «zufälligerweise» am Reformationssonntag, in der örtlichen Mehrzweckhalle zum ersten «Gospel Brunch» einlud, zum 26. Mal.

Eine Gemeinschaft, die mit frischen Formen ihren Glauben und die Liebe Gottes ansprechend feiern und kommunizieren wollte, war geboren. Vieles haben wir ausprobiert, vieles war richtig gut, anderes gelang nicht oder hatte sich mit der Zeit «ausgelutscht». Etliche Herausforderungen blieben und bleiben.

Reformation ist nötig, auch da. Immer wieder.

Traditionen dürfen entstehen – und immer wieder auf ihre Dienlichkeit hinterfragt werden.

Glaube darf wachsen – ohne dabei die Zweifel ausseracht zu lassen.

Projekte dürfen gewagt werden – und müssen immer wieder den Kräften und Gegebenheiten angepasst werden (wie war das mit dem Tag der «übersinnlichen Fähigkeiten»?).

Es darf gross geträumt werden – und in kleinen Schritten umgesetzt werden.

Wenn ich von Kirche träume, träume ich von einer Kirche, die den Menschen dient – und dabei Gott ehrt und in der die beteiligten Menschen aufblühen.

Vieles ist im Wandel. Doch dieser Traum begleitet mich seit bald 30 Jahren. Daran erinnere ich mich an meinem heutigen persönlichen Feiertag.

Wie schön, durfte ich diese Woche in meinem Tagebuch in einem Dankgebet festhalten: Danke, darf ich meine Berufung leben.

Übrigens, Radio SRF 3 feiert heute den ganzen Tag die Musik der 80er Jahre. So wurde ich bereits zu (für mich) früher Morgenstunde mit «Don’t worry, be happy» beschallt.

Eigentlich gar nicht so verkehrt: Mit der richtigen Einstellung kann jeder Tag zum Feiertag werden. Das liest sich bereits in der Bibel: «Für den Niedergeschlagenen ist jeder Tag eine Qual, aber für den Glücklichen ist das Leben ein Fest.»

Und welchen Feiertag feierst du heute?

Glücksaufgabe

Ein ganz besonderer Feiertag gab es diese Woche auch noch für mich: Vor 10 Jahren erschien mein Buch «Glück finden – hier und jetzt».

Ich finde, ganz vieles in diesem Buch ist noch heute sehr aktuell und kann dich darin unterstützen, ein zufriedenes Leben zu gestalten – ohne zu ignorieren, dass im Leben nicht alles einfach «happy» ist. (Hast du schon ein Exemplar?)

Was hilft dir, jeden Tag zu einem guten zu machen?

Gemeinsam falsch

Das war eindrücklich: Vor einigen Wochen war ich zusammen mit meiner Tochter und ihrer Partnerin erstmals bei einem Hiking Sounds Event, dem Wanderfestival der Migros, dabei.

Das war ein schönes Erlebnis – gemeinsam Wandern, Cervelat grillieren, guten Live-Sound geniessen.

Aber nein, der Anlass an und für sich war noch nicht das Eindrückliche. Das war vielmehr ein Phänomen unterwegs beim Wandern. Wir schwitzten uns also am letzten Spätsommertag bei sehr warmen Temperaturen beim Schwarzsee den Berg hinauf.

Irgendwo da oben, hinter der Kuppe muss der Rastplatz mit Bühne und den Cervelats sein. Das war allen klar. Nun kam irgendwer auf die glorreiche Idee, dass der Trampelpfad geradeaus bestimmt schneller zum Ziel führen würde als der breite Weg um die Kuppe herum.

Und so folgten nun alle Wandernden dieser Menschenschlange den Trampelpfad hinauf.

Alle? Nicht alle!

Es gab einige wenige, die das Selberdenken nicht gänzlich aufgaben und so dem eigentlichen Weg folgten. (Und ja, wir gehörten dank dem kritischen Nachfragen – und vehementen Insistieren – meiner Tochter auch zu denen, die sich von der grossen Masse entfernten. Wenigstens nach einigen «Fehltritten» auf dem Trampelpfad.)

An diesem wunderschönen Tag in dieser idyllischen Landschaft wurde ich eindrücklich an eine wichtige Lektion erinnert: Nur weil alle einen bestimmten Weg einschlagen, ist es nicht zwingend der richtige.

(Und liebe fromme Bubble: Manchmal ist selbst der schmale Weg nicht der richtige! Das wurde uns auf diesem gemütlichen, breiten Spazierweg ganz schnell bewusst.)

Diese Situation am Berg war lustig und sie kam mir sofort wieder in den Sinn, als ich diese Tage ein überhaupt nicht lustiges, fiktives Interview im Buch Seit ich tot bin, kann ich damit leben: Geistreiche Rückblicke ins Diesseits von Willi Näf las: Hier wird Lutz Baumgartner, ein SS-Obersturmführer, gefragt, warum er der SS beigetreten sei.

Weil ich jemand sein wollte. … Hitler hat die Löcher in unserer Seele gestopft, und wir sind ihm hinterhergestiefelt. Was waren wir dumm.

Auch intelligente Leute waren Nazis.

Dummheit und Intelligenz sind keine Gegensätze. Es gibt intellektuell ausserordentlich bewegliche Menschen, die dumm sind, und intellektuell sehr Schwerfällige, die alles andere als dumm sind.

Das ist eine Frage der Definition.

Keineswegs. Menschen lassen sich von Umständen verdummen. Wo sich eine starke Macht entfaltet, werden sie mit Herdendummheit geschlagen. In der Dynamik der Herde verliert man das selbständige Denken. Wenn alle gleich blöken, hört sich das Blöken plötzlich richtig an. Man sieht nur noch, was alle sehen, und findet nur noch richtig, was alle richtig finden.

Wie wurden Sie herdendumm?

Naja. Erst mal ist man einfach begeistert. Die Menge gibt einem Wärme, man fühlt und findet sich bestätigt. Man wird Teil von etwas Grösserem. Es kommt zu einer Art Selbstabschaltung. Ein dünnes Selbst wie meines vermisst nicht allzu viel, wenn es abgeschaltet wird. Wenn man dann im Kollektiv aufgeht, ist man endlich wer. Und die Anfangskleinsten wollen immer die Schlussgrössten werden.

(Quelle: Willi Näf in Seit ich tot bin, kann ich damit leben: Geistreiche Rückblicke ins Diesseits)

Mich schaudert es ob der ungeheuerlichen Aktualität dieses Textes. Mag sein, dass Gedanken zur Herdendummheit immer aktuell sind. Doch gerade scheint mir, als würde sich dieses Phänomen politisch, gesellschaftlich und religiös in beängstigenden Dimensionen entfalten.

Glücksaufgabe

Wo beobachte ich das Phänomen der Herdendummheit? Und wo stehe ich persönlich in Gefahr, der Masse (ob auf dem breiten Weg oder dem schmalen Trampelpfad) zu folgen und dabei das Selberdenken der Bequemlichkeit zu opfern?

«Bonus-Frage»: Wie stopfe ich die Löcher in meiner Seele?

Das kann doch nicht sein!?

Ich bin irritiert. Kann es sein, dass ich mit meinem Vorurteil falsch liege?

Im kath.ch-Medienspiegel werde ich auf einen Weltwoche-Artikel von Roger Köppel hingewiesen. Darin lässt er den Theologen Karl Barth und den Aktivisten Charlie Kirk in einen fiktiven Dialog treten.

Mein Interesse ist geweckt, einerseits weil ich vor einigen Monaten die spannende Karl Barth-Biografie von Christiane Tietz las, anderseits weil mich die emotionale Freund-/Feind-Diskussion um die Ermordung von Charlie Kirk sehr beschäftigt.

Dass Roger Köppel etwas dazu zu sagen hat, erstaunt mich nicht. Was er sagt und wie er es tut, verblüfft mich dann doch.

Raffiniert bringt er Kirk in ein theologisches Gespräch über Gott, Moral und Politik mit Barth. Wohlwollend im Ton, hinterfragend im Inhalt: Instrumentalisierst du nicht Gott für deine eigenen Zwecke?  

Ich lag falsch: Köppel entpuppt sich hier nicht als Kirk-Freund.

Und schon merk ich, wie schnell ich zwar gerne Brückenbauer sein möchte, und gleichzeitig dann doch sehr schnell im Freund-/Feind-Schema gefangen bin.

So vieles wird heute zugspitzt – rechts-links, richtig-falsch, gut-böse. Es lebe die Polarisierung und mit ihr die Feindbilder.

Darf ich zugeben, dass mich ein Artikel von Roger Köppel anspricht? Und wenn ja, muss ich dann gleich hinterherschieben, dass ich also sonst das Heu gar nicht auf seiner Bühne habe?

Die trumpische MAGA-Kommunikation ist schnell (im Urteilen), laut (IN FETTEN LETTERN) und klar (komplexe Zusammenhänge werden vereinfacht dargestellt).

Da stehen wohlüberlegte, leise und differenzierte Töne in Gefahr unterzugehen.

Und natürlich befeuern die heutigen Kommunikationsmittel eine Giftpfeil-Rhetorik, echter Dialog mit echtem Interesse am Gegenüber sucht mensch in den Kommentarspalten allermeistens vergebens.

Ganz ehrlich, das Beispiel mit dem ansprechenden Artikel von Roger Köppel hält mir da einen unbequemen Spiegel vors Gesicht: Ich warte nur darauf, dass meine Vorurteile bestätigt werden. Mitmenschen werden gedanklich in Schubladen parkiert. Wer nicht in meiner Schublade, in meiner Bubble ist, hat es schwer, mich zu überzeugen.

Wir haben mehr und mehr gelernt, sofort das Trennende zu entdecken.

Ich will mich auf das Wagnis einlassen, in Begegnungen zuerst das Verbindende zu suchen. Ob mir das gelingen kann? Ich weiss es nicht. Doch ich danke Roger Köppel dafür, dass er mich überrascht hat.

Der lesenswerte Artikel legt Karl Barth zum Schluss diese wunderbaren Worte in den Mund:

Trinken wir auf uns, auf die Kinder Gottes und auf das unbegreifliche Geschenk der Gnade, das wir beide nicht verdient haben. Wir alle sind geliebt von Gott, auch Sie, aber nicht, weil Sie sein Anwalt, sein Durchschauer sein wollen und ruhelosen Einsatz leisten, sondern weil er Sie, wie andere, die Sie gar nicht kennen, ohne ersichtlichen Grund als Vollmitglied in seinen Heilsplan einbezieht.

Zusammen ein Kafi, Bier oder Wein trinken – das verbindet. Tischgemeinschaft hat einfach eine andere Wirkung als Facebook-Kommentare!

Das Leben und die Liebe als unbegreifliches Geschenk zu entdecken und entfalten – auch das verbindet. Mit dem Göttlichen, miteinander. Nicht weil ich Recht habe, nicht weil ich die Wahrheit kenne, nicht weil ich geleistet habe.

Geliebt. Weil ich bin, nicht weil ich tu.

Ich. Und du auch!

Wir. Die Menschheitsfamilie.

Glücksaufgabe

Wie gut bist darin, dich von Menschen aus einer anderen Bubble positiv überraschen zu lassen?

Wie wäre es, im Gegenüber zuerst das Verbindende statt das Trennende zu suchen?

Ich bin grün – äh, oder gelb?

Was für ein schönes und irreführendes Bild: Da fährt ein unverkennbar traditionell eingefärbtes Postauto (sprich: ein gelber Bus) durch die schönsten Schweizer Landschaften und behauptet per Aufdruck tatsächlich: «Dieses Postauto ist grün».

Unsere Gesellschaft produziert gerade reihenweise Menschen auf der Suche nach ihrer Identität – in einer Multioptions-Welt, in welcher glücklicherweise viele soziale Normative kritisch hinterfragt werden, sind Menschen eingeladen (oder gar gezwungen?), sich selbst zu (er)finden, statt einer bestimmten Norm zu entsprechen.

Doch dass dieser Trend nun auch auf die Postautos überschwappt, kann zu denken geben: Bin ich jetzt gelb? Oder doch grün?

In meiner Predigt «Was ist es dir wert?» der neuen Themenserie «Nice to meet you! – Schön, dich zu sehen!» habe ich über das gute Leben und Werte, die lebenswert sind, nachgedacht.

Einer meiner persönlichen Werte, die ich in der Predigt kurz vorgestellt habe, ist «Transparenz» im Sinn von: Ich bin echt, wahrhaftig, mein Reden und Handeln ist authentisch.  

Doch Transparenz ist für mich deutlich mehr als ein Imperativ. Es ist eben grad nicht mit der Aufforderung zur Authentizität gemacht: «Sei transparent!».

Viele Menschen wären gerne transparent, merken aber, dass ihre Mitmenschen mit der nackten Wahrheit schlicht überfordert – oder mindestens irritiert – wären. Grad wie wenn wir ein gelbes Postauto sehen, das von sich behauptet, grün zu sein.

Darum ist für mich der Wert Transparenz nicht bloss Anspruch an meine Aufrichtigkeit, sondern auch meine Anfrage an mein Gegenüber: Darf ich transparent sein? Darf ich so sein, wie ich wirklich bin? Kannst du damit umgehen, dass ich vielleicht grün statt gelb bin?

Solche «Safe Places», in denen sich alle Menschen sicher fühlen können und unabhängig von Her­kunft, Geschlecht, Religion, sexueller Orientierung oder anderen Merkmalen in ihrem unkaputtbaren Wert geachtet werden, sind leider selten.

«Die Würde des Menschen ist unantastbar» ist so schnell gesagt, erfährt viel Zustimmung und ist mehrheitsfähig, um in ein Grundgesetz geschrieben zu werden.  Doch im täglichen Miteinander ist es dann doch nicht mehr so einfach: Wir alle haben (normative) Bilder im Kopf, die unser Denken, Fühlen und Handeln prägen.

Ein Postauto ist gelb.
Punkt!

Ein:e Schweizer:in fährt Ski –
und ist neutral.
Punkt!

Ein Mensch ist männlich oder weiblich.
Punkt!

Tatsächlich ist das wirkliche Leben dann doch um einiges komplizierter. Eigentlich spüren wir das auch und können es in unserem Leben oder in unserem Umfeld beobachten.

Ja, die Komplexität bringt einige neue Herausforderungen mit sich und das Leben wird dadurch selbstredend nicht einfacher sondern komplizierter. Trotzdem erlebe ich es als befreienden Fortschritt, dass immer mehr Menschen nicht mehr gewillt sind, sich unkritischen den vorgegebenen Normen zu beugen. Nicht selten sind nämlich genau diese Normen Resultat einer (patriarchalen) Machtstruktur, die gewisse Gruppen oder den einzelnen Menschen kleinhalten wollen.

Darum: Geben wir einander Raum.
Lassen wir doch das Postauto grün sein.

Vielleicht muss ich mich von liebgewonnen Bildern verabschieden. Oft überhöhen und idealisieren wir solche Bilder. Einfach weil sie doch ein so wohlig-warmes Erinnerungsgefühl in uns auslösen: Ach, dieses gelbe Poschi auf der Passstrasse mit dem tü-ta-ta-Klang.

Normen schaffen Identitäten – für die, die dem normativen Mainstream entsprechen.

Aber Normen schaffen auch Identitätskrisen – für alle, die ihnen nicht entsprechen.

Transparenz und Authentizität werden heute (zu Recht) von vielen erwartet. Doch sind wir auch bereit Menschen den sicheren Rahmen zu geben, ihre Identität wahrhaftig zu leben – auch wenn sie von der gängigen Norm abweicht?

Denn: Vielleicht ist das gelbe Postauto in Wahrheit grün.

Glücksaufgabe

Wann hast du dich zuletzt so sicher gefühlt, dass du deinem Gegenüber etwas ganz Persönliches, das vielleicht noch niemand von dir wusste, anvertraut hast?

Wie gut gelingt es dir, normative Bilder loszulassen und Menschen einfach zu nehmen, wie sie sind?  

(Foto-Credits: Peter Hofer)

Viva la Vida

Wenn nicht jetzt, wann dann? Baden in der Aare, lange Sommerabende, Freunde treffen, sich und das Leben feiern …

Aber halt, darf mensch das Leben feiern, wenn die Welt einmal mehr Kopf steht und ich beispielsweise an einer Armeeseelsorger:innen-Tagung Sätze wie «Wir müssen wieder über unseren Umgang mit töten und getötet werden nachdenken.» hören muss?

«Irgendwas ist halt immer», pflegt ein Herzensmensch zu sagen. Das kann unsere Feierlaune in eine kleinere bis grössere depressive Verstimmung kippen lassen. Oder aber uns vor Augen führen: Es lohnt sich nicht, auf den Moment zu warten, in dem alles perfekt sein wird.

Diesen Moment gibt es nicht. «Irgendwas ist halt immer».

Eigentlich wollte ich hier über die Leichtigkeit des Sommers schreiben, von meiner Tochter erzählen, die zusammen mit ihrer Partnerin kurzerhand das Zelt in unserem Garten aufgestellt hat, oder vom letzten «zäme wyter dänke» berichten, das wir dank den äusseren Bedingungen ins Aare-Beizli verlegten und bei dem wir Mitten im Leben eben diesem Leben nachspürten.

Doch gerade bleibe ich bei diesem «Irgendetwas ist halt immer» hängen und es wird mir wieder bewusst, warum ich nichts von Positivem Denken halte, aber sehr viel von Positiver Psychologie.

Wer sich das Leben schönredet und dieses «Irgendetwas ist halt immer» auf billige Weise runterzuspülen, zu verdrängen versucht, belügt sich selbst. Schönreden, was nicht schön ist, macht wenig Sinn. Viel eher kann es zum Bumerang, zur Zeitbombe werden.

In der Positiven Psychologie hingegen geht es darum, sich das «Irgendetwas ist halt immer» nicht wegzudenken oder schönzureden, sondern sich damit zu versöhnen: Das Leben besteht aus Schönem und Schwierigem. Erst wenn wir beides integrieren, können wir das Leben gestalten und feiern.

Den Moment feiern – trotzdem

Vielleicht geht es darum, sich nicht zu zergrübeln. Ob persönlich oder im Blick auf die Weltlage, es gibt die Momente, in denen mensch in Gefahr steht, aufs Gedankenkarussell aufzuspringen und eine Runde nach der anderen zu drehen. Mit Vorliebe nachts um drei Uhr – an Schlaf ist da vorerst nicht mehr zu denken.

Wenn es einmal dreht, dieses Gedankenkarussell, ist es kaum mehr zu stoppen. Dazu mag ich keine simplen Tipps geben, da ich es selbst ja auch nicht schaffe, einfach mal so locker von diesem Karussell herunterzuspringen.

Aber ich versuche, ein «Sowohl als auch» zu leben: Trotz den Herausforderungen, die mich bis in die Nacht beschäftigen, schöne Momente zu leben, feiern und geniessen.

 «Viva la Vida» heisst einer der bekannten Songs der populären Band Coldplay. Den Text zu interpretieren ist ne Aufgabe für sich. Was ich darin sehe, passt zu dieser hier beschriebenen Ambivalenz des Lebens: «Eine Minute lang hielt ich den Schlüssel. Danach wurden die Mauern um mich herum verschlossen. Und ich entdeckte, dass meine Burgen auf Säulen aus Salz und Säulen aus Sand standen.»

Kurz gesagt: «Irgendetwas ist halt immer». Wir haben das Leben nicht im Griff.

Trotzdem bleibt das Leben ein wunderbares Geschenk. Jeder Mensch, der atmet und ein pulsierendes Herz unter seiner Brust trägt, ist ein Kuss des Himmels!

Und so will ich, ob strahlender Sommertag oder Regenschauer, ob Freudentag oder Trauerphase, mit einer Haltung durchs Leben gehen, die mich daran erinnert: «Kann Spuren von Ewigkeit enthalten!».

Glücksaufgabe

Was immer du heute zu feiern hast, feiere es!

Ohne zu ignorieren, dass auch das stimmt: «Irgendetwas ist halt immer.»

Das Leben ist beides. Und darum hat es mich in den letzten Wochen immer wieder ermutigt, wenn ich das bekannte Methodisten-Zitat von John Wesley hörte: «Das beste an allem ist, dass Gott mit uns ist!»

Viva la Vida – Lebe das Leben.

PS: Ich liebe die Musik der Band Coldplay. Dieses Musikvideo eines anderen bekannten Songs (A Sky Full Of Stars) transportiert die Lebensfreude und Leichtigkeit, die ich uns wünsche – auch gerade dann, wenn wir vielleicht durch harte Zeiten gehen:

Glaub dich glücklich!

Ja, ich weiss, das klingt viel zu simpel. Und überhaupt: Ist der Glaube wirklich für unser Glück zuständig? Was heisst schon Glauben? Und vielleicht noch schwieriger: Was ist schon Glück?

Wer hier regelmässig vorbeischaut, hat hoffentlich eine Ahnung von dem, was ich unter Glück verstehe. Es geht mir nicht um ein Leben im ständigen «Happy Hour»-Modus – nicht Easy-Life ist das Ziel, sondern ein ganzheitliches Wohlbefinden und eine Lebenszufriedenheit, in der wir mit dem Schönen und Schwierigen unseres Lebens versöhnt sind, sind gemäss meiner Glücks-Definition und der Idee vom «Shalom-Leben» anzustreben.

Und dazu haben diese Woche zwei Artikel meine Aufmerksamkeit in besonderem Masse geweckt.

Die eine Quelle der Inspiration war, wie so oft, die NZZ am Sonntag. Peer Teuwsen hält uns mit seiner Kolumne «Die Schamlosigkeit hat auch mit uns zu tun» knallhart den Spiegel vor die Nase: Zu einfach sei es, sich an der Schamlosigkeit des neuen politischen Stils zu empören. Und in Vergessenheit geraten sei sie, die Volksweisheit, «dass Bescheidenheit eine Zier sein kann. Dass es christliche Pflicht ist, zu Lebzeiten Gutes zu tun, vor allem anderen, nicht bloss sich selbst.»

Was er stattdessen beobachtet, wirkt wie entblössende Gesellschaftskritik:

Die Zeichen der Zeit sind andere. Viele Schweizerinnen und Schweizer ramassieren, was sie nur bekommen können. Sie reisen in einer Kadenz in ferne Länder, als hätten sie Krebs im Endstadium und wollten ein letztes Mal die Schönheit der Welt bestaunen. … Sie verkaufen ihre Häuser und Wohnungen einfach an den Meistbietenden. Man wählt links und investiert sein Geld, das nicht selten ein geerbtes ist, gleichzeitig in Aktien von Waffenherstellern. Hauptsache, die Rendite stimmt.

Gnadenlos fällt das Fazit aus: «Mehr Widerspruch und weniger Engagement für das Gemeindewohl waren selten. Nur eins scheint klar: Alle wollen mehr von allem. Haben statt Sein.»

Nein, es ist nicht mein Stil, hier mit den Ausführungen von Peer Teuwsen den moralischen Zeigefinger aufzustrecken und über den katastrophalen Zustand der Gesellschaft zu lamentieren. Einerseits gibt es natürlich neben diesen, vom Autoren selbst so benannten, überspitzen Aussagen ganz viel schöne Beispiele die von Mitmenschlichkeit, Grosszügigkeit und Gemeinschaftssinn zeugen – auch in unserer Zeit.

Anderseits will ich nur fragen, ob uns der egozentrische Lebensstil der Schamlosigkeit wirklich nachhaltig glücklich macht. Mag die dritte Kreuzfahrt oder der fünfte Städtetrip innerhalb eines Jahres wirklich unser Wohlbefinden nachhaltig verbessern?

Da kommt der zweite Artikel ins Spiel. Im Dienstagsmail war diese Woche zu lesen:

Spiritualität ist eine wichtige Ressource für das Leben – in vielen Bereichen eine Wohltat. Ein christlicher Lebensstil reduziert die Sterblichkeit und ist ein Jungbrunnen bezüglich Langlebigkeit (Longevity). … Neue Studien zeigen auch, dass die feste Zugehörigkeit zu einer Kirche dem Leben gut tut. Die Teilnahme an Gottesdiensten kann die Gesundheit fördern, weil sie soziale Integration verbessert, gesundheitliche Verhaltensweisen reguliert, ein Gefühl von Sinn vermittelt und den Charakter stärkt.

Ich will nicht verheimlichen, dass Glaube auch krank machen kann. Doch die Glücksforschung hat längst entdeckt, dass nicht Egoismus, sondern Gemeinschaft und Mitmenschlichkeit uns nachhaltig glücklich machen. Und genau das, verbunden mit einer Transzendenzerfahrung, also der Verbindung mit dem Göttlichen, ist die grosse Chance einer Glaubensgemeinschaft.

Es ist mein Traum und mein Bestreben, Räume zu schaffen, in denen unterschiedlichste Menschen genau das erleben dürfen.

Glücksaufgabe

Wo fühlst du dich vielleicht ertappt in den gesellschaftskritischen Ausführungen von Peer Teuwsen? Macht dich immer mehr haben zu wollen statt mehr in Verbundenheit zu sein wirklich zufriedener?

Und wie hast du es mit dem Glauben? Macht er dich glücklich? Vielleicht magst du ja mal ausprobieren, ob die Studien wirklich recht haben …

Übrigens, auch wenn mein GlücksBuch bald sein 10jähriges Jubiläum feiert, die Frage nach dem Glück bleibt aktuell: Glück finden – hier und jetzt.

Wo Welten aufeinanderprallen

«Wurde da gerade der letzte «Servant Leader» zu Grabe getragen?» kann sich fragen, wer vergangenen Samstag auf Rom blickte.

Es gab eine Zeit, da war dieser dienende Führungsansatz hoch im Kurs – und zwar nicht bloss in sozialen und kirchlichen Kreisen, wo es ja von Natur aus nur so von «Gutmenschen» wimmelt.

Nein, auch CEOs von internationalen Top-Firmen setzten auf diesen Ansatz, bei dem die Führungsperson eine vertrauensvolle und wertschätzende Atmosphäre schafft, in der sich die Mitarbeitenden wohl und unterstützt fühlen, ihre Fähigkeiten und Potenziale entfalten und eigenverantwortlich handeln können und Vorgesetzte dazu da sind, ihre Mitarbeitenden darin zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen. 

Die «Servant Leadership»-Philosophie geht auf den Managementforscher Robert K. Greenleaf und die 1970er Jahren zurück. Tatsächlich haben laut Wikipedia mehrere empirische Studien aufzeigt, dass «der Servant Leadership-Ansatz einen starken Einfluss auf die Jobzufriedenheit der Mitarbeiter:innen» hat.

Natürlich wurde der dienende Führungsansatz nicht erst in den 1970er Jahre erfunden. Das Vorbild einer solchen Führungsperson ist unbestritten Jesus. Er hat die entsprechenden Werte gelehrt und verkörpert: Empathie, starker Gemeinschaftssinn, Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Vertrauen, Zuhören, Wertschätzung, Glaubwürdigkeit …

Er setzte nicht auf beherrschende Machtkonzepte, sondern auf die sogenannten «Soft Skills». Seine Stärke war seine Schwäche, seine Verletzlichkeit.

Jesus, Franziskus & Trump

Weltweit sind alle (Christen)Menschen dazu eingeladen, dem Vorbild Jesu nachzufolgen. Und einer dieser Nachfolger Jesu wurde letzte Woche in Rom zu Grabe getragen. Papst Franziskus verstand sich stets als Diener. Er folgte dieser Jesus-Spur – er machte sich klein und wurde gerade dadurch populär und berührte die Herzen vieler.

Und das hatte Strahlkraft. Solche Strahlkraft, dass Nicole Althaus in der NZZ am Sonntag (27. April 2025) denkwürdige Zeilen über das «Aufeinanderprallen zweier Welten» schrieb:

Franziskus, der sich wie kein anderer Papst der Moderne ein Leben lang für die Schwächsten am Rand der Gesellschaft eingesetzt hatte, ist tot. Platz im Zentrum nahmen nun die Mächtigsten, unter ihnen solche, die Stärke zur Religion erhoben haben.

Als sei das Requiem für den Papst von einem Regisseur aus dem Marvel-Universum inszeniert worden, erwies allen voran Donald Trump, der selbsternannte Auserwählte Gottes, dem obersten Glaubenshüter die letzte Ehre.

Der Mann des Deals verabschiedete sich vom Mann der Demut.
Narzissmus beerdigte die Nächstenliebe.
Masslosigkeit die Bescheidenheit.
Egozentrik die Empathie.

Ja, Papst Franziskus war ein eindrückliches Beispiel eines «Servant Leaders». Durch ihn strahlten Werte wie Nächstenliebe und Demut wieder auf dem Wertekompass auf.

Es schaudert mich, wenn auf der anderen Seite Machthaber dieser Welt – oft sogar als selbsternannte Auserwählte Gottes – genau diese Werte mit ihren Füssen treten.

Statt Mitgefühl zu zeigen, grenzen sie aus.

Statt zu dienen, bedienen sie sich.

Statt zu lieben, beuten sie aus.

Das «Aufeinanderprallen zweier Welten», wie es Nicole Althaus in der NZZ am Sonntag so trefflich formulierte, wurde bereits vor der Zeit Jesus ebenso eindrücklich beschrieben.

Im Buch Hesekiel in der Bibel findet sich in Kapitel 34 eine Gegenüberstellung der selbstherrlichen Hirten mit den dienenden Hirten.

Trump & Co. wollen uns gerade weis machen, es gelte das Recht des Stärkeren und das Leben bestünde aus Deals.

Das ist einfach nicht wahr!

Erst recht nicht, für die, welche sich auf die Jesus-Spur begeben wollen: Unser Held war ein Märtyrer. Der Gottessohn, der aus Liebe zu den Menschen sein Leben gibt und so zum Retter wird.

Und dadurch entspricht er nicht dem gängigen Heldentypus: Jesus suchte nicht Ehre, Macht, Ruhm und die Bestätigung, dass er der Beste ist.

Er zeigte Mitgefühl.

Er diente.

Er liebte.

Und dazu sind auch wir eingeladen!

Glücksaufgabe

Von wem lässt du dich inspirieren?
Für dein Menschsein?
Für dein Führungspersonsein?

Glück im Job?

«Ich träume von einer Welt, in der Träume wahr werden – vielleicht bewerbe ich mich in der Filmindustrie», mit diesen Worten hab ich kürzlich versucht meine Gefühlslage zu beschreiben.

Es ist die Schattenseite des Lebens und Arbeitens als Visionär: Ich stelle mir vor, wie die Dinge in Zukunft sein könnten. Doch die Lücke zur Realität in der Gegenwart bringt den Glauben an die Träume manchmal arg ins Schleudern.

«Träume sind wie Schäume», sagen die einen. Und ich erwidere im Blick auf mein Leben: «Meine Träume haben viel bewegt, durften – wenn auch nicht in ‘voller Grösse’ – an manchen Stellen wahr werden und waren die Gefühlsachterbahn auf dem Weg dahin wert.»

Wären wir alle Visionär:innen, würden wir eine grössere Traumwelt fabrizieren als die Traumfabrik in Hollywood.

Gut, dass es nicht so ist. Doch eines geht uns alle an: Welche Erwartungen haben wir an unseren Job? Ist unser Beruf, vielleicht gar unsere Berufung, da, um uns glücklich zu machen? Oder jobben wir bloss, um unser Leben(sglück) zu finanzieren?

Für mich kann ich mir ein Job ohne Erfüllung, ohne Sinnstiftung schlicht nicht vorstellen. Und so ist auch klar, dass ich mich mit der sogenannten resignativen Arbeitsplatzzufriedenheit sehr schwertue. Aber muss es für alle so sein? Ist es nicht auch ein unheimlicher Druck, wenn Beruf immer auch gleich Berufung sein muss? Was ist mit all den Jobs, die einfach von irgendjemandem erledigt werden müssen?

«Wir glauben, dass unsere Arbeit uns immer erfüllen muss.»

Dieses Zitat vom Psychotherapeuten Claas Lahmann stand neulich in grossen Lettern im «NZZ am Sonntag Magazin» und weckte sofort mein Interesse.

Und tatsächlich brachte das Interview mit dem Experten zu Arbeitsgesundheit einige sehr interessante Erkenntnisse zutage:

Laut Lahmann muss uns unsere Arbeit nicht immer glücklich machen, aber es gibt einige Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit unser Job ein gesundes Arbeiten ermöglicht.

Als erstes wird der eigene Gestaltungsspielraum (Anforderung und Autonomie) genannt: Was kann ich hier bewegen, selbst gestalten?

Ein zweites Prinzip ist ein gutes Verhältnis von Geben und Nehmen: Was bekomme ich hier alles? Und was investiere ich?

Da wir äusserst empfindlich auf Ungerechtigkeit reagieren, ist ein weiteres wichtiges Prinzip die Gerechtigkeit: Werden hier alle Leute fair behandelt?

«Aber das kraftvollste der vier Prinzipien», sagt Claas Lahmann im Magazin-Interview, «ist das der psychologischen Sicherheit.»

Fühle ich mich gesehen, wertgeschätzt und aufgehoben? So dass ich mich traue Fragen, Ideen und auch mal Kritik einzubringen? Beste Ideen gehen verloren, weil sie nicht geäussert werden (dürfen). Ganze Unternehmen geraten arg in Schieflage, weil keine:r da ist, etwas in Frage zu stellen.

Mir gefallen diese Ansätze sehr gut, weil sie einerseits zu dem passen, was ich schon vor 25 Jahren auf Leadership-Konferenzen bei Willow Creek hörte, und anderseits ist es genau das, was wir als gms seeland versuchen: Begegnungsorte zu schaffen, die für unterschiedlichste Menschen zu «Safe Places» werden. Orte, wo sie sich gesehen, wertgeschätzt, angenommen und geliebt fühlen.

Doch wie schaffen wir das? Am Arbeitsplatz? In der Kirche?

Sind da immer nur die Führungskräfte, Chefs und Pfarrers dafür zuständig. Natürlich haben die eine besondere Verantwortung, wenn es darum geht, die Kultur zu prägen.

Doch auch wenn sie dieser Aufgabe nicht gerecht werden, gibt es laut Lahmann noch Hoffnung: «Veränderung beginnt immer bei dem ersten Menschen, der etwas verändert.» Wenn es mir wichtig ist, dass sich das Klima (am Arbeitsplatz, in meiner Gruppe, in der Kirche …) verändert, kann ich in kleinen Schritten in meinem nächsten Umfeld die Veränderung sein.

Eine Anekdote aus dem gestrigen Talk mit Florian Wüthrich bei «Chäs, Brot, Wy – und mini Gschicht mit Gott» beweist, dass dies tatsächlich möglich ist: Er erzählte, wie eine Mitarbeiterin im Lokalradio ab dem ersten Tag die Stimmung im Team veränderte.

Eine Person kann den Unterschied machen – und so vielleicht den entscheidenden Beitrag leisten, damit Träume wahr werden.

Bist du diese Person?

Glücksaufgabe

Auf dem Buchdeckel meines aktuellen Tagebuchs steht «If you can dream it, you can do it.» (Wenn du es träumen kannst, kannst du es tun.)

Ich weiss selbst, dass dieses Zitat aus dem Hause Walt Disney in die Kategorie «schöne Kalendersprüche» gehört und nicht immer hilfreich ist.

Und trotzdem: Wo kann ich dazu beitragen, dass Träume wahr werden?