Neues mutig umarmen

Corona hat alles verändert …

Vor Corona hatten wir zwei Kinder –
nach Corona lebten zwei Erwachsene mit uns zusammen.

Vor Corona gingen wir regelmässig in Familien-Skiferien –
nach Corona gab es nur noch ad hoc Skitage mit Teilen der Familie.

Vor Corona führten wir ein Familien-Jahrbuch und sammelten Dankbarkeits-Zettel in einem grossen Glas. Nach Corona blieb das Glas leer (dankbar waren wir hoffentlich trotzdem).

Traditionen verändern sich, Liebgewonnenes bricht weg, alte Gewohnheiten fehlen uns.

Zurück bleiben Wehmut, Trauer, Schmerz.

Unsicherheit macht sich breit, weil wir uns nicht mehr orient­ieren können.

Und Ohnmacht, weil ein Vakuum entsteht.

Gleichzeitig bleibt da hoffentlich ganz viel Dankbar­keit im Herzen – für all das, was uns geschenkt wurde.

Wenn ich das so anschaue, war Corona für mich – wie für viele andere auch – eine biografische Bruchstelle: Was vorher war, kam nicht mehr zurück. Als Familie gingen wir in die Pandemie rein – tatsächlich waren wir zu viert auf einem Kongress engagiert, als Corona hier ausbrach. Als WG kamen wir aus der Pandemie heraus.

Ich vermisse einiges von vorher: Familien-Skiferien in Schruns ganz besonders. Gedanken an früher stimmt mich melancholisch und wehmütig. Doch ich will dankbar im Herzen bewahren, was wir als Family zusammen erleben durften – es gab so viele Highlights!

Und ganz ehrlich: Ich stehe auch in Gefahr, die Familien­phase zu idealisieren. Neben dem Schönen gab es auch Schwieriges – das blenden wir so gerne aus. Selbst die schönen Familienrituale wie Jahresbuch und Dankbarkeits-Glas waren genug oft mehr Knorz als Freude.

Das Vergangene würdigen und loslassen

Diese Corona-Zeilen brauchte ich letzten Sonntag als Predigteinstieg beim ersten Bezirks-Begegnungstag vom «gms seeland».

Dieser Tag startete mit dem letzten Gottesdienst in der EMK Kapelle Lyss – für viele ebenfalls eine Bruchstelle: Aus dem Zusammenschluss mehrerer Gemeinden ist eine Netzwerkkirche mit verschiedenen Standorten entstanden. Um das Neue umarmen zu können, heisst es jetzt auch, Liebegewonnenes loszulassen.

Vor dem Loslassen gilt es, das Vergangene zu würdigen:

Was war da Freudiges, das ich im Herz bewahren will?
Und welcher Schmerz bleibt zurück?
Menschen, die fehlen.
Gefühle, die ich mit Vergangenem verbinde.
Vorstellungen und Bilder davon, wie es sein sollte.

Wenn unsere Arme – und Kopf & Herz – noch voll sind, können wir das Neue nicht umarmen: Wir sind noch besetzt.

In diesem Bild steckt auch eine Gefahr, wir wollen schliesslich nicht im Dualismus landen: Neu gegen Alt. Loslassen und Umarmen. Entweder-oder.

Denn egal ob Gemeinde-/Kirchenfusion, andere Zusammenschlüsse oder sonst sich ändernde Lebensumstände: Zum Neuen bringen wir mit, was uns anvertraut ist, was uns ausmacht. Wir müssen nicht alles los­lassen. Und gleichzeitig ist das Loslassen sehr wichtig, weil wir in unseren Armen, in Kopf und Herz Platz brauchen, um Neues zu umarmen, damit neues Leben entstehen kann.

In Veränderungsprozessen überhöhen wir oft die Vergangenheit – früher war alles besser. Doch wollen wir «die guten alten Zeiten» wirklich zurück? Die Welt hat sich verändert, wir haben uns verändert. Was wir vermissen, sind möglicherweise die Gefühle von damals. Unsere Jugend, die Leidenschaft, Geborgen­heit, das Miteinander…

Würdige den Schmerz – und lerne gleichzeitig loszulassen.

Es gibt Situationen und Veränderungen, die schaffen wir nicht allein. Wir sollten mit unserem Schmerz nicht allein bleiben!  Oft hilft ein Gespräch mit einem:einer Freund:in und manchmal würde uns seelsorgerische/psychologische Unterstützung dazu befreien, Neues in unserem Leben zu umarmen.

Aus dem guten Samen der Vergangenheit kann etwas Neues entstehen.

Glücksaufgabe

Steckst du gerade in einem Veränderungsprozess? Was willst du dankbar im Herzen bewahren? Und welchen Schmerz möchtest du bewusst loslassen? Was oder wer kann dir dabei helfen?

Ich bin grün – äh, oder gelb?

Was für ein schönes und irreführendes Bild: Da fährt ein unverkennbar traditionell eingefärbtes Postauto (sprich: ein gelber Bus) durch die schönsten Schweizer Landschaften und behauptet per Aufdruck tatsächlich: «Dieses Postauto ist grün».

Unsere Gesellschaft produziert gerade reihenweise Menschen auf der Suche nach ihrer Identität – in einer Multioptions-Welt, in welcher glücklicherweise viele soziale Normative kritisch hinterfragt werden, sind Menschen eingeladen (oder gar gezwungen?), sich selbst zu (er)finden, statt einer bestimmten Norm zu entsprechen.

Doch dass dieser Trend nun auch auf die Postautos überschwappt, kann zu denken geben: Bin ich jetzt gelb? Oder doch grün?

In meiner Predigt «Was ist es dir wert?» der neuen Themenserie «Nice to meet you! – Schön, dich zu sehen!» habe ich über das gute Leben und Werte, die lebenswert sind, nachgedacht.

Einer meiner persönlichen Werte, die ich in der Predigt kurz vorgestellt habe, ist «Transparenz» im Sinn von: Ich bin echt, wahrhaftig, mein Reden und Handeln ist authentisch.  

Doch Transparenz ist für mich deutlich mehr als ein Imperativ. Es ist eben grad nicht mit der Aufforderung zur Authentizität gemacht: «Sei transparent!».

Viele Menschen wären gerne transparent, merken aber, dass ihre Mitmenschen mit der nackten Wahrheit schlicht überfordert – oder mindestens irritiert – wären. Grad wie wenn wir ein gelbes Postauto sehen, das von sich behauptet, grün zu sein.

Darum ist für mich der Wert Transparenz nicht bloss Anspruch an meine Aufrichtigkeit, sondern auch meine Anfrage an mein Gegenüber: Darf ich transparent sein? Darf ich so sein, wie ich wirklich bin? Kannst du damit umgehen, dass ich vielleicht grün statt gelb bin?

Solche «Safe Places», in denen sich alle Menschen sicher fühlen können und unabhängig von Her­kunft, Geschlecht, Religion, sexueller Orientierung oder anderen Merkmalen in ihrem unkaputtbaren Wert geachtet werden, sind leider selten.

«Die Würde des Menschen ist unantastbar» ist so schnell gesagt, erfährt viel Zustimmung und ist mehrheitsfähig, um in ein Grundgesetz geschrieben zu werden.  Doch im täglichen Miteinander ist es dann doch nicht mehr so einfach: Wir alle haben (normative) Bilder im Kopf, die unser Denken, Fühlen und Handeln prägen.

Ein Postauto ist gelb.
Punkt!

Ein:e Schweizer:in fährt Ski –
und ist neutral.
Punkt!

Ein Mensch ist männlich oder weiblich.
Punkt!

Tatsächlich ist das wirkliche Leben dann doch um einiges komplizierter. Eigentlich spüren wir das auch und können es in unserem Leben oder in unserem Umfeld beobachten.

Ja, die Komplexität bringt einige neue Herausforderungen mit sich und das Leben wird dadurch selbstredend nicht einfacher sondern komplizierter. Trotzdem erlebe ich es als befreienden Fortschritt, dass immer mehr Menschen nicht mehr gewillt sind, sich unkritischen den vorgegebenen Normen zu beugen. Nicht selten sind nämlich genau diese Normen Resultat einer (patriarchalen) Machtstruktur, die gewisse Gruppen oder den einzelnen Menschen kleinhalten wollen.

Darum: Geben wir einander Raum.
Lassen wir doch das Postauto grün sein.

Vielleicht muss ich mich von liebgewonnen Bildern verabschieden. Oft überhöhen und idealisieren wir solche Bilder. Einfach weil sie doch ein so wohlig-warmes Erinnerungsgefühl in uns auslösen: Ach, dieses gelbe Poschi auf der Passstrasse mit dem tü-ta-ta-Klang.

Normen schaffen Identitäten – für die, die dem normativen Mainstream entsprechen.

Aber Normen schaffen auch Identitätskrisen – für alle, die ihnen nicht entsprechen.

Transparenz und Authentizität werden heute (zu Recht) von vielen erwartet. Doch sind wir auch bereit Menschen den sicheren Rahmen zu geben, ihre Identität wahrhaftig zu leben – auch wenn sie von der gängigen Norm abweicht?

Denn: Vielleicht ist das gelbe Postauto in Wahrheit grün.

Glücksaufgabe

Wann hast du dich zuletzt so sicher gefühlt, dass du deinem Gegenüber etwas ganz Persönliches, das vielleicht noch niemand von dir wusste, anvertraut hast?

Wie gut gelingt es dir, normative Bilder loszulassen und Menschen einfach zu nehmen, wie sie sind?  

(Foto-Credits: Peter Hofer)

Dauerhaft geschlossen

Und plötzlich steht da auf Google Maps unter einem Lieblingsort: «Dauerhaft geschlossen». Ein solcher Ort ist die Bar in The Signature Room im 95. Stockwerk des John Hancock Center in Chicago.

Zuerst wurde der Wolkenkratzer vor einigen Jahren umbenannt, und jetzt ist also auch das Restaurant mit der atemberaubenden Aussicht Geschichte.

In diesen Tagen werde ich doppelt wehmütig, wenn ich daran denke: Heute findet in Chicago der Global Leadership Summit statt. Leider ohne mich.

Wie oft waren wir dort, haben die Inspiration aufgesogen, Begegnungen genossen, Grosses geträumt, Familienerinnerungen geschaffen, Freundschaften geschlossen, Beziehungen vertieft, sind in die Grossstadt eingetaucht: Die Skyline vom Wasser aus, die Skyline bei Sonnenuntergang …

Und eben: Die Skyline von oben. Irgendwer hat uns damals vor einem Vierteljahrhundert mit diesem Geheimtipp vertraut gemacht: Kauft kein Ticket für eine Aussichtsplattform, nehmt gratis den Lift in The Signature Room, geniesst dort was zu trinken und erhält die Aussicht geschenkt dazu. (Am besten sei diese übrigens von der Damentoilette aus, sagt frau; ich konnte es leider nicht überprüfen.)

Das Leben entwickelt sich

So gehörte seither zu praktisch all meinen Chicago-Besuchen die rasante Liftfahrt ins 95. Stockwerk vom Hancock dazu.

Ich vermisse es. Die Stadt. Die Begegnungen. Die Willow Freunde. Die Studienreise. Der Summit. Die Willow Gemeinde. Und ja, auch Bill Hybels (ohne schönreden zu wollen, was da nicht schön war).

Dauerhaft geschlossen.

So geht es: Das Hancock Center ist nicht mehr, was es einmal war. Willow ist nicht mehr, was es einmal war. Und ich bin auch nicht mehr, wer ich einmal war.

Entwicklung gehört zum Leben dazu. Manches lassen wir bewusst zurück, anderes wird uns gegen unseren Willen genommen. Wir brechen auf zu neuen Horizonten, mal ganz freiwillig, mal aufgezwungen, weil uns das Leben mit Situationen konfrontiert, die wir uns nie selbst ausgesucht hätten.

«Dauerhaft geschlossen» sind aber nicht nur Restaurants und andere Betriebe auf Google Maps. «Dauerhaft geschlossen» ist auch das, was mir in den Sinn kommt, wenn ich an gewisse Lebensgeschichten denke.

Das ist doch kein Zustand

Da leben Menschen im fortgeschrittenen Alter so gar nicht versöhnt mit ihrer eigenen Biografie. Ihr Leben ist eine Qual, die Mitmenschen kümmern sich zu wenig und überhaupt: Die Welt ist schlecht – und so sündig!

Da hilft nur noch beten – oder sterben.

Aber beides will nicht so recht funktionieren.
Sterben dürfen andere, leben auch.

Und der liebe Gott kümmert sich wohl auch nur um die anderen.

Naja, vielleicht würde Gott ganz gerne helfen: Durch einen Besuch beim Arzt oder Psychologen …

«Dauerhaft geschlossen» – das ist doch kein Zustand! Mensch ist noch da (wie der Eintrag auf Google Maps), aber lebt irgendwie doch nicht mehr.

Ich weiss selbst, dass das Leben nicht immer ein Honigschlecken ist. Es gibt Phasen der Trauer, nachdenkliche Perioden, unsichere Aussichten oder schmerzhafte Erinnerungen. Das alles gehört zum Leben dazu. Und wenn wir es schaffen, uns damit zu versöhnen, kann sich das Shalom-Leben in uns entwickeln.

Manchmal scheint uns unvorstellbar, wie wir neue Lebensfreude gewinnen können, aber «Dauerhaft geschlossen»?
Das wäre Selbstaufgabe.
Exit ohne Exit-Strategie.
Leben, ohne zu leben.
Sterben, ohne zu sterben. 

Das wünsche ich niemandem.

Glücksaufgabe

Sind dir auch schon solche «Dauerhaft geschlossen»-Menschen begegnet? Wo stehst du vielleicht selbst in Gefahr, ein solcher Mensch zu sein?

Wo erhältst du (freundschaftliche oder professionelle) Hilfe im Umgang mit schwierigen Lebenssituationen?

Und zu guter Letzt: Warum ist dein Leben lebenswert?

Viva la Vida

Wenn nicht jetzt, wann dann? Baden in der Aare, lange Sommerabende, Freunde treffen, sich und das Leben feiern …

Aber halt, darf mensch das Leben feiern, wenn die Welt einmal mehr Kopf steht und ich beispielsweise an einer Armeeseelsorger:innen-Tagung Sätze wie «Wir müssen wieder über unseren Umgang mit töten und getötet werden nachdenken.» hören muss?

«Irgendwas ist halt immer», pflegt ein Herzensmensch zu sagen. Das kann unsere Feierlaune in eine kleinere bis grössere depressive Verstimmung kippen lassen. Oder aber uns vor Augen führen: Es lohnt sich nicht, auf den Moment zu warten, in dem alles perfekt sein wird.

Diesen Moment gibt es nicht. «Irgendwas ist halt immer».

Eigentlich wollte ich hier über die Leichtigkeit des Sommers schreiben, von meiner Tochter erzählen, die zusammen mit ihrer Partnerin kurzerhand das Zelt in unserem Garten aufgestellt hat, oder vom letzten «zäme wyter dänke» berichten, das wir dank den äusseren Bedingungen ins Aare-Beizli verlegten und bei dem wir Mitten im Leben eben diesem Leben nachspürten.

Doch gerade bleibe ich bei diesem «Irgendetwas ist halt immer» hängen und es wird mir wieder bewusst, warum ich nichts von Positivem Denken halte, aber sehr viel von Positiver Psychologie.

Wer sich das Leben schönredet und dieses «Irgendetwas ist halt immer» auf billige Weise runterzuspülen, zu verdrängen versucht, belügt sich selbst. Schönreden, was nicht schön ist, macht wenig Sinn. Viel eher kann es zum Bumerang, zur Zeitbombe werden.

In der Positiven Psychologie hingegen geht es darum, sich das «Irgendetwas ist halt immer» nicht wegzudenken oder schönzureden, sondern sich damit zu versöhnen: Das Leben besteht aus Schönem und Schwierigem. Erst wenn wir beides integrieren, können wir das Leben gestalten und feiern.

Den Moment feiern – trotzdem

Vielleicht geht es darum, sich nicht zu zergrübeln. Ob persönlich oder im Blick auf die Weltlage, es gibt die Momente, in denen mensch in Gefahr steht, aufs Gedankenkarussell aufzuspringen und eine Runde nach der anderen zu drehen. Mit Vorliebe nachts um drei Uhr – an Schlaf ist da vorerst nicht mehr zu denken.

Wenn es einmal dreht, dieses Gedankenkarussell, ist es kaum mehr zu stoppen. Dazu mag ich keine simplen Tipps geben, da ich es selbst ja auch nicht schaffe, einfach mal so locker von diesem Karussell herunterzuspringen.

Aber ich versuche, ein «Sowohl als auch» zu leben: Trotz den Herausforderungen, die mich bis in die Nacht beschäftigen, schöne Momente zu leben, feiern und geniessen.

 «Viva la Vida» heisst einer der bekannten Songs der populären Band Coldplay. Den Text zu interpretieren ist ne Aufgabe für sich. Was ich darin sehe, passt zu dieser hier beschriebenen Ambivalenz des Lebens: «Eine Minute lang hielt ich den Schlüssel. Danach wurden die Mauern um mich herum verschlossen. Und ich entdeckte, dass meine Burgen auf Säulen aus Salz und Säulen aus Sand standen.»

Kurz gesagt: «Irgendetwas ist halt immer». Wir haben das Leben nicht im Griff.

Trotzdem bleibt das Leben ein wunderbares Geschenk. Jeder Mensch, der atmet und ein pulsierendes Herz unter seiner Brust trägt, ist ein Kuss des Himmels!

Und so will ich, ob strahlender Sommertag oder Regenschauer, ob Freudentag oder Trauerphase, mit einer Haltung durchs Leben gehen, die mich daran erinnert: «Kann Spuren von Ewigkeit enthalten!».

Glücksaufgabe

Was immer du heute zu feiern hast, feiere es!

Ohne zu ignorieren, dass auch das stimmt: «Irgendetwas ist halt immer.»

Das Leben ist beides. Und darum hat es mich in den letzten Wochen immer wieder ermutigt, wenn ich das bekannte Methodisten-Zitat von John Wesley hörte: «Das beste an allem ist, dass Gott mit uns ist!»

Viva la Vida – Lebe das Leben.

PS: Ich liebe die Musik der Band Coldplay. Dieses Musikvideo eines anderen bekannten Songs (A Sky Full Of Stars) transportiert die Lebensfreude und Leichtigkeit, die ich uns wünsche – auch gerade dann, wenn wir vielleicht durch harte Zeiten gehen:

Glaub dich glücklich!

Ja, ich weiss, das klingt viel zu simpel. Und überhaupt: Ist der Glaube wirklich für unser Glück zuständig? Was heisst schon Glauben? Und vielleicht noch schwieriger: Was ist schon Glück?

Wer hier regelmässig vorbeischaut, hat hoffentlich eine Ahnung von dem, was ich unter Glück verstehe. Es geht mir nicht um ein Leben im ständigen «Happy Hour»-Modus – nicht Easy-Life ist das Ziel, sondern ein ganzheitliches Wohlbefinden und eine Lebenszufriedenheit, in der wir mit dem Schönen und Schwierigen unseres Lebens versöhnt sind, sind gemäss meiner Glücks-Definition und der Idee vom «Shalom-Leben» anzustreben.

Und dazu haben diese Woche zwei Artikel meine Aufmerksamkeit in besonderem Masse geweckt.

Die eine Quelle der Inspiration war, wie so oft, die NZZ am Sonntag. Peer Teuwsen hält uns mit seiner Kolumne «Die Schamlosigkeit hat auch mit uns zu tun» knallhart den Spiegel vor die Nase: Zu einfach sei es, sich an der Schamlosigkeit des neuen politischen Stils zu empören. Und in Vergessenheit geraten sei sie, die Volksweisheit, «dass Bescheidenheit eine Zier sein kann. Dass es christliche Pflicht ist, zu Lebzeiten Gutes zu tun, vor allem anderen, nicht bloss sich selbst.»

Was er stattdessen beobachtet, wirkt wie entblössende Gesellschaftskritik:

Die Zeichen der Zeit sind andere. Viele Schweizerinnen und Schweizer ramassieren, was sie nur bekommen können. Sie reisen in einer Kadenz in ferne Länder, als hätten sie Krebs im Endstadium und wollten ein letztes Mal die Schönheit der Welt bestaunen. … Sie verkaufen ihre Häuser und Wohnungen einfach an den Meistbietenden. Man wählt links und investiert sein Geld, das nicht selten ein geerbtes ist, gleichzeitig in Aktien von Waffenherstellern. Hauptsache, die Rendite stimmt.

Gnadenlos fällt das Fazit aus: «Mehr Widerspruch und weniger Engagement für das Gemeindewohl waren selten. Nur eins scheint klar: Alle wollen mehr von allem. Haben statt Sein.»

Nein, es ist nicht mein Stil, hier mit den Ausführungen von Peer Teuwsen den moralischen Zeigefinger aufzustrecken und über den katastrophalen Zustand der Gesellschaft zu lamentieren. Einerseits gibt es natürlich neben diesen, vom Autoren selbst so benannten, überspitzen Aussagen ganz viel schöne Beispiele die von Mitmenschlichkeit, Grosszügigkeit und Gemeinschaftssinn zeugen – auch in unserer Zeit.

Anderseits will ich nur fragen, ob uns der egozentrische Lebensstil der Schamlosigkeit wirklich nachhaltig glücklich macht. Mag die dritte Kreuzfahrt oder der fünfte Städtetrip innerhalb eines Jahres wirklich unser Wohlbefinden nachhaltig verbessern?

Da kommt der zweite Artikel ins Spiel. Im Dienstagsmail war diese Woche zu lesen:

Spiritualität ist eine wichtige Ressource für das Leben – in vielen Bereichen eine Wohltat. Ein christlicher Lebensstil reduziert die Sterblichkeit und ist ein Jungbrunnen bezüglich Langlebigkeit (Longevity). … Neue Studien zeigen auch, dass die feste Zugehörigkeit zu einer Kirche dem Leben gut tut. Die Teilnahme an Gottesdiensten kann die Gesundheit fördern, weil sie soziale Integration verbessert, gesundheitliche Verhaltensweisen reguliert, ein Gefühl von Sinn vermittelt und den Charakter stärkt.

Ich will nicht verheimlichen, dass Glaube auch krank machen kann. Doch die Glücksforschung hat längst entdeckt, dass nicht Egoismus, sondern Gemeinschaft und Mitmenschlichkeit uns nachhaltig glücklich machen. Und genau das, verbunden mit einer Transzendenzerfahrung, also der Verbindung mit dem Göttlichen, ist die grosse Chance einer Glaubensgemeinschaft.

Es ist mein Traum und mein Bestreben, Räume zu schaffen, in denen unterschiedlichste Menschen genau das erleben dürfen.

Glücksaufgabe

Wo fühlst du dich vielleicht ertappt in den gesellschaftskritischen Ausführungen von Peer Teuwsen? Macht dich immer mehr haben zu wollen statt mehr in Verbundenheit zu sein wirklich zufriedener?

Und wie hast du es mit dem Glauben? Macht er dich glücklich? Vielleicht magst du ja mal ausprobieren, ob die Studien wirklich recht haben …

Übrigens, auch wenn mein GlücksBuch bald sein 10jähriges Jubiläum feiert, die Frage nach dem Glück bleibt aktuell: Glück finden – hier und jetzt.

Ich wollte alles richtig machen

«Papi, aber es darf auch kein Nachteil sein, dass wir deine Kinder sind!» Das sass – und wie! Es war die Reaktion eines meiner Kinder auf meinen Ausspruch, sie sollten keine besondere Bevorzugung erhalten, weil sie «Kind von …» sind. Konkret ging es damals um meine Aussage: «Es darf kein Vorteil sein, dass ihr die Kinder des Pfarrers seid.» Und dasselbe nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Schule: «Es darf kein Vorteil sein, dass ihr die Kinder des Vize-Gemeindepräsidenten und Ressortvorstehers Bildung seid.»

Meine Haltung war bestimmt löblich. Ich hatte zu oft gesehen, dass gerade in Kirchen Pfarrerskinder eine Bühne erhielten, die anderen verwehrt blieb. Das wollte ich nicht. Der Schlagfertigkeit unserer Kinder und unserem offenen Dialog ist es zu verdanken, dass sie mir hier die Augen öffneten: «Papi, aber es darf auch kein Nachteil sein!» Natürlich nicht! Doch leider ist mir dies nicht immer gelungen. Ich wollte es richtig und möglichst allen recht machen. Doch der Rollenkonflikt als Vater und gleichzeitig Vorsteher der Volksschule im Dorf forderte mich regelmässig – und überforderte mich mindestens einmal deutlich.

Nicht das Richtige getan

Wir sassen mit unserem Sohn in einem Elterngespräch mit seiner Klassenlehrperson und dem Schulleiter. Ich war der direkte (politische) Vorgesetzte des Schulleiters. Es ging um das Wohlbefinden unseres Sohnes in der Klasse. Er fühlte sich gemobbt; heute muss ich sagen: Er wurde gemobbt. Unprofessionell gaben Klassenlehrperson und Schulleiter Phrasen wie «Mobbing ist ein grosses Wort» wieder und versuchten unseren Sohn zu besänftigen, indem sie die Angelegenheit herunterspielten. Und was tat ich? Leider nicht viel und nicht das Richtige. In dem Moment war ich als Vater da und hätte mich klar schützend vor meinen Sohn stellen sollen. Durch meinen Rollenkonflikt begann ich jedoch, auch im anschliessenden Reflektieren mit meiner Frau, die Schule zu verteidigen.

Ob der Weg unseres Sohnes anders gekommen wäre, hätte ich damals anders agiert, kann und will ich mir nicht ausmalen. Er musste später leider nochmals massives Mobbing und Bedrohung erleben und in einer Praktikumszeit erfahren, wie Vorgesetzte sich nicht für ihn einsetzten. Dass unser Sohn schon in jungen Jahren einen so schweren Rucksack zu tragen hatte, dass ein Aufenthalt in einer psychiatrischen Tagesklink angezeigt war, ist ein Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren. Und auch wenn wir ihm niemals einen solchen Weg gewünscht hätten, sehen wir heute, wie ihn dieser Umweg gestärkt hat.

Innere Blockade

Mein Drang, es perfekt zu machen und meine Kinder nicht zu bevorteilen, hätte auch beinahe bei unserer Tochter ein Stolperstein werden können: Als wir in der Kirchengemeinde einen Ausbildungsplatz schaffen wollten, war es naheliegend, dass unsere Tochter sich dafür bewarb. Aber ich zögerte. «Ich will nicht mein Kind bevorzugen», dachte ich mir wieder und sah dabei auch auf die grossen Gemeinden im Land, die scheinbar keinen anderen Nachwuchs als den eigenen der Pfarrersleut haben. Nun muss man wissen: Wir sind eine kleine Gemeinde, bei uns stand niemand Schlange für einen Ausbildungsplatz. Es war eine rein theoretische Blockade von mir. Zum Glück haben wir einen Vorstand, der mir half, diese Blockade zu überwinden. Und es war hilfreich, dass nicht ich über Anstellungsbedingungen befinden musste und meine Tochter nicht «von mir», sondern von der Gesamtkirche angestellt wurde.

Weil ich es richtig machen wollte, verkomplizierte ich die Situation. So war es rückblickend bei besagtem Elterngespräch mit meinem Sohn. So war es, als es um den Ausbildungsplatz in der Gemeinde ging. Und so ging es mir auch in anderen Themen wie Familienrituale oder Regeln. Ich wollte es richtig machen, hatte meine Vor- und vor allem Idealbilder. Doch was bei anderen funktionierte, musste nicht zwingend passend für uns sein.

Authentische Persönlichkeiten

Heute wünsche ich Eltern mehr Gelassenheit. Versucht nicht, alles richtig zu machen! Das schaffen wir eh nicht. Es kann auf verschiedenen Wegen gut werden. Und ja, vielleicht dürften wir auch öfter den Mut zu mehr Bauch- und weniger Kopfentscheidungen haben.

Diesen Sommer beginnt für unsere Tochter bereits das letzte Ausbildungsjahr zur Sozialdiakonin, und sie gehört seit drei Jahren zu unserem StaffTeam. Um Rollenkonflikte möglichst klein zu halten, haben wir einige wenige Spielregeln definiert (beispielsweise bin ich bei der Arbeit nicht Papi, sondern Stef). Zu sehen, wie sie in meine Fussstapfen tritt und Projekte leitet, ist wunderschön – manchmal gar eine Begegnung mit meinem jüngeren Ich.

Nach dem schmerzhaften Umweg konnte unser Sohn seine Ausbildung zum Fachmann Betreuung Kind in einer Berner Schule beginnen und stiess dort auf ein sehr verständnisvolles und unterstützendes Umfeld. Er hat nie ein Geheimnis aus seiner Geschichte mit den psychischen Herausforderungen gemacht. Genau diese Aufrichtigkeit hat bei Bewerbungsgesprächen beeindruckt.

Authentizität ist ein grosses Wort und eine Lebensaufgabe. Ich freue mich, immer wieder zu entdecken, dass trotz aller unperfekter Erziehung unsere beiden Kinder zu authentischen Persönlichkeiten gereift sind, die ihren eigenen Werten und Gedanken treu sind und mit ihren Gefühlen in Kontakt treten.

Dieser Artikel ist zuerst im Magazin familyNEXT erschienen.

Glücksaufgabe

In welchen Bereichen täte dir etwas mehr Gelassenheit gut?

Und wo kommt dir vielleicht dein Perfektionismus in die Quere?

Wo Welten aufeinanderprallen

«Wurde da gerade der letzte «Servant Leader» zu Grabe getragen?» kann sich fragen, wer vergangenen Samstag auf Rom blickte.

Es gab eine Zeit, da war dieser dienende Führungsansatz hoch im Kurs – und zwar nicht bloss in sozialen und kirchlichen Kreisen, wo es ja von Natur aus nur so von «Gutmenschen» wimmelt.

Nein, auch CEOs von internationalen Top-Firmen setzten auf diesen Ansatz, bei dem die Führungsperson eine vertrauensvolle und wertschätzende Atmosphäre schafft, in der sich die Mitarbeitenden wohl und unterstützt fühlen, ihre Fähigkeiten und Potenziale entfalten und eigenverantwortlich handeln können und Vorgesetzte dazu da sind, ihre Mitarbeitenden darin zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen. 

Die «Servant Leadership»-Philosophie geht auf den Managementforscher Robert K. Greenleaf und die 1970er Jahren zurück. Tatsächlich haben laut Wikipedia mehrere empirische Studien aufzeigt, dass «der Servant Leadership-Ansatz einen starken Einfluss auf die Jobzufriedenheit der Mitarbeiter:innen» hat.

Natürlich wurde der dienende Führungsansatz nicht erst in den 1970er Jahre erfunden. Das Vorbild einer solchen Führungsperson ist unbestritten Jesus. Er hat die entsprechenden Werte gelehrt und verkörpert: Empathie, starker Gemeinschaftssinn, Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Vertrauen, Zuhören, Wertschätzung, Glaubwürdigkeit …

Er setzte nicht auf beherrschende Machtkonzepte, sondern auf die sogenannten «Soft Skills». Seine Stärke war seine Schwäche, seine Verletzlichkeit.

Jesus, Franziskus & Trump

Weltweit sind alle (Christen)Menschen dazu eingeladen, dem Vorbild Jesu nachzufolgen. Und einer dieser Nachfolger Jesu wurde letzte Woche in Rom zu Grabe getragen. Papst Franziskus verstand sich stets als Diener. Er folgte dieser Jesus-Spur – er machte sich klein und wurde gerade dadurch populär und berührte die Herzen vieler.

Und das hatte Strahlkraft. Solche Strahlkraft, dass Nicole Althaus in der NZZ am Sonntag (27. April 2025) denkwürdige Zeilen über das «Aufeinanderprallen zweier Welten» schrieb:

Franziskus, der sich wie kein anderer Papst der Moderne ein Leben lang für die Schwächsten am Rand der Gesellschaft eingesetzt hatte, ist tot. Platz im Zentrum nahmen nun die Mächtigsten, unter ihnen solche, die Stärke zur Religion erhoben haben.

Als sei das Requiem für den Papst von einem Regisseur aus dem Marvel-Universum inszeniert worden, erwies allen voran Donald Trump, der selbsternannte Auserwählte Gottes, dem obersten Glaubenshüter die letzte Ehre.

Der Mann des Deals verabschiedete sich vom Mann der Demut.
Narzissmus beerdigte die Nächstenliebe.
Masslosigkeit die Bescheidenheit.
Egozentrik die Empathie.

Ja, Papst Franziskus war ein eindrückliches Beispiel eines «Servant Leaders». Durch ihn strahlten Werte wie Nächstenliebe und Demut wieder auf dem Wertekompass auf.

Es schaudert mich, wenn auf der anderen Seite Machthaber dieser Welt – oft sogar als selbsternannte Auserwählte Gottes – genau diese Werte mit ihren Füssen treten.

Statt Mitgefühl zu zeigen, grenzen sie aus.

Statt zu dienen, bedienen sie sich.

Statt zu lieben, beuten sie aus.

Das «Aufeinanderprallen zweier Welten», wie es Nicole Althaus in der NZZ am Sonntag so trefflich formulierte, wurde bereits vor der Zeit Jesus ebenso eindrücklich beschrieben.

Im Buch Hesekiel in der Bibel findet sich in Kapitel 34 eine Gegenüberstellung der selbstherrlichen Hirten mit den dienenden Hirten.

Trump & Co. wollen uns gerade weis machen, es gelte das Recht des Stärkeren und das Leben bestünde aus Deals.

Das ist einfach nicht wahr!

Erst recht nicht, für die, welche sich auf die Jesus-Spur begeben wollen: Unser Held war ein Märtyrer. Der Gottessohn, der aus Liebe zu den Menschen sein Leben gibt und so zum Retter wird.

Und dadurch entspricht er nicht dem gängigen Heldentypus: Jesus suchte nicht Ehre, Macht, Ruhm und die Bestätigung, dass er der Beste ist.

Er zeigte Mitgefühl.

Er diente.

Er liebte.

Und dazu sind auch wir eingeladen!

Glücksaufgabe

Von wem lässt du dich inspirieren?
Für dein Menschsein?
Für dein Führungspersonsein?

Leidenschaft schafft Leiden

Das Leben wäre definitiv einfacher, wenn mensch nicht zu gross träumte – angepasst leben, den Dingen ihren vorgezeigten Lauf lassen, nie gewohnte Bahnen hinterfragen würde.

Privat hiesse das beispielsweise , sich möglichst so zu verhalten, wie es Freunde und Familie erwarten. Immer schön berechenbar bleiben.

In Beruf würde sich diese «Nur-nicht-zu-viel-Aufregung-verursachen»-Mentalität beispielsweise im gern zitierten «Dienst nach Vorschrift» äussern.

Wie ich hier schon im letzten Blogartikel betonte und es immer wieder erkennbar wird, funktioniere ich nicht so. Visionen verfolgen, einer sinnstiftenden Arbeit nachgehen, Berufung leben, ja, das ist mein Anspruch, das tu ich seit jeher – und bin mir auch nicht zu schade, den nötigen Preis dafür zu bezahlen.

Nicht, dass mir dies immer leichtfällt. Die finanziellen Einbussen, die wir als Family über Jahre hingenommen haben, um den Traum zu leben, ist das eine. Die emotionale Achterbahn von den wunderbaren Highlights zu den Tiefpunkten, wo die Zukunft mal wieder mehr als ungewiss ist, negative Presse oder persönliche Anfeindungen verdaut werden müssen, ist das andere.

Dieses emotionale Ausgeliefertsein wiegt für mich tatsächlich viel schwerer als die in vollem Bewusstsein gewählte materiellen Verzichte.

Wie gut ist da, dass mir schon in meinen jungen Jahren als «Kirchenpionier» ein Wegbegleiter sagte «Leidenschaft schafft Leiden» und «Wer sich einsetzt, setzt sich aus».

Die Wortspielereien mit Kalenderspruch-Potenzial mögen simpel sein, trotzdem bin ich froh, dass sie mich über all die Jahre, in denen ich mich leidenschaftlich für meine Träume einsetze, begleitet haben.

Gott sei Dank!

Hier den Bogen zu Karfreitag zu machen, birgt ein Risiko in sich: «Ist er jetzt definitiv grössenwahnsinnig und vergleicht sich mit Jesus?» Nein, sicher nicht!

Natürlich ist meine emotionale Achterbahn nicht zu vergleichen mit dem, was der Gottessohn durchmachte: Himmelhochjauchzender-Hosianna-Empfang an Palmsonntag, Ans-Kreuz-mit-ihm-Bashing wenige Tage später.

Verrat, Verleumdung, Verurteilung, Folter, Höllenqualen.

Tod. Kreuzestod.

Nein, dagegen wirken meine «Leiden der Leidenschaft» wie ein Spaziergang. Na gut, vielleicht wie eine Bergwanderung.

Und trotzdem bin ich meinem Gott von Herzen dankbar, dass er mir in Jesus, meinem Erlöser und Freund, dieses Vorbild gegeben hat: Auch wenn «Leidenschaft Leiden schafft» und sich einsetzen auch sich aussetzen heisst, Träume sind es wert, nicht vorzeitig aufgegeben zu werden.

Ja, wir geben am Karfreitag dem Leiden Raum.  
Die Hoffnung muss sich noch gedulden.
Gottes Leidenschaft erliegt dem Leiden.
Gottes Traum fordert den ganzen Einsatz.

Das Leid aushalten, ohne vorschnell in Auferstehungsjubel auszubrechen – nicht einfach.

Und trotzdem so wichtig! Weil auch das eine göttliche Lektion für uns ist: Geh nicht zu schnell weiter, lass Trauer zu, gibt dem Leiden seinen Raum, setz dich dem Schmerz aus.

Wenn sie dann kommen, die Auferstehung, die Hoffnung, der Ostermorgen, dann wird etwas spürbar von dieser göttlichen Anderswelt. Eine neue Welt, eine andere Welt ist möglich, weil nicht Ausbeutung, Ungerechtigkeit und Tod das letzte Wort haben werden, sondern die göttliche Liebe.

Ich bin Gott dankbar, dass er seinen Traum, seine Leidenschaft der neuen Welt nicht aufgegeben und sich den Menschen ausgesetzt hat.

Glücksaufgabe

Was heisst es für dich, an Karfreitag innezuhalten und das Leiden auszuhalten?

Und welche Träume willst du weiterverfolgen, selbst wenn sie Leiden mit sich bringen?  

Glück im Job?

«Ich träume von einer Welt, in der Träume wahr werden – vielleicht bewerbe ich mich in der Filmindustrie», mit diesen Worten hab ich kürzlich versucht meine Gefühlslage zu beschreiben.

Es ist die Schattenseite des Lebens und Arbeitens als Visionär: Ich stelle mir vor, wie die Dinge in Zukunft sein könnten. Doch die Lücke zur Realität in der Gegenwart bringt den Glauben an die Träume manchmal arg ins Schleudern.

«Träume sind wie Schäume», sagen die einen. Und ich erwidere im Blick auf mein Leben: «Meine Träume haben viel bewegt, durften – wenn auch nicht in ‘voller Grösse’ – an manchen Stellen wahr werden und waren die Gefühlsachterbahn auf dem Weg dahin wert.»

Wären wir alle Visionär:innen, würden wir eine grössere Traumwelt fabrizieren als die Traumfabrik in Hollywood.

Gut, dass es nicht so ist. Doch eines geht uns alle an: Welche Erwartungen haben wir an unseren Job? Ist unser Beruf, vielleicht gar unsere Berufung, da, um uns glücklich zu machen? Oder jobben wir bloss, um unser Leben(sglück) zu finanzieren?

Für mich kann ich mir ein Job ohne Erfüllung, ohne Sinnstiftung schlicht nicht vorstellen. Und so ist auch klar, dass ich mich mit der sogenannten resignativen Arbeitsplatzzufriedenheit sehr schwertue. Aber muss es für alle so sein? Ist es nicht auch ein unheimlicher Druck, wenn Beruf immer auch gleich Berufung sein muss? Was ist mit all den Jobs, die einfach von irgendjemandem erledigt werden müssen?

«Wir glauben, dass unsere Arbeit uns immer erfüllen muss.»

Dieses Zitat vom Psychotherapeuten Claas Lahmann stand neulich in grossen Lettern im «NZZ am Sonntag Magazin» und weckte sofort mein Interesse.

Und tatsächlich brachte das Interview mit dem Experten zu Arbeitsgesundheit einige sehr interessante Erkenntnisse zutage:

Laut Lahmann muss uns unsere Arbeit nicht immer glücklich machen, aber es gibt einige Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit unser Job ein gesundes Arbeiten ermöglicht.

Als erstes wird der eigene Gestaltungsspielraum (Anforderung und Autonomie) genannt: Was kann ich hier bewegen, selbst gestalten?

Ein zweites Prinzip ist ein gutes Verhältnis von Geben und Nehmen: Was bekomme ich hier alles? Und was investiere ich?

Da wir äusserst empfindlich auf Ungerechtigkeit reagieren, ist ein weiteres wichtiges Prinzip die Gerechtigkeit: Werden hier alle Leute fair behandelt?

«Aber das kraftvollste der vier Prinzipien», sagt Claas Lahmann im Magazin-Interview, «ist das der psychologischen Sicherheit.»

Fühle ich mich gesehen, wertgeschätzt und aufgehoben? So dass ich mich traue Fragen, Ideen und auch mal Kritik einzubringen? Beste Ideen gehen verloren, weil sie nicht geäussert werden (dürfen). Ganze Unternehmen geraten arg in Schieflage, weil keine:r da ist, etwas in Frage zu stellen.

Mir gefallen diese Ansätze sehr gut, weil sie einerseits zu dem passen, was ich schon vor 25 Jahren auf Leadership-Konferenzen bei Willow Creek hörte, und anderseits ist es genau das, was wir als gms seeland versuchen: Begegnungsorte zu schaffen, die für unterschiedlichste Menschen zu «Safe Places» werden. Orte, wo sie sich gesehen, wertgeschätzt, angenommen und geliebt fühlen.

Doch wie schaffen wir das? Am Arbeitsplatz? In der Kirche?

Sind da immer nur die Führungskräfte, Chefs und Pfarrers dafür zuständig. Natürlich haben die eine besondere Verantwortung, wenn es darum geht, die Kultur zu prägen.

Doch auch wenn sie dieser Aufgabe nicht gerecht werden, gibt es laut Lahmann noch Hoffnung: «Veränderung beginnt immer bei dem ersten Menschen, der etwas verändert.» Wenn es mir wichtig ist, dass sich das Klima (am Arbeitsplatz, in meiner Gruppe, in der Kirche …) verändert, kann ich in kleinen Schritten in meinem nächsten Umfeld die Veränderung sein.

Eine Anekdote aus dem gestrigen Talk mit Florian Wüthrich bei «Chäs, Brot, Wy – und mini Gschicht mit Gott» beweist, dass dies tatsächlich möglich ist: Er erzählte, wie eine Mitarbeiterin im Lokalradio ab dem ersten Tag die Stimmung im Team veränderte.

Eine Person kann den Unterschied machen – und so vielleicht den entscheidenden Beitrag leisten, damit Träume wahr werden.

Bist du diese Person?

Glücksaufgabe

Auf dem Buchdeckel meines aktuellen Tagebuchs steht «If you can dream it, you can do it.» (Wenn du es träumen kannst, kannst du es tun.)

Ich weiss selbst, dass dieses Zitat aus dem Hause Walt Disney in die Kategorie «schöne Kalendersprüche» gehört und nicht immer hilfreich ist.

Und trotzdem: Wo kann ich dazu beitragen, dass Träume wahr werden?

Wie glücklich sind wir denn heute?

Hast du es gemerkt? Gestern war es wieder so weit: Der internationale Tag des Glücks wurde begangen. Und wie glücklich warst du gestern, bist du aktuell?

Mein Tag startete nach einer, wegen nächtlicher Diskussion und frühmorgendlichem Gedankenkarussell, viel zu kurzen Nacht. Kein optimaler Start in den Glückstag.

Doch unverhofft kam es am Frühstückstisch zu einer witzigen Unterhaltung, die uns von YB-Fans via woke Themen über das trumpische Patriarchat und weissen Männern zum Samichlous führte. Was für ein Glücksmoment: ernsthaft und humorvoll diskutieren als Familien-WG.

Dieser kurze Moment hat mich grad unheimlich dankbar gemacht, ja, glücklich gemacht. Trotz grossen Baustellen (um nicht schon wieder das Wort Krisen zu gebrauchen) in der grossen weiten Welt und in meiner kleinen Welt, gibt es diese unbeschwerten Augenblicke.

Diese paar Minuten am Frühstückstisch blieben die schönsten des Tages. Doch das Nebeneinander von empfundenem Glück & Freude und Trauer & Ohnmacht zog sich bei mir wie ein roter Faden durch den Glückstag: Ermutigende Nachrichten von Herzensmenschen hier, quälende Zukunftsfragen dort. Aus dem UG meines Arbeitsplatzes ist fröhlicher Kinderlärm der GschichteChischte (Happy Kids) zu vernehmen, während mich telefonisch die Todesnachricht eines Teilnehmers einer kürzlichen Gesprächsgruppe erreicht. Es folgen schöne Interaktionen mit drei Generationen an der wunderBar, später erfahre ich von der Erschöpfung eines Freundes.

Den Nachmittag lasse ich mit Sonne im Garten ausklingen und da blitzt ganz kurz inmitten von herausfordernden Gedanken wieder etwas Humor auf: Der Blick meiner Frau trifft auf ein Inserat eines Bestatters. Sie liest: «Natürlich. Erholsam. Originell.» – Was eigentlich dort steht: «Natürlich. Einfühlsam. Originell.».

Am Abend blicken wir an einer Vereinsversammlung dankbar auf Vergangenes zurück und fragend voraus.

Und so merk ich am Glückstag, wie sehr das stimmt, was zwei Tage zuvor die Psychiaterin, Autorin und Speakerin Esther Pauchard zum Thema Resilienz unterhaltsam und treffend ausführte: «Glück ist keine Konsequenz von äusseren Umständen, sondern eine persönliche Entscheidung. Selbst die Verantwortung übernehmen für das eigene Glück.»

Wie wichtig, nicht selten jedoch auch herausfordernd, es ist, diese Selbstverantwortung zu übernehmen, die Opferrolle hinter sich zu lassen und stattdessen das eigene Leben und damit das eigene Glück zu gestalten, habe ich hier im GlücksBlog und natürlich auch in meinem GlücksBuch beschrieben.

Und darum stimme ich voll und ganz mit Esther Pauchard überein, wenn sie daran erinnert: «Das schafft man nicht einfach so auf Knopfdruck. Es ist keine einmalige Entscheidung, sondern ein lebenslanger Prozess. Der sich aber lohnt.»

Wenig überraschend betonte Pauchard die Dankbarkeit als hilfreiche Ressource auf dem Weg zu mehr Glück im Alltag. Und gleich eine weitere meiner 16 Glücksaktivitäten nennt sie: Genuss. Die Wichtigkeit, Kleinigkeiten wie die Blume am Wegrand zu entdecken.

Nicht explizit aufgeführt bei mir ist die dritte Anregung von ihr: Humor. Dafür hab ich genau das am diesjährigen Glückstag erlebt: Humor hilft, in den Herausforderungen des Alltags die Leichtigkeit nicht zu verlieren.

Die Psychiaterin schliesst ihr beeindruckendes Referat mit der Einladung, als Seiltänzer:in flexibel durch die Welt voller Schönheiten und Grausamkeiten zu balancieren. Weil beides zum Leben gehört und weil wir bereits verloren haben, wenn wir die Stürme des Lebens mit aller Kraft vermeiden wollen. Denn: Sie fragen nicht, sie kommen einfach.

Glücksaufgabe

Und was unternimmst du, damit du nicht nur am Tag des Glücks zufrieden bist und bleibst?