Lieber früher als Himmel

Grad ist ganz vieles gut.

Grad ist ganz vieles nicht gut.

Richtig, richtig gut war der Kurzurlaub mit meinen Kids: Zusammensein geniessen und Ski fahren auf meinen Lieblingspisten bei Sonne pur. Genial!

Ganz viel Gutes geht mir auch bezüglich meiner Arbeit durch den Kopf. Das Jahr hat durch die BUNT GLAUBEN-Konferenz quasi mit einem fantastischen Big Bang begonnen und auch die ersten beiden eindrücklichen «Chäs, Brot, Wy – und mini Gschicht mit Gott»-Abende haben viel Freude gemacht.

Gut ist auch, in einem Land leben zu dürfen, das kaum grössere Probleme hat als die Frage, ob ein weiterer Bauer in der Landesregierung gut ist für das Land.

Nicht gut fühle ich mich, wenn ich den politischen Blick über unsere Landesgrenzen richte: Irgendwie scheinen unsere Nachbarländer gerade alle zu «strugglen», ganz besonders Deutschland. Da geht es um ganz andere Mehrheiten als die der Bauern in der Landesregierung.

Und die Vorstellung, das Trump und Musk mit der Welt genüsslich eine Monopoly-Runde nach der anderen spielen, schaudert mich. Wieder einmal scheinen Narzissten auf Kosten derer, die ganz besonderen Schutz nötig hätten, ihre «Me first»-Philosophie durchzuziehen.

Natürlich ist auch hier bei uns nicht einfach alles gut. Auch bei mir nicht. Auch in meinem Berufsalltag nicht. Da sehe ich mich beispielsweise mit der Tatsache konfrontiert, dass mein Anliegen des Brückenbauens statt Gräben aufzureissen von manchen so gar nicht geteilt wird. Ich setze mich für eine bunte Welt ein – das kommt dort nicht gut an, wo man ein schwarz-weisses Weltbild klammert.

Was hilft uns in Zeiten wie diesen?

Kalendersprüche wie: «Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen»?  Das ist mir viel zu billig! So ein Spruch mag passen, wenn du eine Prüfung verhaust, einen Kunden verlierst, dein Kind ein Fussballspiel verliert, du beim Einparken den Seitenspiegel abbrichst … Aber nicht, wenn ein ge­liebter Mensch stirbt, eine Behinderung das Leben ver­kompliziert, Beziehungen in Brüche gehen, bei traumatischen Erlebnissen, in einer Pandemie, wenn bei dir eingebrochen wird, bei einer Natur­katastrophe, wenn dir gekündigt wird, du in eine Depression schlitterst, ausge­powert bist, umziehst, die Führungsaufgabe verlierst, dein Körper dir einen Streich spielt.

Oder Menschen wie Trump Macht über so viele haben.
Oder rechtsextreme Parteien immer stärker werden.

Bei solchen Ereignissen kannst du noch lange Krone richten und weitergehen – du wirst ziemlich sicher gleich wieder hinfallen!

Nächster Versuch mit Kalenderspruch-Philosophie: «Am Ende wird alles gut sein. Wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende.»

Das ist doch Quatsch! Nicht alles endet gut. Nicht für alle. Nicht immer.

Und doch: Zusammen mit der christlichen Auferstehungshoffnung kann ich dem Spruch viel Gutes abgewinnen: Am Ende gewinnt nicht das Kreuz, sondern das leere Grab. Nicht Tod, sondern Leben. Nicht das Leid, sondern die Vollkommenheit. 

Die Auferstehungshoffnung ist die grösste Kraft der Welt! Nicht «husch, husch» Krone richten und alles ist gut. Selbst Jesus fühlte sich am Kreuz von Gott und seinen Freunden verlassen – da gibt es nichts schönzureden. Doch wenn die tiefsten Tiefen ausgestanden sind, wartet nicht das Ende, sondern der Neuanfang.

Ja, diese Jenseitsperspektive gibt mir Kraft und Hoffnung in der diesseitigen Welt voller Ungutem, Unsicherheit, Unheil, Unfrieden.

Weder meine Sorgen noch Trump noch irgendwelche Grabenkämpfe haben das letzte Wort. Das letzte Wort wird ein gutes sein, weil am Ende die Liebe gewinnen wird.

Und doch:
Ich wünsche es mir lieber früher als später.
Ja, lieber früher als Himmel.

Die Liebe darf und soll schon jetzt stärker sein als alle zerstörerischen Kräfte.

Dafür will ich mich weiterhin einsetzen.

Glücksaufgabe

Was läuft in deinem Leben gerade richtig gut? Was weniger?

Und wo wünschst du dir lieber früher als Himmel den Durchbruch der Liebe?

Meine Woche mit Trump, Brudereck und Bischöfin Budde

Lass uns gleich auf den Punkt kommen: Zu welcher Fraktion gehörst du? Zur Fraktion «Türen-Zuknaller:innen» oder bist du bei den «Fenster-Öffner:innen» dabei?

Die vergangene Woche liefert dazu jede Menge Anschauungsmaterial. Einerseits auf der für uns schon ziemlich grossen Konferenz-Bühne von BUNT GLAUBEN, anderseits auf der mega grossen Weltbühne der Politik und Wirtschaft.

Die Konferenz mit Christina Brudereck, Lukas Amstutz und vielen anderen sollte ein Tag, gar ein Wochenende, der Inspiration und Motivation für einen weiten, tragfähigen Glauben werden. Tatsächlich ist das gelungen – wie viele schöne, spezielle, persönliche und ermutigende Rückmeldungen es deutlich machen.

Viele Feedbacks haben mich persönlich berührt, weil sie sich stark abheben vom typisch Schweizerischen «War gut – weiter so!». In den Zeilen sind ganz viel Herz und persönliche Betroffenheit zu spüren, neben aller Begeisterung und Freude auch ein Ringen, wie diese markigen Sätze wie «Hier ist Platz für alle!» und «You are loved – always!» denn nun wirklich gelebt werden können.

Jemand schrieb: «Wie ihr Fenster zur Freiheit geöffnet habt. Ich bin sicher, das wird nachwirken.»

Was für ein schönes Bild! Ja, genau das wollten wir. Fenster öffnen, Weite und Freiheit feiern, Grenzen sprengen – oder wie es einer meiner Talk-Gäste sagte: «Gott aus dem Kästchen, in das wir ihn gesteckt haben, herauslassen.»

Fenster zur Freiheit zu öffnen, kann auch irritieren. Wenn mensch Fenster öffnet, geht es bei uns im Bernbiet nicht lange und irgendwer sagt: «Äs zieht!». Fenster zu öffnen kann auch unbequem werden, unser wohligwarmes, selbstgefälliges bis selbstgerechtes Gefühl beginnt zu frösteln.

Die Freiheit der offenen Fenster inspiriert und beflügelt die einen – wie entspannend ist es, nicht mehr auf jede Frage eine Antwort haben zu müssen.

Für andere ist es zu viel Irritation. Bei offenen Fenstern kann der Wind wehen, wo er will – das haben nicht alle gerne. Da fehlt die Kontrolle, die eigene Macht wird möglicherweise in Frage gestellt.

Da gibt es nur eins: Türen zuschlagen!

Das hat sich wohl auch Donald Trump gesagt und bei der Antrittsrede am Montag vorsorglich schon mal detailliert geschildert, welche Türen bei ihm nun alle zugeknallt werden. Dass für diese unmenschliche Haltung gar noch der Name Gottes missbraucht wird, Trump als Messias oder immerhin als Gesandter Gottes angehimmelt wird – ich weiss nicht, ob ich da lachen oder weinen will. Mindestens fremdschämen für die Tür-Zuknaller-Fraktion unter meinen Glaubensgeschwistern.

Gott sei Dank gibt es aber auch in den USA die Fenster-Öffner-Fraktion. Wow, der Mut von Bischöfin Mariann Edgar Budde in ihrer prophetischen Predigt den in der ersten Reihe sitzenden Präsidenten anzuflehen, bitte nicht alle Türen zuzuknallen – das war grossartig, beeindruckend.

Was für ein Kontrast: Laut, überheblich, menschenentwürdigend werden auf der einen Seite Türen zugeknallt. Leise, zerbrechlich und doch klar, mitfühlend werden andernorts Fenster geöffnet.

Ja, das Leben ist komplex und am Schreibtisch solche Dinge zu schreiben ist einfacher, als als Kanzlerkandidat Lösungen auf die aktuellen Probleme zu präsentieren.

Aber ich will und kann nicht glauben, dass wir, wenn wir irgendwie ein C oder E im Namen haben oder uns ganz konkret als Nachfolger:innen des Friedenspredigers aus Nazareth verstehen, keine besseren Lösungen finden als: «Das Boot ist voll!», «America first!» «Das Mass ist endgültig voll!». Mit anderen Worten: «Diese Türen schlagen wir zu!»

Es muss anders gehen!
Als Mensch,
als Christenmensch erst recht.

Ich halte mich an den Schlusssatz von Christina Brudereck an unserer BUNT GLAUBEN-Konferenz: «Gott hat immer mehr und ewig Platz.»

Glücksaufgabe

Nochmals die Frage: Zu welcher Fraktion gehörst du? «Türen-Zuknaller:innen» oder «Fenster-Öffner:innen»?

Und wie zeigt sich das in deinem Leben?

Meide die Extreme!

Leider bietet unsere Welt gerade ganz viel Stoff für die härtesten, wenn auch oft „nur“ verbalen Grabenkämpfe: Ob Corona oder Trumpismus – die Meinungen sind üben und drüben gemacht, der Ton ist oft gehässig und die unterschiedlichen Positionen lassen Freundschaften zerbrechen und stellen die Familienbande unter grösste Belastungen.

Ein kühler Kopf wünscht man sich da, der reflektieren, unterscheiden und auch mal Meinungen stehen lassen kann.

Allergisch bin ich auf die schwarz-weiss Brille, auf Verantwortungsträger, die Öl ins Feuer schütten, und auf Menschen, die unreflektiert nachplappern, was ihre Idole von sich geben – mögen es noch so abstruse Verschwörungstheorien sein.

„C’est le ton qui fait la musique“ habe ich einmal als Kind gelernt. Oder: „Wie du in den Wald rufst, so schallt es heraus“. Nun, man kann politisch oder auch in Bezug auf Corona unterschiedliche Positionen einnehmen, aber heiligt der Zweck wirklich die Mittel? Darf man Mitmenschen wirklich aufs Gröbste beleidigen, Lügen verbreiten und gegen alle Regeln des Anstandes verstossen, um für seine Position zu werben?

Offen gesagt: Ich bin erstaunt – und von Herzen dankbar!! – dass, soweit ich es überblicken kann, die Städte in den USA (noch) nicht brennen. Das lässt mich hoffen, dass die Demokratie gewinnt und nicht die „Kriegserklärung“ der Trump-Familie.

Ein kühler Kopf bewahren

Es gibt Themen und vor allem Verhaltensweisen, die bringen mich emotional zum Rasen. Und für starke Überzeugungen ist man schnell bereit zu kämpfen. Doch sobald die Angriffslust einmal geweckt ist, befinden wir uns im Kampf, verteidigen unsere Position und versuchen mit Schlägen (Schlacht der Argumente) unseren Gegner zu schwächen.

Unterschiedliche Meinungen müssen unbedingt Platz haben, ein Ringen nach dem besten Weg, sogar ein hartes Debattieren – das gehört zur freien Gesellschaft.

Aber bitte bewahren wir Haltung dabei!

Mir hilft dabei immer mal wieder diese biblische Weisheit:

Vermeide die Extreme!
(Buch Prediger)

In diesem spannenden Abschnitt wird uns sogar geraten, das mit der Frömmigkeit nicht zu übertreiben. Auf der anderen Seite sollen wir jedoch auch nicht gewissenlos und unvernünftig sein.

„Vermeide die Extreme!“ – ein wahres Wort für eine Zeit, in der sich Menschen zur einen oder anderen Extremposition hingezogen fühlen.

Ich wünsche mir Menschen, die nachdenken, prüfen, verantwortungsvoll handeln und mit Gottvertrauen und dem Mitmenschen gegenüber respektvoll vorwärts gehen.

Dabei kann uns Martin Luthers Umgang mit der Pest ein Vorbild sein:

So will ich zu Gott bitten, daß er uns gnädig sei und es abwehre. Danach will ich auch räuchern, die Luftreinigen helfen, Arznei geben und nehmen, Orte und Personen meiden, wenn man mich nicht braucht, damit ich mich selbst nicht vernachlässige und dazu durch mich vielleicht viele andere vergiftet und angesteckt werden und ihnen so durch meine Nachlässigkeit eine Ursache des Todes entsteht. Will mich allerdings mein Gott haben, so wird er mich wohl finden; so habe ich doch getan, was er mir zu tun gegeben hat, und bin weder an meinem eigenen noch an anderer Leute Tod schuldig. Wenn aber mein Nächster mich braucht, will ich weder Orte noch Personen meiden, sondern frei zu ihm gehen und helfen, wie oben gesagt ist. Sieh, das ist ein rechter, gottfürchtiger Glaube, der nicht tollkühn oder frech ist und auch Gott nicht versucht.
Martin Luther angesichts der Pest in Wittenberg (1527)

Glücksaufgabe

Welche Themen bringen dich aktuell in Rage? Und wo bist du allenfalls in Gefahr, „extrem“ zu werden?

Versuche dich in den nächsten Tagen in eine Person zu versetzen, die eine ganz andere Position vertritt. Wie könnte es dir gelingen, ihre Position nachzuvollziehen?

Du bist willkommen!

Dunkelheit kann Dunkelheit nicht vertreiben;
nur Licht kann das.
Hass kann Hass nicht vertreiben;
nur Liebe kann das.

Martin Luther King

Ist es nicht irgendwie Ironie, dass Amerika anfangs dieser Woche den Martin Luther King Day gefeiert hat und ende Woche nun Donald Trump in sein Präsidentenamt eingesetzt wird?

Da einer, der sein Leben hingab um Gräben zuzuschütten, um Menschen zu verbinden, um Rassentrennung zu überwinden. Und dort einer, der – so scheint es wenigstens aus Distanz – nicht genug davon bekommt, neue Gräben und Mauern zu schaffen.

Während Martin Luther King als einer der herausragenden Vertreter im Kampf gegen Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit (Wikipedia) gilt, muss Trump erst noch den Beweis antreten, dass auch er im Dienst der Menschheit steht.

Aber eben: Ich muss mich selbst immer wieder daran erinnern: Wir verändern die Welt nicht indem wir bloss Helden verehren oder auf unliebsamen Machtträgern herumhacken. Die Welt verändert sich, wenn ich mich verändere.

Wenn ich mich reflektiere. Wenn ich dem Guten mehr Raum gebe als dem Bösen. Wenn ich mich mehr und mehr der Liebe öffne und versuche, die Feindseligkeit aus meinem Leben zu verbannen.

Don’t touch!?

Welche Botschaft steckt hinter unseren Worten und welche Signale sendet unsere nonverbale Kommunikation aus? Was lesen unsere Mitmenschen, wenn sie „uns lesen“? Steht da „Du bist willkommen!“ oder doch eher „Don’t touch!“?

Ich weiss, das Propagieren einer Willkommens-Kultur kann einen ganz schön in Bedrängnis bringen und natürlich lässt sich nicht leugnen, dass eine offensive, breit angelegte Willkommens-Kultur jede Menge Herausforderungen mit sich bringt. Aber ich mache ja in meinem Blog weder nationale noch internationale Politik – eigentlich geht es mir hier überhaupt nicht um Politik.

Denn die Politik kann diese Willkommens-Kultur, die wir brauchen, gar nicht leben. Es geht um den Umgang von Mensch zu Mensch. Lass ich mich von den Hochs und Tiefs meiner Mitmenschen berühren? Heisse ich Menschen willkommen, die ich auf den ersten Blick mag – und solche, die mir etwas fremd sind? Versuche ich Gräben zuzuschütten oder grabe ich immer tiefer bis sich keine Brücke mehr zwischen mir und meinen Mitmenschen schlagen lässt?

Ich möchte andere Menschen wirklich spüren lassen „Du bist willkommen!“, „You are loved!“ und sogar „Ich lass mich berühren von dem, was dich beschäftigt!“. Aber ich kenne mich zu gut, ich weiss, dass bei mir auch hin und wieder ein Schild mit der Aufschrift „Don’t touch!“ hängt. Was so viel heisst wie: Lass mich in Ruhe! Stör mich nicht! Ich habe genug mit mir selbst zu tun.

Natürlich wäre es vermessen, zu glauben, dass wir immer alle Menschen willkommen heissen können. Ein guter Umgang mit den eigenen Grenzen gehört da auch dazu. Trotzdem will ich mich mehr und mehr vom Vater der bekannten Geschichte der verlorenen Söhne inspirieren lassen: Als der jüngere Sohn in der Fremde sein ganzes Erbe verprasste und in der Not nach Hause zurückkehrte, stellte der Vater keine Fragen (Hast du das wirklich gemacht? Was hast du dir dabei gedacht? Bedeute ich dir so wenig? …) sondern rannte ihm entgegen, breitete seine Armen aus und liess ihn spüren: „Du bist willkommen!“.

Mit diesem Lebensstil verändern wir die Welt! Und übrigens: Der Vater in der Geschichte ist ein Bild für Gott. In seiner Liebe streckt auch er seine Armen aus und möchte uns spüren lassen: „Du bist willkommen!“

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=VyN78NsgAfw[/youtube]

 

Unter dem Motto „Du bist willkommen!“ machen wir uns kommenden Sonntag an der gms Matinée in Studen BE weitere Gedanken zu dieser göttlichen Willkommens-Kultur. Versteht sich von selbst: „Du bist willkommen!“ (Infos)
 

 

 

 

 

 

Im GlücksBlog schreibe ich zu den fünf Bereichen, die zu einem Leben in Zufriedenheit gehören. Diese Woche geht es um den Bereich Gelebte Spiritualität.

#thebestisyettocome? Wie wird 2017?

Erfahrungen sind Maßarbeit. Sie passen nur dem, der sie macht.
Oscar Wilde

Einer meiner Facebook-Freunde hat #thebestisyettocome als (christliches) Unwort des Jahres vorgeschlagen. Dies war zwar mehr ironisch gemeint, hat mich aber trotzdem zum Nachdenken bewegt.

Was erwarte ich vom neuen Jahr? Was erwarte ich überhaupt von der vor mir liegenden Zeit?

Könnte es auch sein, dass die beste Zeit meines Lebens bereits hinter mir liegt? Das hoffe ich selbstverständlich nicht. Auch wenn ich in meinem Leben schon sehr viel Tolles, Motivierendes und Schönes erleben durfte – es dürfte in Zukunft durchaus noch mehr davon geben. Und ja, da sind auch noch grosse unerfüllte Träume.

Aber hilft es, wenn wir einfach den Hashtag #thebestisyettocome (also: Das Beste kommt erst noch) in die (socialmedia) Welt hinausposaunen?

Solcher herbeibeschworener Zukunftsoptimismus gibt es in der unterschiedlichsten Färbung:

  • Positives Denken will uns weis machen, dass wir alles erreichen können, was wir uns auch (aus)denken können.
  • Von Motivationsgurus werde ich unter dem Stichwort „So wird 20XX Ihr bestes Jahr“ zu jedem Jahreswechsel mit Seminar- und Workshopeinladungen eingedeckt.
  • Und eben auch in religiösen Kreisen kursiert diese #thebestisyettocome Haltung in der ganz eigenen Färbung: Wenn du Gott das Grosse wirklich von ganzem Herzen zutraust, wird es auch geschehen!

Entweder haben unsere Vorfahren etwas falsch gemacht oder #thebestisyettocome ist durchaus auch etwas kritisch zu sehen.

Jedenfalls sehe ich sowohl in der Geschichte (schon nur ein Blick in die Bibel reicht) als auch in meinem gegenwärtigen Umfeld viele geknickte Biographien. Das Leben verläuft einfach nicht am Schnürchen – und: es wird nicht einfach immer besser! Sorry, ich würde es auch gerne glauben.

Noch schlimmer: Inzwischen glaube ich auch nicht mehr an eine Art Zauberformel – egal welcher Färbung.

  • Auch mit dem grössten Glauben geschehen nicht alle gewünschten Wunder.
  • Noch so viel positive Visualisierung schützt nicht vor einem Schiffbruch.
  • Die ewige Selbstoptimierung wird uns nicht zu vollkommenen, stets erfolgreichen Menschen machen.

Ich glaube, dass das Leben individueller und viel komplexer ist. Wie es Oscar Wilde im obigen Zitat ausdrückt: Erfahrungen sind Massarbeit – meine Erfahrung passt zu mir, es ist meine persönliche, individuelle Geschichte. Und ich habe kein Recht, aus meiner Erfahrung 1 zu 1 auf das Leben anderer zu schliessen. Was bei mir gepasst hat, muss nicht unbedingt bei dir passen.

Nun, wie gehen wir also ins neue Jahr, überhaupt in die Zukunft? Statt #thebestisyettocome in eine pessimistische Haltung verfallen und in den allgemeinen depressiven Chor einstimmen: Es wird immer schlimmer und jetzt wird noch einer wie Donald Trump der mächtigste Mensch der Welt?

Natürlich nicht! Aber statt billige Rezepte wünsche ich mir eine tragfähige Hoffnung. Und statt das Beste immer in die Zukunft zu verbannen, möchte ich lernen, jedem einzelnen Tag die Chance geben, der beste Tag (für heute) zu sein. Im Hier und Jetzt leben und glücklich werden, bewusst schätzen und gestalten, was mir anvertraut ist.

Und was die Hoffnung angeht: In mir lebt tatsächlich diese Hoffnung, dass die Geschichte letztendlich ein gutes Ende nehmen wird. Ich glaube daran, dass Gott seine Versprechen hält und eines Tages dem Unvollkommenen ein Ende setzen wird.

In dem Sinn: #thebestisyettocome stimmt für mich tatsächlich, aber wohl nicht im 2017 – und nicht durch mein positives Denken, nicht durch meinen Glauben oder meine Selbstoptimierung. Sondern weil über allem Chaos ein gnädiger Gott ist, der ein Happyend für uns bereit hält.

 

Im GlücksBlog schreibe ich zu den fünf Bereichen, die zu einem Leben in Zufriedenheit gehören. Diese Woche geht es um den Bereich Bewusste Selbstführung.

Die Kunst, selber zu denken

Selbstdenken ist der höchste Mut.
Welche wagt, selbst zu denken,
die wird auch selbst handeln.

Bettina von Arnim

Neulich – es war die Woche der Trump-Wahl – sassen wir mit einem befreundeten Paar beim Frühstück. Wir sprachen über dies und das, auch über unsere Arbeit als Künstler und Referenten. Wir vier waren uns einig: Kunst und Bildung sollen zum Selberdenken anregen und nicht alle möglichen Fragen mit schnellen Antworten auf einfache Weise zu klären versuchen.

Einig waren wir uns aber auch, dass genau dies in gewissen Kreisen nicht gefragt ist. Mehr noch: Angebote, die zum selbständigen Weiterdenken einladen, sind oft Nischenprodukte. Tragischerweise lassen viele Menschen lieber andere für sich denken, als dass sie sich die Mühe nehmen würden, sich selbst ein möglichst breites Bild zu verschaffen und selbständig nach Antworten zu suchen.

Wer selber denkt, merkt dann wahrscheinlich auch, dass es oft die eine einfache Antwort gar nicht gibt. Das Leben ist viel komplexer. Und das macht das Selberdenken ja auch so anstrengend. Es ist viel einfacher, nachzuplappern, einer Masse nachzulaufen und Meinungsmacher anzuhimmeln, als einmal einen Schritt zurückzutreten und eine Situation mit etwas Distanz zu betrachten, nachzudenken und sich eine eigene Meinung zu bilden.

Worte sind schnell gemacht, Taten lassen oft lange auf sich warten. Wer nur die – oftmals polarisierenden – Standpunkte der lautstarken Meinungsmacher repetiert und auf deren Taten wartet, macht es sich zu einfach. Und das selbst der, welcher noch vor wenigen Wochen mit krassen Parolen Schlagzeilen machte, nun vor den Taten zurückschreckt, zeigt doch, dass die lauten Töne nicht unbedingt die nachhaltigsten sind. (Wobei wir in diesem Fall wohl dankbar dafür sein können, wenn nicht alle lauthals angepriesenen Instantlösungen umgesetzt werden.)

Leider haben es Menschen, die in ihrem Bereich (ob Kunst, Bildung oder Kirche; schön zu beobachten aber auch in der Politik) andere Leute mit einer differenzierten Herangehensweise zum Weiterdenken einladen, nicht immer leicht. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit einem Thema ist nicht wirklich schlagzeilentauglich. Und die Menschen sitzen lieber in einem Stadion voller Gleichgesinnten, als dass sie den Andersdenkenden und seine Sichtweise kennen lernen wollen.

Und so suchen wir dann das Polarisierende, das Trennende: Pro oder contra? Schwarz oder weiss? Ja oder nein? Links oder rechts? Trump oder Clinton? 

Doch diese Verkürzung von komplexen Zusammenhängen schafft Fans und Gegner. Aus dem Meinungsaustausch und dem Kennenlernen unterschiedlicher Ansichten wird ein Kampf. Wir gegen sie! Statt Brücken zu bauen, pudeln wir immer tiefere Gräben. Statt aufeinander zu, bewegen wir uns immer weiter voneinander weg. Statt dem Miteinander eine Chance zu geben, zementieren wir das Gegeneinander.

Einigen macht diese Tendenz zu Extrempositionen Angst und sie sehen schon den nächsten Weltkrieg anklopfen. Mich macht es mindestens traurig. Traurig, dass wir Menschen es immer noch nicht schaffen, den anderen zu respektieren, das Fremde (den Fremden) zu lieben, einander zu verstehen und wo das nicht möglich ist, einander wenigstens stehen zu lassen, ohne den Anspruch zu haben, die eigene Wahrheit sei die absolute Wahrheit.

Übrigens, wer schon mal das Stockhorn von Thun und dann vom Niederhorn aus betrachtet hat, weiss, dass der eigene Standpunkt nie die volle Wahrheit sagt.

Lasst uns selberdenken, ohne den Andersdenkenden zu diskreditieren.
Lasst uns mutig sein und Brücken bauen, statt Gräben zu graben.
Lasst uns handeln und nicht nur blind den Wortführern folgen. 

 

Mein Blogbeitrag dieser Woche dreht sich um den Lebensbereich “Selbst