Die Psychologie des Gebens

Das Timing hätte nicht besser sein können: Letzten Sonntag stand die gms Matinée unter dem Motto „Lebe grosszügig!“. Tags zuvor war auf der Frontseite der Boulevardzeitung Blick zu lesen: Gottes Lohn – aber in Cash. Ex-Anhänger wirft der evangelikalen Freikirche ICF Raffgier vor.

Auch wenn der Artikel journalistisch mehr als peinlich ist und Dinge miteinander verknüpft werden, die gar nicht zusammengehören, zeigt sich doch: Wenn es ums Geld geht, besonders gerade im Kontext einer Freikirche, begeben wir uns in einen sehr sensiblen Bereich.

Was den Blick-Artikel betrifft, finde ich, die Verantwortlichen vom ICF haben sehr gut reagiert.

Als hätte ich nicht schon über die Brisanz des Themas Bescheid gewusst, wurde ich durch die Blick-Schlagzeile nochmals daran erinnert: Wenn du übers Geld sprichst, wird es heikel. Da gibt es Reflexe in uns, die sofort in Abwehr- oder Kampf-Modus umschalten.

Wer Geld hat, der hat Macht. Doch noch mehr Macht steckt eben im Geld selbst. Mit Geld können wir sehr viel Gutes anstellen, die Welt im Kleinen und Grossen zu einem besseren Ort machen.

Geld kann uns jedoch auch vergiften, Geld ist ein hervorragendes Suchtmittel. Das Spektrum von negativen Eigenschaften, die Geld in uns zum Erwachen bringen kann, ist riesig: sorgenvoll, geizig, stolz, gierig, knausrig, eifersüchtig, selbstsüchtig …

Einen gesunden Umgang mit Geld erlernen

„Geben ist seliger als Nehmen“, hat man früher gesagt. Heute zählt (wenn man einer früheren Werbekampagne Glaube schenken will):  „Geiz ist geil“. Kann ja vielleicht sein, aber glücklich macht der Geiz nicht.

Im Gegenteil: Die Wissenschaft bestätigt, was der alte Spruch von Geben und Nehmen aus der Bibel schon längst sagte: Grosszügigkeit wird von unserem Hirn viel mehr belohnt, macht viel glücklicher, als Egoismus.

Darum hab ich in meiner Message letzten Sonntag als erster von vier Gründen für einen grosszügigen Lebensstil den psychologischen Grund genannt: Grosszügigkeit macht glücklich.

Tobias Esch, Arzt und Neurobiologe,  sagt es in seinem Buch Die Neurobiologie des Glücks: Wie die Positive Psychologie die Medizin verändert so: «Menschen, die freiwillig helfen, mehr spenden und verschenken, und solche, denen andere vertrauen, diese Menschen sind glücklicher!»

Und weiter:

Beim altruistischen Handeln werden unsere eigenen Ressourcen und salutogenen Potenziale über endogene Belohnungsmechanismen aktiviert … Da ist alles ziemlich gesund.

Geld macht nicht glücklich. Mindestens dann nicht mehr, wenn unser Grundbedarf gedeckt ist.

Glücklich kann – das wusste schon die Bibel und wird durch die Glücksforschung bestätigt – jedoch das machen, was wir mit dem Geld tun:

Ein grosszügiger Lebensstil fördert unser Glücksempfinden. Spenden ist nicht nur edel, es werden dabei auch Glückshormone ausgeschüttet.

Grosszügigkeit ist jedoch viel mehr als einfach Geld zu spenden: Wenn sie zu unserem Lebensstil wird, ist es eine Haltung: Ich verschenke mich meinen Mitmenschen. Das heisst nicht, klein von sich zu denken.

Aber dass ich vielleicht etwas weniger an mich selbst denke und so meine Mitmenschen mehr ins Blickfeld rücke: Wie kann ich meiner Familie und meinen Freunden, meinen Nachbarn, den Arbeitskollegen und auch mal dem Fremden, überhaupt der Gesellschaft etwas geben?

Angefangen beim Lächeln zum aufbauenden Gespräch über eine praktische „Liebestat“ bis zur materiellen Unterstützung.

Diese guten Taten machen mindestens zwei Menschen glückliche: Den Empfangenden und den Gebenden. 

Was ein solches Geben (wie zum Beispiel auch in der Freiwilligenarbeit) bei uns auslöst, hat die Glücksforschung eindrücklich herausgearbeitet:

– Gesund für das Herz-Kreislauf-System
– 
Verringerung depressiver Symptome
– 
Anstieg des Glücksempfindens
– Anstieg des Selbstwertgefühls
– Gefühl der Beherrschung steigt
– Gefühl der Selbstbestimmung steigt
– „Helferhoch“

Unser Hirn belohnt nicht Egoismus. Richtig aufblühen tun wir da, wo wir grosszügig leben.

Glücksaufgabe

Suchst du Glück? Dann mache Grosszügigkeit zu einem deiner zentralen Lebenswerte und finde Wege, wie du andere beschenken kannst.

Interessieren dich meine weiteren Gründe für einen grosszügigen Lebensstil? Hier findest du das Handout zur Message.

Geschenke, die etwas bewegen

„Das, was wir aus Liebe tun, tun wir im höchsten Grade freiwillig.“
(Thomas von Aquin)

Gerade eben habe ich mir die nie gehaltene Rede, die trotzdem zur „Rede des Jahres 2011“ ausgezeichnet wurde, angesehen. Jean Ziegler wurde von der Universität Tübingen für seine Rede geehrt, die er, nach einer Ein- und dann wieder Ausladung als Eröffnungsredner der Salzburger Festspiele, schliesslich via Youtube verbreitete.

Was ich da höre, ist nicht ganz neu und gehört seit Jahren zur Botschaft von Jean Ziegler: „Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren“, beginnt er und führt dann aus, dass heute im Gegensatz zu früheren Zeiten weltweit mehr als genug Nahrung zur Verfügung stehen würde. Das Problem liegt also im System, in der Weltordnung. Erschreckend: Laut Ziegler sind die Leistungen für die Bekämpfung der Armut aus dem Westen seit der Finanzkrise massiv gesenkt worden. „Wir“ retten scheinbar lieber Banken aus dem selbstverschuldeten Sumpf als Kinder vor dem sicheren Hungertod zu retten.

Was hat der Hunger der Welt mit meinem Zitat der Woche zu tun? Es könnte ganz viel damit zu tun haben. Wir tun ganz vieles einfach so – ohne Lohn oder Ehre zu erwarten – eben freiwillig. Aus freiem Willen. Weil es uns ein Anliegen ist, weil wir es gerne tun, weil wir es lieben.

Nun, Freiwilligkeit kann man eben nicht anderen aufzwingen. Und trotzdem möchte ich uns alle herausfordern, zu Weihnachten nicht nur einfach unsere Liebsten mit irgendwas zu beschenken, sondern auch über die Familie hinaus Gutes zu tun. Gutes tun tut gut – uns selbst, unserem Mitmenschen, unserer Welt.

Geschenkvorschlag 1

Es gibt zahlreiche Menschen, die sich durchs Jahr durch freiwillig für die Gesellschaft engagiert haben. Ich selbst durfte dieses Jahr mit vielen zusammenarbeiten, die sich ehrenamtlich in unserer sozial-diakonischen Kinder- und Familienanimation engagiert haben. Das ist eine tolle Form, Gutes zu tun. Ein Weihnachtsgeschenk könnte ja folgender Neujahresvorsatz sein: Ich schenke einen Teil meiner Zeit im 2012 einer gemeinnützigen Organisation, in dem ich paar Stunden pro Monat Freiwilligenarbeit leiste.

Geschenkvorschlag 2

Standen Sie schon mal dem Hungertod nahe? Wohl kaum. Unsere Probleme sind oft andere: Wie werden wir die im Dezember angesammelten Kilos im Januar wieder los? Wenn wir schon Geld für Diätbücher und Fitnessabos ausgeben, könnten wir da nicht auch Geld in die Armutsbekämpfung investieren?

Besondere Geschenke, die etwas bewegen. (Quelle: tearfund.ch)

Als Familie haben wir unser „Spendenbudget 2011“ noch nicht ausgeschöpft. Als ich mir heute morgen Gedanken zu diesem Blogbeitrag gemacht habe, entstand folgende Idee: Wenn wir morgen als Familie ein weihnächtliches Puppentheater besuchen, danach über den Weihnachtsmarkt bummeln und wahrscheinlich noch gemeinsam essen gehen, will ich anschliessend mit meiner Familie „Geldgeschenke“ machen. Das Hilfswerk tearfund.ch hat besondere Geschenke im Angebot: Von Saatgut für eine Kleinbauernfamilie in Peru über eine Nähmaschine für eine junge Frau in Bangladesch bis zum Regenwassertank für ein Quartier in Uganda. Was werden meine Kinder und meine Frau wohl auswählen? Und was würden Sie auswählen? Oder: Helfen Sie mit? Was wählen Sie aus? (Selbstverständlich gibt es neben tearfund.ch noch viele andere gute Hilfswerke und ich krieg auch keine Provision!)

Ich lade uns alle ein, aus Überzeugung und aus Liebe Geschenke zu machen, die etwas bewegen. Die meisten von uns haben genügend Zeit und Geld zum Schenken. Oder mindestens das Eine von beidem. Aber eben, es ist freiwillig.