Was für ein Kontrast: Zuletzt schaute ich spätabends regelmässig bei CNN rein, um die dramatische Corona-Entwicklung in den USA und das ungeschickte Handeln des mächtigsten Mannes zu verfolgen. Gestern Abend jedoch liess ich mich spätabends nicht von drastisch steigenden Zahlen berieseln, sondern genoss unser traditionelles Sommerfestli in unserem Garten.
Liebend gerne würde ich nun über die Qualität dieser unbekümmerten Stunden zusammen mit anderen Menschen schreiben – doch dies tat ich schon letztes Jahr.
Und so kommen wir halt wieder zurück zu dieser Corona-Krise: Neulich, im Anschluss an einen Gemeindepräsidenten-Anlass, standen wir, soweit möglich mit der nötigen Distanz, zusammen beim Apéro. Natürlich war das Thema gesetzt – einmal mehr ging es um Corona und wie wir damit umgehen würden.
Irgendwann kamen dabei auch die geschmacklosen Plakate, die suggerieren, Corona wäre die Strafe Gottes für unser Handeln, zur Sprache. Was ich als Pfarrer denn dazu sagen würde? „Ist Corona jetzt eine Strafe Gottes oder nicht; was sagst du dazu, Stef?“
Meine spontane Antwort ging in diese Richtung: „Nein, ich glaube nicht, dass Corona eine Strafe Gottes ist. Vielmehr ist es eine Gelegenheit, unser Leben zu reflektieren.“
Es ist einfach nicht fair, Gott Dinge in die Schuhe zu schieben, die wir im Grunde selber zu verantworten haben. So viele Krisen und Katastrophen auf dieser Welt sind ja tatsächlich hausgemacht oder eben „menschgemacht“.
Dann ist Corona als doch eine Quittung für unser Handeln? Ja, so formuliert stimmt der Satz wohl schon. Aber die Konsequenzen unseres Handelns mit einer Strafe Gottes gleichzusetzen, liegt mir fern.
Von Welt-, Menschen- und Gottesbildern
Ein Lieblingswitz von meiner Frau und mir geht so: „Als wir noch keine Kinder hatten, waren wir auch für eine konsequente Erziehung.“
In der Tat haben wir längst nicht all unsere edeln Vorsätze im hektischen Erziehungsalltag umsetzen können. Doch die Idee einer partnerschaftlichen Erziehung, die die Persönlichkeit des Kindes wahr- und ernstnimmt, dabei auch aushält, dass ein bestimmtes Verhalten auch bestimmte Konsequenzen mitbringt, gefällt uns nach wie vor.
Bin ich nun also ein strafender Vater, wenn ich mein Kind nicht vor den Konsequenzen seines Handelns bewahre?
Wo würde denn mein Kind landen, wenn ich es jedesmal vor den Folgen seines Handelns verschonen würde?
Und jetzt zurück zu Gott und Corona: Wo würde die Menschheit landen, wenn Gott uns vor jeder Katastrophe verschonen würde?
Krisen wie die gegenwärtige machen uns demütig, erinnern uns daran, dass wir nicht alles unter Kontrolle haben und lassen uns über den Wert jedes einzelnen Menschenleben nachdenken. Das ist die gute Seite der schrecklichen Corona-Tragödie.
Ich stelle eine böse Vermutung auf: Wenn wir unsere Kinder vor den Konsequenzen ihres Handelns verschonen, werden sie zu selbstverliebten Zeitgenossen, die tatsächlich meinen, alle anderen existieren nur dazu, sie glücklich zu machen.
Wenn „der liebe Gott“ tatsächlich nur „lieb“ im Sinn von uns vor jedem Leid und jeder Katastrophe zu verschonen wäre, würde auf dieser Welt bald einmal nur noch Narzissten leben, die tatsächlich davon ausgingen, die gesamte Welt dreh sich um sie selbst.
Es ist eine Frage des Menschen- und Gottesbildes. Ich glaube nicht an einen strafenden Gott, der bloss darauf wartet, wann er uns ein nächstes Virus als Strafe für unser Handeln vorbeischicken könnte.
Aber Gott ist auch nicht ein Spielball unserer Laune, der nur dafür da ist, uns ein möglichst bequemes Leben zu ermöglichen. Nein, unser Handeln hat tatsächlich Konsequenzen – viele positive, aber oft auch schmerzhafte.
In einem schwarz-weiss Denken ist alles entweder Strafe oder Bestätigung. In meinem Weltbild gibt es jedoch mehr Farben als bloss schwarz und weiss.
Und: Ich bin gerne ein Kind meines Vaters im Himmel. Die göttliche Liebe ist das grossartige und vollkommene Geschenk des Lebens.
Glücksaufgabe
Wie denkst du über „Strafe Gottes“? Welche Menschen- und Gottesbilder prägen dich? Und was bedeutet es für dich, in Gott einen himmlischen Vater zu haben?