Päpu, du fehlst!

Hier im GlücksBlog blieb es in den letzten Wochen still. Aus Gründen … Zuerst wurde uns in Köln feierlich der Verkündigungspreis überreicht, danach gings fast direkt weiter an die Jährliche Konferenz unserer Kirche und pünktlich auf das letzte vollgepackte Wochenende verschlechterte sich der Gesundheitszustand meines erkrankten Vaters massiv.

Fünf Tage später wurde er von seinen Leiden erlöst – er konnte seinem Wunsch entsprechend friedlich daheim einschlafen. Ihn gehen zu lassen war sehr schön und sehr schmerzhaft, sehr heilig und sehr traurig – du hast noch einmal die Augen geöffnet, uns ein Lächeln geschenkt und dich auf die ewige Reise gemacht.

Zwei Wochen ist es jetzt her. Das grosse Wunder blieb aus, viele kleine durften wir erleben. Ich bin tieftraurig und enorm dankbar. Dein Leben hat Spuren hinterlassen – davon zeugen dutzende persönliche Erinnerungen in den vielen Trauerkarten, die uns erreichen.

Die vielleicht stärksten Spuren hast du in meinem Leben hinterlassen, Päpu.
Und du fehlst mir!

Mir wird dein Stolz auf mich fehlen

Du hast nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass du stolz auf mich warst. Als Jugendlicher, der wohl besonders fromm sein wollte, hatte ich dir mal gesagt, du sollst nicht stolz auf mich sein. Stolz sei nicht so gut, stehe doch schon in der Bibel.

Ach Mensch, so kann man die Bibel auch verdrehen. Wie wichtig und prägend war es doch, einen Vater zu haben, der stolz auf mich war – selbst, wenn ich als Letzter beim Bächlilauf ins Ziel hechelte. Und du hast es mir auch gesagt und gezeigt.

Päpu, ich danke dir dafür, dass du stolz auf mich warst!

(Eltern, seid nicht nur heimlich stolz auf eure Kinder! Lasst es sie spüren! Es wird eure Kinder zum Fliegen bringen.)

Mir werden die gemeinsamen Stunden fehlen

Was für ein Geschenk, dass wir (m)ein Leben lang höchstens ein Haus voneinander entfernt wohnten. Du hast meine Kinder glücklich gemacht und mir und meiner Frau damit ermöglicht, unsere Berufung zu leben.

Und durch die Nähe durften wir unkompliziert viele Stunden spontan oder geplant miteinander verbringen: Ein leckeres Essen bei dir (euch) auf der Terrasse, ein Glas Rotwein bei uns im Garten.

Noch im Frühling vor einem Jahr haben wir wunderschöne Skitage gemeinsam erlebt. Du warst fit, wir genossen den Neuschnee, die Sonne, das Tempo … Nichts deutete darauf hin, dass dein Körper schon bald zerfallen würde.

Päpu, ich danke dir für die gemeinsamen Stunden und dass du grosszügig mit mir geteilt hast, was dir anvertraut wurde.

Mir wird dein Glaube an mich fehlen

Auch wenn du meine Pläne und Entscheidungen nicht immer nachvollziehen konntest, du hast stets an mich geglaubt.

Als ich dir von meiner Berufung in den kirchlichen Dienst erzählte, hattest du zu schlucken. Nicht, weil das «kein richtiger Beruf» wäre, sondern weil du wusstest, dass dies kein leichter Weg sein wird.

Trotzdem hast du immer an mich geglaubt. Du versuchtest nicht, mich von meinem Weg abzuhalten.

Päpu, ich danke dir für diesen Glauben an mich. Dein Vertrauen hat mich zum Fliegen gebracht!

Mir wird dein Mittragen fehlen

Jemand hat es sehr treffen geschrieben: «Oft habe ich miterlebt, wie Willy zwar still und doch ganz hingegeben mitgetragen hat.»

Ja, das warst du! Nicht der Bühnenmensch – das hast du deinen Söhnen überlassen. Doch du warst der stille (Lasten)Träger. Unzählige Stühle gerichtet, Kaffees angeboten, viel Zeit & Geld gespendet, viele Menschen mit ermutigenden Worten beschenkt und nur du und Gott wissen, wie viele Gebete du für deine Familie und ihre Projekte gesprochen hast.

Päpu, ich danke dir für alles Mittragen. Ohne dich wäre vieles nicht möglich gewesen.

Nicht alles wird mir fehlen

Bevor ihr denkt, ich will hier meinen Päpu heiligsprechen, sei auch das noch gesagt: Daddy, ich vermisse dich sehr und ich habe dich enorm geliebt, aber es gibt da auch Dinge, die ich nicht vermissen werde. Und ich glaube, auch du bist froh, dass du diesen Anteil deiner Persönlichkeit nun hinter dir lassen konntest.

Noch im Schluchzen am Totenbett fragte ich: «Und wer wird jetzt reklamieren?». Ja, du hattest immer mal wieder etwas zu nörgeln. Bestimmt hattest du auch das gut gemeint, doch dein schon bald 50jähriger Sohn muss nicht daran erinnert werden, dass er übergewichtig ist, zum Beispiel.

Päpu, es gab auch immer wieder dunkle Tage in deinem Leben, wo sich deine kleine und die grosse weite Welt schwer für dich anfühlte. Als Perfektionist hast du vielleicht noch mehr als wir anderen an der Unvollkommenheit dieser Welt und der Menschen darauf gelitten.

Wie schön, dass du diesen Schatten nun für immer hinter dir lassen und ins vollkommene Licht fliegen durftest.

Päpu, ich liebe und vermisse dich!
Adieu, mein herzensguter Papi!

Weggetragen

«Du hangisch wieder», wurde mir Ende September mehrmals gesagt. Gemeint war, dass auch mein Kopf im Plakat-Wald des Wahlherbstes zu finden war.

Auch wenn ich mich nach mehreren Wahlkämpfen (mit mehr oder weniger Ambitionen) daran gewöhnt habe, wochenlang an einem Plakat von mir selbst vorbeizufahren – es bleibt etwas Spezielles und irgendwie auch Unangenehmes.

Schön war dieses Jahr, dass mir Kids auf dem Schulhausplatz «Sälü Herr Gerber» nachgerufen haben. Erschreckend fand ich, wie viele Menschen unser, zugegebenermassen kompliziertes und für Kleinparteien auch unfaires, Wahlsystem nicht begreifen: «Wenn sein Plakat im Dorf hängt, dann will er auch unbedingt in den Nationalrat». Nein, das war nicht so, ich wollte nur meiner Partei (EVP) helfen und unserem Nationalrat (Marc Jost) zur Wiederwahl verhelfen.

Soweit so gut, um Politik soll es hier nicht gehen.

Eine Szene nach den Wahlen war so skurril, dass ich sie hier mit euch teilen will: Als wir durch ein Nachbardorf fuhren, sahen meine Frau und ich, wie ein Werkhof Mitarbeiter gerade den Plakatständer mit meinem Kopf darauf wegtrug.

Das ist eingefahren: Ich werde einfach weggetragen. Ein starker Mann nimmt mich einfach so unter seinen Arm – und weg bin ich.

Wir schauten der Szenerie etwas perplex zu und verpassten es so leider, ein Foto davon zu schiessen. Ein solches Bild hätte meine Gedanken hier eindrücklich untermalen können. Nun setz ich einfach auf deine Vorstellungskraft!

Endlichkeit vor Augen

Dieses Bild, wie ich weggetragen werde, brannte sich sofort in mein Herz. Deutlicher kann man nicht mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert werden. Meine Zeit, mein Sein und Tun, all die schönen Beziehungen und all mein freudiges Wirken, aber auch sämtlicher Schmerz des Alltags – all das hat ein Verfallsdatum.

Irgendwann werde ich nicht mehr sein!

Und bei dir ist es genauso!

Ich finde diesen Gedanken nicht bedrohlich – auch wenn ich hoffe, dass mein Verfallsdatum noch einige Jahre auf sich warten lässt.

Doch die Endlichkeit vor Augen ist für mich eine Einladung, mein Leben bewusst zu gestalten. Mich regelmässig, ganz besonders um meinen Geburtstag herum (war gestern), zu fragen, was ich durch mein Sein und Tun bewegen will und was ich eines Tages hinterlassen will.

Die Amis sprechen da schön von «Leave a legacy», die deutsche Übersetzung kommt nicht an diesen schönen Satz heran: Ein Vermächtnis hinterlassen.

Aber bleiben wir dabei: Welches Vermächtnis wollen wir zurücklassen? Das entscheidet sich heute – und nicht auf dem Sterbebett!

Die kleinen Entscheidungen des Alltags bestimmen, welche «Legacy» wir einmal zurücklassen werden.

Das Bild meines Wegtragens ist kaum an Dramatik zu überbieten, wenn ich dir jetzt noch etwas ganz Persönliches anvertraue: Genau in diesen Tagen, als sich die Szenerie abspielte, erfuhren wir, dass die Chemotherapie bei meinem Vater sein Ziel verfehlt und er besser seiner baldigen Endlichkeit ins Auge schaut.

Lass uns im Bewusstsein leben, dass wir möglicherweise schon morgen weggetragen werden.

Glücksaufgabe

Meine Hoffnung, dass es auch nach dem endgültigen Wegtragen meiner Selbst nicht zu Ende ist, nährt sich aus meinem Vertrauen in die christliche Verheissung: Nach dem unvollkommenen Leben im Hier und Jetzt mit all seiner Schönheit und seiner Tragik, wartet auf uns ein vollkommenes Leben im Jenseits. All unsere Sehnsüchte werden da gestillt werden.

Und welche Hoffnung trägt dich über die Endlichkeit des diesseitigen Lebens hinaus?

Nach den vielen Worten hier ein Lied, das mich bewegt und etwas von dieser Hoffnung ausdrückt: