Hör auf dein Herz

Neulich hörte ich mich in einer Moderation sagen: «Ich schaue gerne Menschen bei der Arbeit zu!» Stimmt wirklich. Ich beobachte gerne andere Menschen, wenn sie am Arbeiten sind.

Nicht, dass es mir an Motivation fehlen würde, um selbst tatkräftig anzupacken – darum geht es mir nicht. Doch es fasziniert mich, zu beobachten, mit welcher Leidenschaft Menschen ihrer Tätigkeit nachgehen – oder eben auch nicht.

Gerade letzte Woche wieder: Als Feriengast spürte ich sofort, wer vom Servicepersonal mit Engagement und sogar Freude bei der Arbeit ist und wer eher wie eine «herzlose Maschine» funktioniert.

Erhalte ich als Gast ein Lächeln? Oder wird mindestens mein Lächeln erwidert? Oder werde ich gar nicht als Gegenüber registriert?

Wenn unsere Bedienung am zweiten Abend beispielsweise proaktiv fragt, ob wir wieder Cola, Wasser und Wein möchten, fühle ich mich als Gast gesehen. Da bin ich bestimmt völlig einfach gestrickt: Ich fühle mich einfach gut, wenn ich wiedererkannt werde.

Mit Leidenschaft an der Arbeit

Es ist doch ein riesiger Unterschied, ob du das Glück hast, auf Mitarbeitende zu treffen, die ihre Arbeit mit Leidenschaft (Herz) ausführen oder solche, die nur mit Kopf und Hand ihre Aufgaben erfüllen. Mitarbeitende, die nur mit Herz aber ohne Kopf oder ohne Fähigkeiten (Hand) dabei sind, sind natürlich auch keine Idealbesetzung.

Doch können wir uns darauf einigen? Wenn das Herz fehlt, geht so viel Menschliches, Schönes, Guttuendes verloren.

Hast du schon erlebt, dass dir eine Bahndurchsage ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat? Es gibt die Ansagen, die verstehst du kaum, weil es quietscht und rauscht. Bei anderen fragst du dich, ob du gerade Teil einer Geiselnahme bist. Andere klingen, als wäre das Personal lieber ohne Zugreisende unterwegs. Schliesslich aber gibt es solche Durchsagen, da spürst du förmlich die Leidenschaft der Person am Mikrofon: Mit etwas so Banalem wie einer Durchsage von Ankunftszeiten und Umsteigemöglichkeiten wird ansteckende Positivität verbreitet.

Und so können wir alle Bereiche des täglichen Lebens durchgehen: Schon mal Menschen auf einer Bühne zugeschaut, die lustlos ihr Programm abspulten? Oder hast du auch schon festgestellt, dass du nach dem Anruf auf einer Hotline positiv gestimmt warst – und das nicht nur, weil dein Problem gelöst wurde?

Wir sind Menschen mit Herz und diesem Herz tut es gut, wenn es von anderen Menschen mit Herz berührt wird. Ja, ich glaube, das ist es, was mich fasziniert, wenn ich anderen beim Arbeiten zuschaue: Wenn sie es schaffen, mit ihrem Tun Menschen zu berühren.

Richtig toll kommt dies im Film «Kiss the Cook» zum Ausdruck:

Am Ende dieses Trailers sagt der Vater zum Sohn: «Mit dem, was ich tue, berühre ich die Herzen der Leute – ich liebe es. Und das will ich mit dir teilen.»

Leider haben viele Menschen im Laufe eines Berufslebens ihre Leidenschaft verloren. Manchmal ist das vor allem traurig für sie selbst, weil ihnen etwas entgeht. In vielen Berufsfeldern (vom Gesundheitswesen über die Betreuung bis zu den Kirchen) finde ich es jedoch tragisch für die Menschen, die solche Berufsleute ohne Leidenschaft erleiden müssen.

Glücksaufgabe

Mit diesen Fragen kannst du deiner eigenen Leidenschaft auf die Spur kommen:

Wo hast du neulich Flow erlebt?

Hast du eine besondere Leidenschaft, ein spezielles Interesse?

Was ist dein Herzensthema? Welche Menschen(gruppen) liegen dir besonders am Herzen?

Der Blanko-Check: Stell dir vor, es gibt keine Hindernisse, weder Zeit noch Geld oder Umstände – was würdest du anpacken?

Zum Thema Leidenschaft ist kürzlich meine Predigt «Hör auf dein Herz» als Podcast veröffentlicht worden. Hier kannst du sie nachhören. Die Predigt ist aus der Serie «Spuren hinterlassen – leave a legacy». Vielleicht magst du ja auch mal an einer gms Matinée dabei sein. Ich würd mich freuen!

Es beginnt im Herzen

Gestern war es wieder einmal so weit: Wir genossen tolle Live-Musik, ein Apéro, liessen uns von einer spannenden Lebensgeschichte inspirieren – und dies alles in gemütlicher Bistro-Atmosphäre ohne Zertifikat oder Maske …

Unser Format Chäs, Brot, Wy – und mini Gschicht mit Gott war in den letzten zwei Jahren wie alle kulturellen Events stark in Corona-Mitleidenschaft gezogen worden. Und so genoss ich es sehr, gestern «fast wie früher» in einem mit jungen und älteren Menschen gut gefüllten H2 den Abend zu verbringen.

Genossen habe ich auch den Talk mit unserem Gast des Abends: Sarah Bach, Pfarrerin und Klimaaktivisten, erzählte uns, was sie in ihrer Kindheit geprägt hatte und wofür ihr Herz heute ganz besonders schlägt.

Der Talk bietet ganz viel Stoff zum Weiterdenken. Zwei Dinge sind mir da ganz besonders hängen geblieben:

  1. Die Geschichte von Sarah ist ein wunderbares Beispiel dafür, was die Leidenschaft für ein Thema bewirken kann.
  2. Der Klimawandel ist nicht bloss eine Klimakrise, sondern vergrössert die Ungerechtigkeit in allen Bereichen.

Wandel durch persönliche Betroffenheit

Wie geschieht Veränderung? Einige sagen, alles beginne im Kopf. Oder zum Neujahr hin hören wir immer wieder, dass wir einfach den inneren Schweinehund überwinden müssten, dann klappe es schon mit den Neujahrsvorsätzen.

Und im Blick auf die aktuelle Weltlage wird derzeit oft auf den – inzwischen zum Scheitern verurteilten – Plan «Wandel durch Handel» verwiesen.

Sarah erzählte uns gestern, dass sie nicht zur Klimaaktivisten wurde, weil jemand moralisierend zu ihr gesagt hätte: «Da muss jemand etwas machen!». Vielmehr war es die persönliche Betroffenheit. Durch die Auseinandersetzung mit dem Thema wurde ihr Herz auf eine ganz spezielle Art berührt.

Genau dieses Berührtsein – ich nenne es Passion oder Leidenschaft – setzt ungekannte Kräfte frei. Es ist dann, wenn sich ein Thema, eine Not oder eine besondere Menschengruppe so sehr in deinem Herzen und deinen Gedanken einnistet, dass du dich im besten Sinn des Wortes freiwillig dafür einsetzt.

Aus freien Stücken – nicht weil irgendjemand zu dir sagt, du sollst dies tun. Und willig, weil du dieser bestimmten Not etwas entgegensetzen willst.

Darum glaube ich, dass Veränderung im Herzen und nicht im Kopf passiert. Nicht, weil wir mehr und mehr wissen, verändert sich etwas. Sondern wenn uns etwas so sehr packt, dass eine Sehnsucht in unserem Herzen wächst, aktiv zu werden.

Vom bekannten und wichtigen Dreiklang von Herz, Kopf und Hand sprach Sarah. Etwas berührt unser Herz, bringt uns zum Nachdenken und Pläne schmieden und damit die Veränderung dann auch wirklich ins Rollen kommt, müssen den edlen Absichten und guten Gedanken Hände und Füsse wachsen: Die gute Tat.

Intersektionalität: Klimawandel verstärkt die Ungerechtigkeit

Der zweite Aspekt, der vom gestrigen Talk noch nachklingt, ist das Fremdwort, welches Sarah «mitgebracht» hatte: Intersektionalität.

Einfach ausgedrückt, besagt der Begriff: Wem es schon schlecht geht, steht in Gefahr, dass es noch schlimmer wird.

Und jetzt in den Worten von Sarah: «Der Begriff wird gebraucht um zu beschreiben, wie verschiedene Unterdrückungsmechanismen zusammenspielen können. Wer also bereits unter einer Unterdrückung leidet, sei es aufgrund der Rasse, des Geschlechts, der sozialen Klasse, ist anfälliger für andere Diskriminierungsformen.»

Weiter zeigte sie auf, dass unter dem Klimawandel besonders die Menschen zu leiden haben, die es schon sonst schwer haben. Die Ungerechtigkeit auf der Welt wird quasi durch den Klimawandel weiter verstärkt.

Es ist wie eine Negativspirale, die uns immer weiter herunterzieht. Auf der anderen Seite gibt es auch sowas wie die Positivspirale – werden in einem Bereich (z.B. Bildung) Besserungen erzielt, zieht es auch weitere Bereiche nach sich.

«Deshalb sollte ein Kampf gegen den Klimawandel auch ein Kampf gegen andere Ungerechtigkeiten beinhalten und antirassistisch, feministisch und antikapitalistisch gestaltet sein, um die Ungerechtigkeitsformen von mehreren Seiten angehen zu können.»

Glücksaufgabe

Und was hat Intersektionalität mit Glück zu tun? Was wir bei der globalen Ungerechtigkeit beobachten können, lässt sich auch aufs Individuum übertragen: Wenn ich in einem Lebensbereich gerade sehr herausgefordert bin (z.B. Arbeitslosigkeit), kann dieser Zustand alle anderen Lebensbereiche (Familie, guter Umgang mit mir selbst, Sozialleben) in Mitleidenschaft ziehen.

Gelingt mir jedoch in einem Lebensbereich eine zufriedenstellende Entwicklung, besteht die berechtigte Hoffnung, dass ich auch in anderen Bereichen mehr Glück im Sinn von Lebenszufriedenheit empfinden werde.

Du willst mehr Glück in deinem Leben? Dann setzt dich mit diesen beiden Fragen auseinander:

  1. Was berührt mein Herz? Finde deine Leidenschaft und werde aktiv darin!
  2. In welchem Lebensbereich kannst du mit einem kleinen nächsten Schritt eine positive Entwicklung einleiten und dich damit in eine Positivspirale manövrieren?