Boarding Time

Advent ist, wenn Kinderaugen wieder zu strahlen beginnen
und wir uns anstecken lassen von der Vorfreude auf Weihnachten.
Gudrun Kropp

Vielleicht ist es bei Vielfliegern anders, aber Menschen, die nicht regelmässig ins Flugzeug steigen, haben gewöhnlich eine etwas erhöhte Anspannung, wenn sie 1-2 Stunden vor Abflug am Flughafen ankommen und einchecken. Das war bei mir vor einigen Jahren nicht anders. Doch schlagartig wurde aus meiner erhöhten Anspannung totale Alarmbereitschaft. Die netten Leute beim Check-In sagten mir ganz höflich: „Mit diesem Pass lassen sie Sie in den USA nicht rein.“ Uf, da hab ich scheinbar ein wichtiges Detail übersehen… Und jetzt? Mit rasendem Puls und aussergewöhnlichem Adrenalinschub suchte ich das Notpassbüro am Flughafen auf.

Jede Menge Schweisstropfen später und viele Franken leichter war ich dann nicht gerade stolzer Besitzer eines provisorischen Passes. Erschöpft, aber immerhin noch rechtzeitig zum Boarding, erreichte ich das Gate. Zur Entspannung blieb mir ja ein langer Flug nach Chicago.

Genauso hektisch wie meine „Flugvorbereitung“ von damals, verläuft häufig die Adventszeit. Mit der Idealvorstellung einer gemütlichen Stunde vor dem Abflug (vielleicht mit Prosecco an der Panoramabar) reiste ich an den Flughafen. Mit viel Idealvorstellungen und idyllischen Bildern starten viele von uns Jahr für Jahr auch in die Adventszeit. Klein und Gross freuen sich, überall gibt es Beleuchtungen zu bestaunen und wir stellen uns vor, wie wir in unserer weihnächtlich dekorierten Wohnung bei Kerzenschein eine gemütliche Stunde mit unseren Liebsten verbringen, vielleicht sogar eine Adventsgeschichte erzählen.

Doch dann reisst uns die harte Realität aus der Traumwelt: Im Geschäft ist alles andere als Gemütlichkeit angesagt, da ja auf den letzten Drücker noch die Jahresziele ins Trockene gefahren werden müssen. Mit den Kindern gilt es die nett gemeinten besonderen (besinnlichen) Aktivitäten von Schule, Schwimmclub und Kirche abzuspulen. Natürlich: Nicht zu vergessen all die noch nicht vorhandenen Geschenke, die üppigen Weihnachtsessen und die nervtötenden Familiendiskussionen, wer nun eigentlich dieses Jahr für welchen Teil der Weihnachtsfeier zuständig ist und wer das Fleisch fürs Chinoise wann, wo, zu welchem Preis einkauft… „Oh du stressige Weihnachtszeit“.

Leider ist es mir als Pfarrer schon so gegangen, dass ich innerlich erst bei Weihnachten angekommen bin, als alles schon fast vorüber war. Letztes Jahr ist es mir beim Weihnachtsgottesdienst so vorgekommen, als wäre Weihnachten wie ein Flugzeug. Es wurde mir bewusst: Trotz ganz vielen Adventsanlässen, die von der Idee her als Vorbereitung auf Weihnachten gedacht waren, war ich noch nicht in dieses Weihnachts-Flugzeug eingestiegen. Irgendwie war ich noch in hektischer, innerlichen Betriebsamkeit zwischen Check-In (1. Advent) und Abflug-Gate. Mit anderen Worten: Ich ganz persönlich war noch überhaupt nicht bei Weihnachten angekommen.

Dieses Jahr will ich es besser machen. Darum habe ich zum Beispiel gestern für mich alleine ganz viele Kerzen in der Wohnung angezündet, Weihnachtsmusik gehört und mich im Gebet auf den eingelassen, der an der ersten Weihnacht als Gesandter Gottes in friedlicher Mission zu uns Menschen kam.

Es ist Boarding Time – lassen wir uns ein auf das Fest der Liebe, damit wir nicht plötzlich den Flieger verpassen.

 

WEITERFÜHRENDE ANGEBOTE

Mein  Blogbeitrag dieser Woche dreht sich um den Lebensbereich “Spiritualität“.

Der Stress mit dem Stress

Tatsache ist, dass fortgesetzter Stress tödlich ist.
Selbst wenn er uns nicht gleich den Herzinfarkt oder Schlaganfall bringt,
eines
tötet er immer: unsere Fähigkeit, glücklich zu sein.
Archibald Hart (in: Wer zu viel hat, kommt zu kurz

Eigentlich war es eine geniale Erfindung unseres Schöpfers: Stress war ursprünglich dazu gedacht, uns in Notsituationen quasi von null auf hundert einsatz- und kampffähig zu machen. Ein Stressmoment, also eine vom Körper als Bedrohung empfundene Situation, hat eine ganze Reihe von körperlichen Reaktionen zur Folge.

Heute wird mit dem Begriff Stress jedoch inflationär umgegangen. Anscheinend will man sich mit Aussagen wie „Ich bin gerade etwas im Stress“ das Gefühl von Bedeutung geben. Zeitdruck, starke Arbeitsbelastung und ein voller Terminkalender scheinen zum guten Ton zu gehören. Dem sagt man dann Stress und fühlt sich dabei entweder schlecht, weil viel anderes zu kurz kommt, oder fühlt sich gut, weil man diese Dinge als Indikatoren herbeizieht, die einem glauben lassen, eine wichtige Persönlichkeit zu sein.

Doch Stress ist im Grunde kein Synonym für einen hektischen Lebensstil. Wie oben beschrieben, ist unter Stress eigentlich etwas anderes zu verstehen. Stress ist kein Lebensstil oder ein Gefühl, Stress ist eine körperliche Reaktion. Unser Körper nimmt eine äussere Situation (physikalische oder toxische, in unserem Fall jedoch vor allem eine psychosoziale) oder eine innere Einstellung als Bedrohung war und setzt uns in Alarmbereitschaft. Durch diesen Alarmzustand werden eine Vielzahl von körperlichen Abläufen in Bewegung gesetzt. Eine eindrückliche Auflistung dieser körperlichen Reaktionen findet sich auf der Homepage stressnostress.ch:

  • Ausschüttung von Adrenalin zur Erhöhung der Kurzzeitleistungsfähigkeit.
  • Ausschüttung von Schilddrüsenhormonen zur Intensivierung des Stoffwechsels.
  • Ausschüttung von Cholesterin zur Hebung des Energieniveaus.
  • Ausschüttung von Kortison zur Erhöhung der Konzentration.
  • Ausschüttung von Endorphinen zur Verminderung der Schmerzempfindlichkeit.
  • Erhöhte Sauerstoffaufnahmen und Atemgeschwindigkeit.
  • Verengung der Blutgefässe, Abzug von Blut aus der Hautoberfläche.

Missbrauch einer genialen Erfindung

Diese wunderbare Erfindung ist zum Schutz für uns Menschen da. Wo also liegt das Problem mit dem Stress? Ich zitiere nochmals aus der Erklärung auf der Internetseite stressnostress.ch:

Da in unserer heutigen menschlichen Kultur aber physischer Kampf und physische Flucht eher seltene Bewältigungsstrategien sind, wirken sich die Prozesse im Falle von häufiger Wiederholung oder gar bei Dauerzustand nicht mehr konstruktiv aus, sondern richten sich destruktiv gegen den Menschen selbst in Form  bekannter Zivilisationskrankheiten (wie Herz-/Kreislaufprobleme, Verdauungs-/Magenprobleme, Hautprobleme, etc.).

Mit anderen Worten: Das Problem beim Stress ist, dass wir ein Notfallsystem, das für den kurzfristigen Einsatz gedacht ist, durch unseren hektischen Arbeits- und Lebensstil missbrauchen und unseren Körper sozusagen andauernd in Alarmbereitschaft halten. Dies kann nicht gut kommen. Denn: „Zu Beginn einer Stressphase ist es [das Stresshormon Kortisol] unser Freund und Helfer, aber wenn der Stress zu lange andauert (in der Regel länger als zwei Wochen), macht es unser Leben grau und trist.“ (Archibald Hart in: Wer zu viel hat, kommt zu kurz

 

WEITERFÜHRENDE ANGEBOTE ZUM THEMA

Mein Blogbeitrag dieser Woche dreht sich um den LebensbereichSelbst“.