Wegschauen?

Wie geht es dir mit all den Katastrophen auf der Welt? Mich machen sie ziemlich ohnmächtig und die ganze Corona-Situation macht es nicht einfacher.

Einmal mehr wurde ich vom  Magazin Family und FamilyNEXT gefragt, wie ich damit umgehe, was mir hilft, wenn ich mich ohnmächtig gegenüber den Katastrophen fühle.

Hier meine Antwort:

Was mir gegenwärtig hilft? Ganz ehrlich? Wegschauen! Rückzug in meine kleine „heile Welt“. Na klar, die ist ja auch nicht immer so heil, doch die Probleme in meiner kleinen Welt – Reisebeschränkung wegen Corona, Badeverbot wegen Hochwasser, kein Frischbrot im Regal kurz vor Ladenschluss – sind ja vergleichsweise wirklich kleine Probleme, schon fast lächerliche.

So einfach und bequem der Rückzug in meine kleine Welt scheint, so unbefriedigend ist er auf der anderen Seite: Was gibt mir das Recht, mein geschenktes Leben in einem privilegierten Teil der Welt – und dazu noch an einem der schönsten Flecken – zu geniessen, während anderswo Menschen zuschauen müssen, wie Flammen oder Fluten ihre ganzes Habe innert Sekunden zerstört? Oder Menschen tagtäglich unter Armut, Hunger, Ungerechtigkeit zerbrechen? Die Liste liesse sich beliebig erweitern – Syrien, Afghanistan, Haiti …

Und dann kommt sie, die Ohnmacht. Ich fühle mich wirklich ohnmächtig den Katastrophen dieser Welt gegenüber. Ob Naturkatstrophen, Kriege oder die riesige Ausbeutung von Mensch und Natur – was kann ich da schon tun? Noch schlimmer: Mit meinem mitteleuropäischen Lebensstil bin ich sogar Teil vom Problem. Doch Gott hat uns beauftragt, Teil der Lösung zu sein.

Ich will mich der Ohnmacht stellen, statt wegzuschauen. Ich will im Kleinen beginnen, Teil der Lösung zu sein, statt den Kopf in den Sand zu stecken. Das ist mein Anfang. Und dann will ich herausfinden, wie ich die drei grossen göttliche Aufträge in meinem Leben umsetzen kann:

1. Bebaut und bewahrt die Erde! (1. Mose 2,15)
2. Liebe Gott und deine Nächsten wie dich selbst! (Markus 12,30f)
3. Machet zu Jüngern alle Völker! (Matthäus 28,19).

Und wenn ich meine Verantwortung wahrnehme, darf ich auch mit gutem Gewissen meine kleine Welt geniessen.

Dieser Artikel ist zuerst als Kolumne in der Rubrik „Das hilft mir, wenn …“ im Magazin Family und FamilyNEXT erschienen.  

Glücksaufgabe

Und was hilft dir im Blick auf das aufkommende Ohnmachtsgefühl bei all den Katastrophen? Wegschauen? Rückzug? Aktivismus?

Ich möchte echt häufiger Teil der Lösung als Teil des Problems sein. Und dies beginnt wohl mit dem ehrlichen, unbequemen Blick in den Spiegel.

Aber Achtung: Der Weg zum Ziel ist lang! Darum lass uns einen kleinen Schritt nach dem anderen gehen. Die Folge wird Glück für viele statt für wenige sein.

Grenzenlose Freiheit?

Die Freiheit besteht darin, alles tun zu dürfen,
was einem anderen nicht schadet.

(aus der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte)

„Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein…“, philosophierte Reinhard Mey in seinem erfolgreichsten Lied aus dem Jahr 1974. Nicht nur über den Wolken, sondern auch in Berns Gassen, hätte die Freiheit grenzenlos zu sein. Darum zogen kürzlich mehr als 10’000 Jugendliche unter dem Motto „Tanz dich frei“ durch Berns Innenstadt.

Ich als ahnungsloser Landmensch war ausgerechnet an diesem sommerlichen Abend mit meiner Frau in Bern. Auf der Suche nach einem Gratisparkplatz war ich erstaunt, dass der Schützenmatte-Parkplatz (bei der „Reithalle„) fast leer war. Erst die vielen Parkverbotstafeln erinnerten mich daran, dass ich in der Zeitung etwas von einer illegalen Demo gelesen hatte. Als wir nach dem Essen irgendwo auf einem Platz noch einen Kaffee trinken wollten, machte sich der Umzug gerade auf den Weg: Was auf uns anfänglich wie ein friedliches Konzert wirkte, stimmte uns bei genauerem Betrachten ziemlich nachdenklich (vor allem, was den Alkoholkonsum und die destruktive Stimmung betraf).

Im Nachgang wurde viel über diesen Umzug geschrieben, debattiert und kommentiert. Grenzüberschreitungen von Jugendlichen und der Schrei nach Freiheit sind wohl so alt, wie die Menschheit selbst. Genauso wie die Reaktion der älteren Generationen darauf. Doch mich interessiert hier weniger die Jugendfrage als die Gesellschaftsfrage. Sind wir überhaupt fähig und gewillt miteinander oder wenigstens nebeneinander zu leben, ohne das Wohlbefinden des anderen zu beschneiden? Mit andern Worten: Ist unser Egoismus so gross, dass wir auf Kosten anderer leben?

Freiheit muss gelernt sein

„Mir scheint, dass unsere individualistisch geprägte Gesellschaft erst noch lernen muss, wie eine grosse Zahl von Menschen im öffentlichen Raum miteinander umgeht, ohne dass die Rechte der Einzelnen beschnitten werden.“ Dies sagte Thomas Kessler von der Kantons- und Stadtentwicklung des Kantons Basel-Stadt gegenüber der NZZ am Sonntag (Artikel „Party aus Protest“, NZZ am Sonntag, 10. Juni 2012).

Mir scheint, dass es hier um den alten Grundsatz aus der Französischen Revolution und der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte geht, der besagt, dass persönliche Freiheit nur soweit möglich ist, als dass die Rechte und die Freiheit des anderen nicht beschnitten würden. (Siehe Zitat am Anfang dieses Blogartikels.)

Aber was heisst das im täglichen Zusammenleben? Und was heisst das in einer globalisierten Welt? Missachten wir nicht auch diesen Grundsatz, wenn wir unseren Reichtum auf Kosten anderer Länder anhäufen? In Teilen dieser Welt werden Menschen ausgebeutet, damit wir unseren Wohlstand vergrössern können. Leben wir da nicht eine Freiheit, die einem anderen schadet?

Ich glaub nicht, dass ich hier Antworten geben kann. Weder auf die Frage, wie eine für alle Beteiligte zumutbare Lösung betreffend Jugendkultur und Nachtleben in den Grossstädten aussehen könnte, noch auf die Problematik, dass unser Wohlbefinden nicht selten auch auf Kosten des Wohlbefinden eines anderen geht.

Doch ich will uns zu einer Denkpause (einer Pause vom Alltagsgeschäft, in der wir denken und nicht eine Pause vom Denken!) aufrufen, in der wir uns selbst prüfen und fragen: Wo lebe ich auf Kosten meiner Mitmenschen? Meiner Mitmenschen in der Familie, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, im Ausgang – und auch auf Kosten meiner Mitmenschen in der dritten Welt.


Mein Blogbeitrag dieser Woche dreht sich um den LebensbereichGesellschaft“.

Ein Weltverbesserer sein

Jeder Mensch hat die Chance,
mindestens einen Teil der Welt zu verbessern,
nämlich sich selbst.

Paul Anton de Lagarde

Ein kurzer Blick in die Tagesschau und es ist offensichtlich: Auf unserer Welt herrschen katastrophale Missstände. Ungläubig schauen wir nach Damaskus und können diese syrische Tragödie nicht fassen.

Heute ist es Syrien – gestern war es Lybien und morgen wird ein nächster selbstverliebter Machthaber Grund für unser verständnisloses Kopfschütteln sein. Weil News nach einer gewissen Zeit keine News mehr sind und uns die immer gleichen Berichterstattungen nur noch langweilen (würden), geraten viele weitere Konflitkherde dieser Welt in den Hintergrund oder gar in Vergessenheit.

Einige der menschenverachtendsten Katastrophen blenden wir wohl auch desswegen aus, weil wir bei genauerem Betrachten unser eigenes Verhalten kritisch reflektieren müssten. Ich gebe zu: Es ist wesentlich einfacher, mit dem Finger auf einen machtbesessenen Unterdrücker zu zeigen, als zu fragen, wo ich selbst Teil der schlimmsten Ausbeutung unserer Zeit bin. Wo lebe ich auf Kosten der Menschen in der 3. Welt? – Ähm, wie hiess schon wieder dieser Diktator aus Syrien? …

Nein, ich will nicht vom Thema ablenken. Das einleitende Zitat macht klar: Auch wenn wir wohl kaum die ganze Welt alleine verändern können, gibt es doch einen Teil, den jeder von uns anpacken kann und sollte: Sich selbst zu verbessern.

Veränderung ist möglich, wenn auch nicht ganz gratis. Ein Beispiel: Gegenwärtig mache ich mir Gedanken, ob ich unsere budgetschonenden Kaffeebohnen künftig mit sozial gerecht produzierten ersetzen soll. Ich weiss: Es ist eine kleine Sache und damit werde ich die Welt noch nicht grossartig verbessern. Aber es zeigt ein Dilemma, in dem ich (wir?) stehe: Wie kann ich mit meinem bescheidenen Budget auskommen, ohne dies auf Kosten anderer Menschen zu tun, die für die Produktion meiner Billigprodukte ausgebeutet werden?

Eigentlich wollte ich nicht über Kaffeebohnen schreiben, sondern der Frage nachgehen, wie wir denn uns selbst verbessern können. Wie schaffen wir es, egal in welchem Bereich, unser Verhalten oder unsere Lebenssituation zu verändern?

Der erste Schritt zur Veränderung ist immer, dass ich meinen Alltagstrott unterbrechen lasse. Ich werde nicht einfach zufällig ein besserer Mensch. Mein Leben (ziel)bewusst zu gestalten, braucht auch einen bewussten Entscheid dazu. Oder, das wünsche ich aber keinem: Unser Körper zieht irgendwann die Notbremse und wir landen in einem Burnout, was uns zwingt, unser Leben zu überdenken.

Ob in der Unternehmensberatung oder in der Psychologie: Es gibt die schönen Theoriemodelle der Veränderung zu hauf. Ich selbst liebe es möglichst einfach. Darum habe ich aus dem simplen „Luege, Lose, Loufe“ meinen persönlichen Praxiszyklus gemacht. Und genau der kam mir gerade eben in den Sinn, als ich ein einfaches Bild für die Schritte der persönlichen Veränderung suchte.

  • Warte: Wenn wir nicht aus dem Hamsterrad aussteigen und unsere Betriebsamkeit stoppen, werden wir uns nie verändern!
  • Luege: Genau hinschauen und unsere Situation betrachten. Ob es wie oben um unser Konsumverhalten geht oder ob wir uns Veränderung im Job oder in der Beziehungsgestaltung wünschen, wir müssen hier die Ist-Situation wahrnehmen und festhalten.
  • Lose: Was sagt unser Bauch zu dieser bestimmten Situation? Hier geht es darum, in sich selbst zu hören. Bauchgefühl und Verstand sollen gemeinsam entscheiden, wo wir mit der Ist-Situation zufrieden sind und wo wir Handlungsbedarf erkennen (Soll-Zustand).
  • Loufe: Kein Modell bringt uns weiter, wenn am Ende nicht die Aktion steht. Welche kleinen Schritte will ich ab heute in Angriff nehmen?

Oft sind wir gut darin, zu sehen, wo unser Gegenüber Veränderungspotenzial hat. Doch bevor wir mit besserwisserischen Tipps kommen: „Warte“! Ich kann weder die Welt noch meine Mitmenschen verändern, doch ich kann mich verbessern. Und während ich dies tue, kommt Bewegung ins ganze „Lebensmobile“ und die Welt wird vielleicht doch ein bischen besser…

 

 

Mein Blogbeitrag dieser Woche dreht sich um den LebensbereichSelbst“.