Diese Woche erhielt ich eine spannende Mail:
Du ziehst dich, soviel ich weiss, wöchentlich zurück, um Tagebuch zu schreiben. Schon länger wünsche ich mir reflektierter durch den Alltag zu gehen. Ich habe ein Tagebuch, das ich eher als Klagebuch beschreiben würde. Mir fehlen irgendwie Fragen, die ich regelmässig bewegen könnte und die Potential hätten mich weiterzubringen.
Die Absenderin wollte nun wissen, ob ich bei meinem Reflektieren immer die gleichen Fragen stelle oder gar einen Fragekatalog hätte. Und: Statt ihr direkt eine Antwort zu schicken, könne ich ja auch in meinem GlücksBlog darüber schreiben. Gute Anregung.
Es stimmt, ich praktiziere dieses Ritual der wöchentlichen Stille mit Reflexion, (Bibel)Lesen, Gebet und Tagebuchschreiben. Als eher aktivistisch veranlagte Person, die konkrete Ziele und Projekte braucht, haben diese 2-3 Stunden Stille ihren Ursprung mehr in einer Überzeugung als in einer kontemplativen Sehnsucht.
Will heissen: Ähnlich wie die Sache mit dem Sport ist die Stille für mich nicht eine besondere Leidenschaft, wo es mich von selbst hinzieht. Da ich aber überzeugt bin, dass es meiner „ganzheitlichen Gesundheit“ (ShalomLeben) förderlich ist, plane ich sowohl Sporteinheiten als auch eben den Stillen Nachmittag in mein Wochenprogramm ein.
Gönne ich mir das Reflektieren in der Stille zu lange nicht, werde ich eine Zumutung für meine Familie, mein Umfeld und für mich selbst. Ohne diese innere Ausrichtung werde ich zum gestressten Getriebenen, der in Gefahr steht, sich von unguten Umständen zu Boden drücken zu lassen und in der Verbitterung zu enden.
Das Klagebuch entdecken
Soviel zu meiner Überzeugung, mich mitten im hektischen Alltag regelmässig für einige Stunden zurückzuziehen.
Aber wie schreibe ich nun also Tagebuch? Leiten mich dabei immer die gleichen Fragen? Wie reflektiere ich?
Früher hatte ich meine Persönlichkeitsentwicklung konkret strukturiert: Visionen, Jahresziele und Massnahmen in allen fünf Lebensbereichen. So konnte ich in der Stille auch konkret mit diesem „PEP“ reflektieren, mich an Erreichtem freuen und mir nächste Schritte vornehmen.
Heute bin ich da mehr intuitiv unterwegs, lasse mich von inneren (unbewussten) Fragen leiten:
- Stef, wie geht es dir gerade?
- Was hast du in den letzten Tagen erlebt?
- Was davon freut dein Herz?
- Was macht dich traurig?
- Was hat das Potenzial, dich resignieren zu lassen?
- Wo stehst du in Gefahr, verbittert zu werden?
- Wie geht es dir in der Ehe und in der Familie?
- Welche Erfolge gibt es auf der Arbeit zu feiern?
- Und welche Misserfolge gilt es zu verdauen?
- Welche Begegnungen der letzten Woche waren ein Geschenk?
- Welche eher eine Belastung?
- Was klingt aus diesen Begegnungen noch nach?
- Was lernst du für die Zukunft?
- Wie kannst du die nächsten Schritte bewusst gestalten?
Dabei gleicht mein Tagebuch tatsächlich auch immer wieder einem Klagebuch. Aber ich finde das nicht schlimm, im Gegenteil: Wir sind damit in bester Gesellschaft. In der Bibel gibt es ein ganzes Buch, das sich „Klagelieder“ nennt und denken wir an die Psalmen von König David: Wie oft hat er in seinem „Tagebuch“ geklagt?
Nicht selten gelingt es mir in der Stille, beim Nachdenken, Beten und Tagebuchschreiben, den Weg vom Klagen zum Loben zu gehen. Am besten gelingt es mir dann, wenn ich nach dem Tagebuchschreiben auch ganz konkret physisch noch eine Wegstrecke (vom Wald, von der Aare, vom See) zurück in den „Alltag“ zurücklege.
Und so macht das Klagen für mich viel Sinn: Ich breite vor Gott mein Herz aus, damit ich eben nicht an meinem Unvermögen oder den ungünstigen Umständen zerbreche, sondern mit frischer Kraft und neuer Freude im Herzen aus der Stille zurückkehre.
Glücksaufgabe
Für dich: Was ist deine Erfahrung mit Tagebuchschreiben? Was unternimmst du, dass du „ganzheitlich fit“ bleibst?
Für mich: Ich fand das spannend, eine „LeserInnen-Frage“ als Grundlage für diesen Artikel zu nehmen. Hast du vielleicht auch eine GlücksFrage, die ich hier beantworten könnte?