Wo Welten aufeinanderprallen

«Wurde da gerade der letzte «Servant Leader» zu Grabe getragen?» kann sich fragen, wer vergangenen Samstag auf Rom blickte.

Es gab eine Zeit, da war dieser dienende Führungsansatz hoch im Kurs – und zwar nicht bloss in sozialen und kirchlichen Kreisen, wo es ja von Natur aus nur so von «Gutmenschen» wimmelt.

Nein, auch CEOs von internationalen Top-Firmen setzten auf diesen Ansatz, bei dem die Führungsperson eine vertrauensvolle und wertschätzende Atmosphäre schafft, in der sich die Mitarbeitenden wohl und unterstützt fühlen, ihre Fähigkeiten und Potenziale entfalten und eigenverantwortlich handeln können und Vorgesetzte dazu da sind, ihre Mitarbeitenden darin zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen. 

Die «Servant Leadership»-Philosophie geht auf den Managementforscher Robert K. Greenleaf und die 1970er Jahren zurück. Tatsächlich haben laut Wikipedia mehrere empirische Studien aufzeigt, dass «der Servant Leadership-Ansatz einen starken Einfluss auf die Jobzufriedenheit der Mitarbeiter:innen» hat.

Natürlich wurde der dienende Führungsansatz nicht erst in den 1970er Jahre erfunden. Das Vorbild einer solchen Führungsperson ist unbestritten Jesus. Er hat die entsprechenden Werte gelehrt und verkörpert: Empathie, starker Gemeinschaftssinn, Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Vertrauen, Zuhören, Wertschätzung, Glaubwürdigkeit …

Er setzte nicht auf beherrschende Machtkonzepte, sondern auf die sogenannten «Soft Skills». Seine Stärke war seine Schwäche, seine Verletzlichkeit.

Jesus, Franziskus & Trump

Weltweit sind alle (Christen)Menschen dazu eingeladen, dem Vorbild Jesu nachzufolgen. Und einer dieser Nachfolger Jesu wurde letzte Woche in Rom zu Grabe getragen. Papst Franziskus verstand sich stets als Diener. Er folgte dieser Jesus-Spur – er machte sich klein und wurde gerade dadurch populär und berührte die Herzen vieler.

Und das hatte Strahlkraft. Solche Strahlkraft, dass Nicole Althaus in der NZZ am Sonntag (27. April 2025) denkwürdige Zeilen über das «Aufeinanderprallen zweier Welten» schrieb:

Franziskus, der sich wie kein anderer Papst der Moderne ein Leben lang für die Schwächsten am Rand der Gesellschaft eingesetzt hatte, ist tot. Platz im Zentrum nahmen nun die Mächtigsten, unter ihnen solche, die Stärke zur Religion erhoben haben.

Als sei das Requiem für den Papst von einem Regisseur aus dem Marvel-Universum inszeniert worden, erwies allen voran Donald Trump, der selbsternannte Auserwählte Gottes, dem obersten Glaubenshüter die letzte Ehre.

Der Mann des Deals verabschiedete sich vom Mann der Demut.
Narzissmus beerdigte die Nächstenliebe.
Masslosigkeit die Bescheidenheit.
Egozentrik die Empathie.

Ja, Papst Franziskus war ein eindrückliches Beispiel eines «Servant Leaders». Durch ihn strahlten Werte wie Nächstenliebe und Demut wieder auf dem Wertekompass auf.

Es schaudert mich, wenn auf der anderen Seite Machthaber dieser Welt – oft sogar als selbsternannte Auserwählte Gottes – genau diese Werte mit ihren Füssen treten.

Statt Mitgefühl zu zeigen, grenzen sie aus.

Statt zu dienen, bedienen sie sich.

Statt zu lieben, beuten sie aus.

Das «Aufeinanderprallen zweier Welten», wie es Nicole Althaus in der NZZ am Sonntag so trefflich formulierte, wurde bereits vor der Zeit Jesus ebenso eindrücklich beschrieben.

Im Buch Hesekiel in der Bibel findet sich in Kapitel 34 eine Gegenüberstellung der selbstherrlichen Hirten mit den dienenden Hirten.

Trump & Co. wollen uns gerade weis machen, es gelte das Recht des Stärkeren und das Leben bestünde aus Deals.

Das ist einfach nicht wahr!

Erst recht nicht, für die, welche sich auf die Jesus-Spur begeben wollen: Unser Held war ein Märtyrer. Der Gottessohn, der aus Liebe zu den Menschen sein Leben gibt und so zum Retter wird.

Und dadurch entspricht er nicht dem gängigen Heldentypus: Jesus suchte nicht Ehre, Macht, Ruhm und die Bestätigung, dass er der Beste ist.

Er zeigte Mitgefühl.

Er diente.

Er liebte.

Und dazu sind auch wir eingeladen!

Glücksaufgabe

Von wem lässt du dich inspirieren?
Für dein Menschsein?
Für dein Führungspersonsein?

Kreative Demut

Coming up with a solution is a creative act.
Eine Lösung hervorzubringen ist ein kreativer Akt.
Ed Catmull (Präsident von Walt Disney and Pixar Animation Studios, am Global Leadership Summit 2015)

Neben den hochkarätigen Referaten zu Leadership- und Persönlichkeitsthemen zeichnet sich der Global Leadership Summit für mich auch durch die Geschichten von Führungspersönlichkeiten und die Begegnungen mit anderen Leaders aus. Was gibt es bessers, als das Gehörte am Abend in einer sympathischen Runde beim Nachtessen zu verarbeiten?! Gemeinsam über Umsetzungsschritte nachzudenken und mit spannenden Menschen ins Gespräch zu kommen, die man daheim sonst gar nie trifft. Dabei zu spüren, dass man nicht alleine ist, dass andere auch vor Herausforderungen stehen oder zu hören, wie sie diese gemeistert haben – das tut mir gut.

Ja, überhaupt inspirieren mich die Storys von Menschen, die etwas bewegt haben, die gescheitert sind – und wieder aufgestanden sind, vielmehr als noch so manches brillantes Fachreferat. Fehlt die eigene Praxis, fehlt die eigene harte Auseinandersetzung im Alltag, dann fehlt die Bodenhaftung. Das wirkliche Leben und Verhalten von Leaders spricht lauter und deutlicher als alle Worte, als jede hübsche Theorie.

Dazu gibt es eine eindrückliche Backstage-Story von Ed Catmull (Präsident von Walt Disney and Pixar Animation Studios). Nach dem Talk zwischen ihm und Bill Hybels traf dieser äusserst erfolgreiche Trickfilmemacher hinter der Bühne das Enkelkind von Hybels. Und was macht Catmull? Er kniet sich nieder um mit dem Jungen auf Augenhöhe sprechen zu können.

Dieses Zeichen der Demut spricht eine deutliche Sprache – und unterstützt, was der grossartige Kreativmensch kurz davor den 7’500 Zuhörern im Auditorium über Teamspirit und Kreativität sagte.

Leider habe ich auch schon das Andere erlebt: Leiter, die im Scheinwerferlicht einer grossen Bühne flotte Sprüche von sich gaben und sich hinter der Bühne ziemlich arrogant aufführten.

Was Catmull da schier im Verborgenen (hätte Hybels es später nicht auf der Bühne erzählt, wüsste es kaum jemand) tat, passt gut zu dem, wie Jesus mit den Kindern umgegangen ist. Dadurch, dass Jesus damals die „Geringsten“ zu sich heran liess und wohl sogar sein „Fachreferat“ unterbrach, unterstrich er nachdrücklich seine Botschaft der Liebe, Mitmenschlichkeit und Demut.

Vergessen wir also nicht – ob wir nun Führungspersonen sind oder nicht: Unser Verhalten spricht immer eine lautere Sprache als unsere Worte!

Und was den Talk mit Catmull am Leadership Summit angeht, hier noch einige Kerngedanken:

  • Kreativität erfordert Offenheit – nicht einfach immer dasselbe wiederholen! Darum brauchen wir Horizonterweiterung: Neues anschauen, kennen lernen.
  • Kraft von Storys: Geschichten sind die Art, wie wir kommunizieren – auf allen Ebenen: Familie, Schule, Organisationen, Firmen. Gute Storys berühren immer Emotionen. Storys verändern die Welt!
  • Feedback-Kultur bei Pixar:
    – Peer to Peer (Filmemacher zu Filmemacher)
    – keine Machtstruktur (Feedback ist kein Kündigungsgrund)
    – Vertrauen in Erfolg des anderen.
    – Interesse am Projekt – alle sollen gewinnen.
    – Zuhören
  • Fehler umarmen: Wir werden scheitern – so oder so – aber wir können unsere Organisation zu einem sicheren Ort machen, wo scheitern erlaubt ist.
  • Werten zuzustimmen ist der erste kleine Schritt. Bis sie leben, dauert es Jahre. Vertrauen kann man nicht bloss zustimmen. Vertrauen erntest du!

Ein Mensch kann viel erreichen, wenn seine Worte und sein Handeln zusammenpassen – als Führungsperson in Firma, Kirche oder Politik, aber auch als Mutter/Vater oder Freund.

 

KONKRET

Mein  Blogbeitrag dieser Woche dreht sich um den Lebensbereich “Arbeit“.

Ego-Show vs. Selbstliebe

Die Krankheit der Rivalität und der Ruhmsucht – wenn das Äußere, die Farben der Kleidung und Zeichen der Ehre zum vorrangigen Lebensziel werden…
Papst Franziskus, in seiner Schelte an die Kurie

Nein, ich bin nicht katholisch. Aber Papst Franziskus hat es mir angetan. Und zwar von der ersten Stunde seiner Wahl an. Ich erinnere mich, wie ich fasziniert war, als er erstmals als Papst auf dem Balkon erschien und die versammelte Gemeinde bat, für ihn zu beten. Was für eine Demut.

In den letzten beiden Jahren war er immer wieder gut für eine Überraschung – ob er tätige Bescheidenheit zeigt oder sich als Brückenbauer zu Randständigen oder Andersdenkenden erweist, immer mal wieder bin ich beeindruckt von diesem Papst.

Ende letztes Jahr war wieder so ein Moment: Überrascht und anerkennend las ich in der NZZ am Sonntag, wie Franziskus seine Mitarbeiter zurecht wies. Gleich 15 Krankheiten hatte er in der Kurie diagnostiziert.

Auffallend dabei: Der Papst attestierte seinen Kardinälen einen schlechten Umgang mit sich selbst und eine tote Spiritualität. Unter Ersterem führte er „Krankheiten“ wie  „sich unstebrlich fühlen“, „zu hart arbeiten“, „Trauermine aufsetzen“ oder „nach weltlichen Profiten streben“ auf. Bei der fehlenden Spiritualität bemängelt er fehlende Offenheit für das Wirken des Heiligen Geistes und spricht gar von „Spirituellem Alzheimer“.

Das eigene Wohl – und das meiner Mitmenschen

Das päpstliche Zitat über die Krankheit der Ruhmsucht am Anfang dieses Blogartikels geht wie folgt weiter: „…und man das Wort des heiligen Paulus vergisst: ‚Tut nichts aus Ehrgeiz und nichts aus Prahlerei. Sondern in Demut schätze einer den andern höher ein als sich selbst. Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen.‘ (Philipper 2,1-4)“

Spannend, dass uns dieser Bibeltext – mindestens nach der Einheitsübersetzung – indirekt dazu einlädt, auf das eigene Wohl zu achten. Nicht nur, natürlich, aber eben auch.

Denn, genau davon hatten wir es kürzlich im SunntigsTräff von „gms – z’friede läbe“, es geht beim berühmten Doppelgebot der Liebe im Grunde um eine dreifache Liebe: Zu Gott, zum Nächsten und zu mir selbst.

In der Gruppendiskussion wollte ich wissen, welches die schwierigste Form der Liebe sei. Nicht verwunderlich, dass viele zu allererst mit der Selbstliebe zu kämpfen haben. Ich glaube, dass gerade hier ein wichtiger Schlüssel zur Nächstenliebe liegt: Erst wer sich selbst liebt, kann dem anderen in uneigennütziger Liebe begegnen. Nicht, weil der andere meine Defizite ausfüllt, liebe ich ihn, sondern weil er wie jedes Geschöpf liebenswürdig ist.

Kann ich mich selbst annehmen und lieben, brauche ich auch keine Ego-Show abzuziehen. Die Krankheiten der päpstlichen Diagnose kann ich abschütteln, wenn ich zur Selbstliebe und zu einem guten Umgang mit mir selbst finde. Ruhmsucht, Prahlerei, Rivalität, sich unsterblich machen, Vorgesetzte vergöttern, Profitstreben… hat nur nötig, wer noch kein Ja zu sich selbst gefunden hat.

Darum: Beginnen Sie, sich selbst zu lieben, damit Sie auch Ihre Mitmenschen lieben können!

 

Konkret

Mein Blogbeitrag dieser Woche dreht sich um den Lebensbereich “Selbst“.