Ich wollte alles richtig machen

«Papi, aber es darf auch kein Nachteil sein, dass wir deine Kinder sind!» Das sass – und wie! Es war die Reaktion eines meiner Kinder auf meinen Ausspruch, sie sollten keine besondere Bevorzugung erhalten, weil sie «Kind von …» sind. Konkret ging es damals um meine Aussage: «Es darf kein Vorteil sein, dass ihr die Kinder des Pfarrers seid.» Und dasselbe nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Schule: «Es darf kein Vorteil sein, dass ihr die Kinder des Vize-Gemeindepräsidenten und Ressortvorstehers Bildung seid.»

Meine Haltung war bestimmt löblich. Ich hatte zu oft gesehen, dass gerade in Kirchen Pfarrerskinder eine Bühne erhielten, die anderen verwehrt blieb. Das wollte ich nicht. Der Schlagfertigkeit unserer Kinder und unserem offenen Dialog ist es zu verdanken, dass sie mir hier die Augen öffneten: «Papi, aber es darf auch kein Nachteil sein!» Natürlich nicht! Doch leider ist mir dies nicht immer gelungen. Ich wollte es richtig und möglichst allen recht machen. Doch der Rollenkonflikt als Vater und gleichzeitig Vorsteher der Volksschule im Dorf forderte mich regelmässig – und überforderte mich mindestens einmal deutlich.

Nicht das Richtige getan

Wir sassen mit unserem Sohn in einem Elterngespräch mit seiner Klassenlehrperson und dem Schulleiter. Ich war der direkte (politische) Vorgesetzte des Schulleiters. Es ging um das Wohlbefinden unseres Sohnes in der Klasse. Er fühlte sich gemobbt; heute muss ich sagen: Er wurde gemobbt. Unprofessionell gaben Klassenlehrperson und Schulleiter Phrasen wie «Mobbing ist ein grosses Wort» wieder und versuchten unseren Sohn zu besänftigen, indem sie die Angelegenheit herunterspielten. Und was tat ich? Leider nicht viel und nicht das Richtige. In dem Moment war ich als Vater da und hätte mich klar schützend vor meinen Sohn stellen sollen. Durch meinen Rollenkonflikt begann ich jedoch, auch im anschliessenden Reflektieren mit meiner Frau, die Schule zu verteidigen.

Ob der Weg unseres Sohnes anders gekommen wäre, hätte ich damals anders agiert, kann und will ich mir nicht ausmalen. Er musste später leider nochmals massives Mobbing und Bedrohung erleben und in einer Praktikumszeit erfahren, wie Vorgesetzte sich nicht für ihn einsetzten. Dass unser Sohn schon in jungen Jahren einen so schweren Rucksack zu tragen hatte, dass ein Aufenthalt in einer psychiatrischen Tagesklink angezeigt war, ist ein Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren. Und auch wenn wir ihm niemals einen solchen Weg gewünscht hätten, sehen wir heute, wie ihn dieser Umweg gestärkt hat.

Innere Blockade

Mein Drang, es perfekt zu machen und meine Kinder nicht zu bevorteilen, hätte auch beinahe bei unserer Tochter ein Stolperstein werden können: Als wir in der Kirchengemeinde einen Ausbildungsplatz schaffen wollten, war es naheliegend, dass unsere Tochter sich dafür bewarb. Aber ich zögerte. «Ich will nicht mein Kind bevorzugen», dachte ich mir wieder und sah dabei auch auf die grossen Gemeinden im Land, die scheinbar keinen anderen Nachwuchs als den eigenen der Pfarrersleut haben. Nun muss man wissen: Wir sind eine kleine Gemeinde, bei uns stand niemand Schlange für einen Ausbildungsplatz. Es war eine rein theoretische Blockade von mir. Zum Glück haben wir einen Vorstand, der mir half, diese Blockade zu überwinden. Und es war hilfreich, dass nicht ich über Anstellungsbedingungen befinden musste und meine Tochter nicht «von mir», sondern von der Gesamtkirche angestellt wurde.

Weil ich es richtig machen wollte, verkomplizierte ich die Situation. So war es rückblickend bei besagtem Elterngespräch mit meinem Sohn. So war es, als es um den Ausbildungsplatz in der Gemeinde ging. Und so ging es mir auch in anderen Themen wie Familienrituale oder Regeln. Ich wollte es richtig machen, hatte meine Vor- und vor allem Idealbilder. Doch was bei anderen funktionierte, musste nicht zwingend passend für uns sein.

Authentische Persönlichkeiten

Heute wünsche ich Eltern mehr Gelassenheit. Versucht nicht, alles richtig zu machen! Das schaffen wir eh nicht. Es kann auf verschiedenen Wegen gut werden. Und ja, vielleicht dürften wir auch öfter den Mut zu mehr Bauch- und weniger Kopfentscheidungen haben.

Diesen Sommer beginnt für unsere Tochter bereits das letzte Ausbildungsjahr zur Sozialdiakonin, und sie gehört seit drei Jahren zu unserem StaffTeam. Um Rollenkonflikte möglichst klein zu halten, haben wir einige wenige Spielregeln definiert (beispielsweise bin ich bei der Arbeit nicht Papi, sondern Stef). Zu sehen, wie sie in meine Fussstapfen tritt und Projekte leitet, ist wunderschön – manchmal gar eine Begegnung mit meinem jüngeren Ich.

Nach dem schmerzhaften Umweg konnte unser Sohn seine Ausbildung zum Fachmann Betreuung Kind in einer Berner Schule beginnen und stiess dort auf ein sehr verständnisvolles und unterstützendes Umfeld. Er hat nie ein Geheimnis aus seiner Geschichte mit den psychischen Herausforderungen gemacht. Genau diese Aufrichtigkeit hat bei Bewerbungsgesprächen beeindruckt.

Authentizität ist ein grosses Wort und eine Lebensaufgabe. Ich freue mich, immer wieder zu entdecken, dass trotz aller unperfekter Erziehung unsere beiden Kinder zu authentischen Persönlichkeiten gereift sind, die ihren eigenen Werten und Gedanken treu sind und mit ihren Gefühlen in Kontakt treten.

Dieser Artikel ist zuerst im Magazin familyNEXT erschienen.

Glücksaufgabe

In welchen Bereichen täte dir etwas mehr Gelassenheit gut?

Und wo kommt dir vielleicht dein Perfektionismus in die Quere?

Wo Welten aufeinanderprallen

«Wurde da gerade der letzte «Servant Leader» zu Grabe getragen?» kann sich fragen, wer vergangenen Samstag auf Rom blickte.

Es gab eine Zeit, da war dieser dienende Führungsansatz hoch im Kurs – und zwar nicht bloss in sozialen und kirchlichen Kreisen, wo es ja von Natur aus nur so von «Gutmenschen» wimmelt.

Nein, auch CEOs von internationalen Top-Firmen setzten auf diesen Ansatz, bei dem die Führungsperson eine vertrauensvolle und wertschätzende Atmosphäre schafft, in der sich die Mitarbeitenden wohl und unterstützt fühlen, ihre Fähigkeiten und Potenziale entfalten und eigenverantwortlich handeln können und Vorgesetzte dazu da sind, ihre Mitarbeitenden darin zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen. 

Die «Servant Leadership»-Philosophie geht auf den Managementforscher Robert K. Greenleaf und die 1970er Jahren zurück. Tatsächlich haben laut Wikipedia mehrere empirische Studien aufzeigt, dass «der Servant Leadership-Ansatz einen starken Einfluss auf die Jobzufriedenheit der Mitarbeiter:innen» hat.

Natürlich wurde der dienende Führungsansatz nicht erst in den 1970er Jahre erfunden. Das Vorbild einer solchen Führungsperson ist unbestritten Jesus. Er hat die entsprechenden Werte gelehrt und verkörpert: Empathie, starker Gemeinschaftssinn, Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Vertrauen, Zuhören, Wertschätzung, Glaubwürdigkeit …

Er setzte nicht auf beherrschende Machtkonzepte, sondern auf die sogenannten «Soft Skills». Seine Stärke war seine Schwäche, seine Verletzlichkeit.

Jesus, Franziskus & Trump

Weltweit sind alle (Christen)Menschen dazu eingeladen, dem Vorbild Jesu nachzufolgen. Und einer dieser Nachfolger Jesu wurde letzte Woche in Rom zu Grabe getragen. Papst Franziskus verstand sich stets als Diener. Er folgte dieser Jesus-Spur – er machte sich klein und wurde gerade dadurch populär und berührte die Herzen vieler.

Und das hatte Strahlkraft. Solche Strahlkraft, dass Nicole Althaus in der NZZ am Sonntag (27. April 2025) denkwürdige Zeilen über das «Aufeinanderprallen zweier Welten» schrieb:

Franziskus, der sich wie kein anderer Papst der Moderne ein Leben lang für die Schwächsten am Rand der Gesellschaft eingesetzt hatte, ist tot. Platz im Zentrum nahmen nun die Mächtigsten, unter ihnen solche, die Stärke zur Religion erhoben haben.

Als sei das Requiem für den Papst von einem Regisseur aus dem Marvel-Universum inszeniert worden, erwies allen voran Donald Trump, der selbsternannte Auserwählte Gottes, dem obersten Glaubenshüter die letzte Ehre.

Der Mann des Deals verabschiedete sich vom Mann der Demut.
Narzissmus beerdigte die Nächstenliebe.
Masslosigkeit die Bescheidenheit.
Egozentrik die Empathie.

Ja, Papst Franziskus war ein eindrückliches Beispiel eines «Servant Leaders». Durch ihn strahlten Werte wie Nächstenliebe und Demut wieder auf dem Wertekompass auf.

Es schaudert mich, wenn auf der anderen Seite Machthaber dieser Welt – oft sogar als selbsternannte Auserwählte Gottes – genau diese Werte mit ihren Füssen treten.

Statt Mitgefühl zu zeigen, grenzen sie aus.

Statt zu dienen, bedienen sie sich.

Statt zu lieben, beuten sie aus.

Das «Aufeinanderprallen zweier Welten», wie es Nicole Althaus in der NZZ am Sonntag so trefflich formulierte, wurde bereits vor der Zeit Jesus ebenso eindrücklich beschrieben.

Im Buch Hesekiel in der Bibel findet sich in Kapitel 34 eine Gegenüberstellung der selbstherrlichen Hirten mit den dienenden Hirten.

Trump & Co. wollen uns gerade weis machen, es gelte das Recht des Stärkeren und das Leben bestünde aus Deals.

Das ist einfach nicht wahr!

Erst recht nicht, für die, welche sich auf die Jesus-Spur begeben wollen: Unser Held war ein Märtyrer. Der Gottessohn, der aus Liebe zu den Menschen sein Leben gibt und so zum Retter wird.

Und dadurch entspricht er nicht dem gängigen Heldentypus: Jesus suchte nicht Ehre, Macht, Ruhm und die Bestätigung, dass er der Beste ist.

Er zeigte Mitgefühl.

Er diente.

Er liebte.

Und dazu sind auch wir eingeladen!

Glücksaufgabe

Von wem lässt du dich inspirieren?
Für dein Menschsein?
Für dein Führungspersonsein?

Lieber früher als Himmel

Grad ist ganz vieles gut.

Grad ist ganz vieles nicht gut.

Richtig, richtig gut war der Kurzurlaub mit meinen Kids: Zusammensein geniessen und Ski fahren auf meinen Lieblingspisten bei Sonne pur. Genial!

Ganz viel Gutes geht mir auch bezüglich meiner Arbeit durch den Kopf. Das Jahr hat durch die BUNT GLAUBEN-Konferenz quasi mit einem fantastischen Big Bang begonnen und auch die ersten beiden eindrücklichen «Chäs, Brot, Wy – und mini Gschicht mit Gott»-Abende haben viel Freude gemacht.

Gut ist auch, in einem Land leben zu dürfen, das kaum grössere Probleme hat als die Frage, ob ein weiterer Bauer in der Landesregierung gut ist für das Land.

Nicht gut fühle ich mich, wenn ich den politischen Blick über unsere Landesgrenzen richte: Irgendwie scheinen unsere Nachbarländer gerade alle zu «strugglen», ganz besonders Deutschland. Da geht es um ganz andere Mehrheiten als die der Bauern in der Landesregierung.

Und die Vorstellung, das Trump und Musk mit der Welt genüsslich eine Monopoly-Runde nach der anderen spielen, schaudert mich. Wieder einmal scheinen Narzissten auf Kosten derer, die ganz besonderen Schutz nötig hätten, ihre «Me first»-Philosophie durchzuziehen.

Natürlich ist auch hier bei uns nicht einfach alles gut. Auch bei mir nicht. Auch in meinem Berufsalltag nicht. Da sehe ich mich beispielsweise mit der Tatsache konfrontiert, dass mein Anliegen des Brückenbauens statt Gräben aufzureissen von manchen so gar nicht geteilt wird. Ich setze mich für eine bunte Welt ein – das kommt dort nicht gut an, wo man ein schwarz-weisses Weltbild klammert.

Was hilft uns in Zeiten wie diesen?

Kalendersprüche wie: «Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen»?  Das ist mir viel zu billig! So ein Spruch mag passen, wenn du eine Prüfung verhaust, einen Kunden verlierst, dein Kind ein Fussballspiel verliert, du beim Einparken den Seitenspiegel abbrichst … Aber nicht, wenn ein ge­liebter Mensch stirbt, eine Behinderung das Leben ver­kompliziert, Beziehungen in Brüche gehen, bei traumatischen Erlebnissen, in einer Pandemie, wenn bei dir eingebrochen wird, bei einer Natur­katastrophe, wenn dir gekündigt wird, du in eine Depression schlitterst, ausge­powert bist, umziehst, die Führungsaufgabe verlierst, dein Körper dir einen Streich spielt.

Oder Menschen wie Trump Macht über so viele haben.
Oder rechtsextreme Parteien immer stärker werden.

Bei solchen Ereignissen kannst du noch lange Krone richten und weitergehen – du wirst ziemlich sicher gleich wieder hinfallen!

Nächster Versuch mit Kalenderspruch-Philosophie: «Am Ende wird alles gut sein. Wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende.»

Das ist doch Quatsch! Nicht alles endet gut. Nicht für alle. Nicht immer.

Und doch: Zusammen mit der christlichen Auferstehungshoffnung kann ich dem Spruch viel Gutes abgewinnen: Am Ende gewinnt nicht das Kreuz, sondern das leere Grab. Nicht Tod, sondern Leben. Nicht das Leid, sondern die Vollkommenheit. 

Die Auferstehungshoffnung ist die grösste Kraft der Welt! Nicht «husch, husch» Krone richten und alles ist gut. Selbst Jesus fühlte sich am Kreuz von Gott und seinen Freunden verlassen – da gibt es nichts schönzureden. Doch wenn die tiefsten Tiefen ausgestanden sind, wartet nicht das Ende, sondern der Neuanfang.

Ja, diese Jenseitsperspektive gibt mir Kraft und Hoffnung in der diesseitigen Welt voller Ungutem, Unsicherheit, Unheil, Unfrieden.

Weder meine Sorgen noch Trump noch irgendwelche Grabenkämpfe haben das letzte Wort. Das letzte Wort wird ein gutes sein, weil am Ende die Liebe gewinnen wird.

Und doch:
Ich wünsche es mir lieber früher als später.
Ja, lieber früher als Himmel.

Die Liebe darf und soll schon jetzt stärker sein als alle zerstörerischen Kräfte.

Dafür will ich mich weiterhin einsetzen.

Glücksaufgabe

Was läuft in deinem Leben gerade richtig gut? Was weniger?

Und wo wünschst du dir lieber früher als Himmel den Durchbruch der Liebe?

Meine Woche mit Trump, Brudereck und Bischöfin Budde

Lass uns gleich auf den Punkt kommen: Zu welcher Fraktion gehörst du? Zur Fraktion «Türen-Zuknaller:innen» oder bist du bei den «Fenster-Öffner:innen» dabei?

Die vergangene Woche liefert dazu jede Menge Anschauungsmaterial. Einerseits auf der für uns schon ziemlich grossen Konferenz-Bühne von BUNT GLAUBEN, anderseits auf der mega grossen Weltbühne der Politik und Wirtschaft.

Die Konferenz mit Christina Brudereck, Lukas Amstutz und vielen anderen sollte ein Tag, gar ein Wochenende, der Inspiration und Motivation für einen weiten, tragfähigen Glauben werden. Tatsächlich ist das gelungen – wie viele schöne, spezielle, persönliche und ermutigende Rückmeldungen es deutlich machen.

Viele Feedbacks haben mich persönlich berührt, weil sie sich stark abheben vom typisch Schweizerischen «War gut – weiter so!». In den Zeilen sind ganz viel Herz und persönliche Betroffenheit zu spüren, neben aller Begeisterung und Freude auch ein Ringen, wie diese markigen Sätze wie «Hier ist Platz für alle!» und «You are loved – always!» denn nun wirklich gelebt werden können.

Jemand schrieb: «Wie ihr Fenster zur Freiheit geöffnet habt. Ich bin sicher, das wird nachwirken.»

Was für ein schönes Bild! Ja, genau das wollten wir. Fenster öffnen, Weite und Freiheit feiern, Grenzen sprengen – oder wie es einer meiner Talk-Gäste sagte: «Gott aus dem Kästchen, in das wir ihn gesteckt haben, herauslassen.»

Fenster zur Freiheit zu öffnen, kann auch irritieren. Wenn mensch Fenster öffnet, geht es bei uns im Bernbiet nicht lange und irgendwer sagt: «Äs zieht!». Fenster zu öffnen kann auch unbequem werden, unser wohligwarmes, selbstgefälliges bis selbstgerechtes Gefühl beginnt zu frösteln.

Die Freiheit der offenen Fenster inspiriert und beflügelt die einen – wie entspannend ist es, nicht mehr auf jede Frage eine Antwort haben zu müssen.

Für andere ist es zu viel Irritation. Bei offenen Fenstern kann der Wind wehen, wo er will – das haben nicht alle gerne. Da fehlt die Kontrolle, die eigene Macht wird möglicherweise in Frage gestellt.

Da gibt es nur eins: Türen zuschlagen!

Das hat sich wohl auch Donald Trump gesagt und bei der Antrittsrede am Montag vorsorglich schon mal detailliert geschildert, welche Türen bei ihm nun alle zugeknallt werden. Dass für diese unmenschliche Haltung gar noch der Name Gottes missbraucht wird, Trump als Messias oder immerhin als Gesandter Gottes angehimmelt wird – ich weiss nicht, ob ich da lachen oder weinen will. Mindestens fremdschämen für die Tür-Zuknaller-Fraktion unter meinen Glaubensgeschwistern.

Gott sei Dank gibt es aber auch in den USA die Fenster-Öffner-Fraktion. Wow, der Mut von Bischöfin Mariann Edgar Budde in ihrer prophetischen Predigt den in der ersten Reihe sitzenden Präsidenten anzuflehen, bitte nicht alle Türen zuzuknallen – das war grossartig, beeindruckend.

Was für ein Kontrast: Laut, überheblich, menschenentwürdigend werden auf der einen Seite Türen zugeknallt. Leise, zerbrechlich und doch klar, mitfühlend werden andernorts Fenster geöffnet.

Ja, das Leben ist komplex und am Schreibtisch solche Dinge zu schreiben ist einfacher, als als Kanzlerkandidat Lösungen auf die aktuellen Probleme zu präsentieren.

Aber ich will und kann nicht glauben, dass wir, wenn wir irgendwie ein C oder E im Namen haben oder uns ganz konkret als Nachfolger:innen des Friedenspredigers aus Nazareth verstehen, keine besseren Lösungen finden als: «Das Boot ist voll!», «America first!» «Das Mass ist endgültig voll!». Mit anderen Worten: «Diese Türen schlagen wir zu!»

Es muss anders gehen!
Als Mensch,
als Christenmensch erst recht.

Ich halte mich an den Schlusssatz von Christina Brudereck an unserer BUNT GLAUBEN-Konferenz: «Gott hat immer mehr und ewig Platz.»

Glücksaufgabe

Nochmals die Frage: Zu welcher Fraktion gehörst du? «Türen-Zuknaller:innen» oder «Fenster-Öffner:innen»?

Und wie zeigt sich das in deinem Leben?

Vom Himmel «wachgeküsst»

Heute schreibe ich einerseits meinen Weihnachts-Artikel hier im Blog und anderseits soll es der Abschluss einer kleinen Trilogie zum «You are loved – always!»-Satz werden.

Dieses «Du bist geliebt – immer!» ist Vision und Anspruch: Ich wünsche mir, dass sich Menschen in meiner Gegenwart geliebt, gesehen, wertgeschätzt fühlen. Darum ging es im ersten Artikel unter dem Motto Ohne Wenn und Aber.

Doch gleichzeitig ist dieser Anspruch auch Zumutung. Im Artikel Ich schaff das nicht habe ich vor zwei Wochen geschildert, wie mich dieser Wunsch, Liebe weiterzugeben, auch an meine Grenzen bringt, mich herausfordert und hin und wieder sogar überfordert.

Darum ist mir Weihnachten so wichtig: «You are loved – always!» beginnt nämlich nicht als Anspruch oder Zumutung. Es ist zuallererst der himmlische Zuspruch: Da ist ein Gott, der dich liebt – immer! Und diese Liebe wird nirgendwo konkreter sichtbar als an Weihnachten: Gott wird Mensch, wird einer von uns, nimmt sich uns an.

Gerade wenn die Erwartungen zu Weihnachten ins Unermessliche steigen und Familien mindestens einmal im Jahr auf Heile Welt machen wollen, brauchen wir diese Erinnerung: Das Fest der Liebe heisst nicht so, weil wir einander in dieser Zeit besonders gern haben, uns beschenken und versuchen, alle Themen mit Zündstoff wie Schikanen zu umfahren!

Genau an diesem Anspruch ist schon so manche Familienidylle zerbrochen und das Fest der Liebe ist vielleicht sogar in der grandiosen Katastrophe gelandet – oder eben im Eskalations-Feuerwerk, da vor lauter Schikanen-Umfahren die Beherrschung verloren ging und ein Zündstoff nach dem anderen gezündet wurde …

Weihnachtsidylle ist tatsächlich eine Zumutung! Wie soll ausgerechnet an Heiligabend per Knopfdruck funktionieren, was wir schon im normalen Alltag nicht schaffen?

Treffpunkt Krippe

Ich liebe es, gemeinsam mit Herzensmenschen (Familie und Freunden) bei einem leckeren Essen am Tisch zu sitzen, das Leben zu feiern, Freud und Leid zu teilen, über Gott und die Welt zu philosophieren. Das kann an Weihnachten sein – muss aber nicht. Und häufig sind die besonders guten Abende losgelöst von Weihnachts- oder sonstigem Erwartungsdruck.

Wir haben eben das Fest der Liebe missverstanden, wenn wir den Familientisch zum Zentrum des Geschehens erklären.

So gerne ich den Esstisch zum Treffpunkt erkläre – an Weihnachten ist der erste Treffpunkt die Krippe und nicht der Esstisch.

Der (Familien)Esstisch steht hier für Anspruch und Zumutung.

Die Krippe jedoch ist der Zuspruch: In Jesus wird Gott Mensch und will uns von Mensch zu Mensch begegnen. Weihnachten ist Fest der Liebe, weil uns an der Krippe – in aller Unvollkommenheit, Weltlichkeit, Menschlichkeit – die Vollkommenheit des Himmels begegnet.

Weihnachten ist das himmlische Geschenk für die Menschheit: Göttlicher Friede und vollkommene Liebe macht sich auf, um uns Menschen «wachzuküssen».

Glücksaufgabe

Mich hat berührt, wie die Mäuse neulich in der kreativen Adventsfeier vom gms unbedingt Teil der Krippenlandschaft sein wollten. Weihnachten ist für alle! Darum wollten auch die Mäuse nahe bei der Krippe sein.

Wie ist das mit uns, mit dir? Wo siehst du dich in der Krippenlandschaft: Freudig dazukommend und empfangend wie die Hirten? Nahe bei Maria, weil sie so eine Ruhe ausstrahlt? Oder direkt an der Krippe, um die Begegnung mit diesem Himmelskind als intime, ganz persönliche Gotteserfahrung einzusaugen? Vielleicht eher etwas auf Distanz, ungläubig beobachtend? Oder bist du noch unterwegs mit den Weisen aus dem Morgenland und fragst dich, wie du dieses Kind in der Krippe beschenken kannst?

An dieser Stelle noch den Hinweis auf unsere You are loved – always!-Produkte: Noch ist es nicht zu spät, im H2 Studen ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen und damit unsere gemeinnützige Arbeit zu unterstützen.

Und falls du über die Festtage etwas freie «Hör-Zeit» hast, verlinke ich hier gerne drei Podcasts, in welchen ich kürzlich zu Gast war:

Vis-à-vis-Podcast von ERF Medien: Stef Gerber findet fragend frische Formen für die Kirche (mit Einblick in meine persönlichen Himmelsmomente 2024)

Der Zweifelclub: Bunt glauben mit Stef und Mäth

Jetzt wirds PERSÖNLICH: Klaus-André Eickhoff im Gespräch mit Stef

Ich schaff das nicht

Vor zwei Wochen hab ich hier über die Liebe ohne Wenn und Aber geschrieben. Tatsächlich bin ich überzeugt, dass Gott sich wünscht, dass wir uns alle nach unseren Möglichkeiten an seiner Liebes-Mission, die Welt zu einem bessern, liebevolleren Ort zu verwandeln, beteiligen.

Ich bin wirklich begeistert von unserem «You are loved – always!»-Slogan und ich fühle mich reich beschenkt, eine Arbeit zu leiten und gestalten, in der immer wieder Menschen sagen, dass sie hier genau das spüren.

Trotzdem muss ich heute gestehen: Ich schaff das ganz oft nicht. Diese bedingungslose Liebe wie sie in der Bibel in 1. Korinther 13 wunderbar beschrieben ist, fasziniert mich, danach streck ich mich aus.

Doch ich schaff sie nicht. Nicht immer. Und vor allem: Nicht bei allen.

Es gibt Menschen, die liegen mir einfach nicht besonders gut. Und dann gibt es Menschen, die haben mir so grausam «ans Bein gepinkelt», da fällt es mir unheimlich schwer zu denken: «You are loved – always!». Geschweige denn es zu sagen oder es gar zu fühlen.

Und was mach ich mit Menschen, die mir den Glauben absprechen, die Gott und die Welt durch eine völlig andere Brille betrachten als ich?

Menschen zu lieben, die das Gute für uns wollen, ist das eine. Menschen zu lieben, die uns (vielleicht ja sogar nur aus unserer Sicht) Schaden zuführen wollen, ist eine ganz andere Liga.

Wenn ich aufrichtig mit meinen Gefühlen in Kontakt bin, kann ich mir nicht befehlen, diese Menschen zu lieben. Doch ich kann mich daran erinnern, dass Liebe auch eine Entscheidung ist. Und darum entscheide ich mich: Ich will jedem Menschen, egal, was er mir angetan hat, ob er komplett andere Ansichten vertritt als ich, mit Respekt begegnen.

Das heisst nicht, dass ich mit allen in die Ferien fahren muss!

Und es heisst auch nicht, dass ich alles gutheissen muss!

Es heisst auch nicht, dass ich schweigend Unrecht über mich ergehen lassen muss!

Wir dürfen und sollen protestieren, wo protestiert werden muss.
Doch wir sollen den Respekt vor dem Menschen nicht verlieren.

Das ist der erste Schritt, damit sich die Liebe ihren Weg bahnen kann.

Wo ist mein Safe Place?

Ich brauche Orte, wo ich mich sicher fühlen kann. Wo ich sein kann, wie ich bin. Wo ich spüre: Da sind Menschen, die wollen das Gute für mich. Die sind für mich. Und ja, die sind mir Ausdruck des göttlichen «You are loved – always!».

Hast du einen solchen Ort? Wo ist er? Familie, Freunde, Verein oder vielleicht eine Kirche?

Beim Netzwerktreffen, von dem ich vor zwei Wochen schrieb, wurde eine Folie mit der Aussage präsentiert: Kirchliche Angebote sind heute eines unter vielen Freizeitangeboten wie Kino, Turnverein, Einkaufscenter oder Freizeitparks.

Wenn das so ist, haben wir als Kirchen schon verloren. Wir können gar nicht mithalten mit diesen Aktivitäten. Wir stellen die falsche Frage, wenn unsere Events so attraktiv sein sollten, wie ein Broadway-Musical oder wir unsere Kids-Programme am Erlebnisfaktor vom Europapark messen.

Die Frage ist: Erfahren Menschen bei uns einen Safe Place, spüren sie hier, dass sie bedingungslos angenommen und geliebt sind?

Kirche ist mehr als ein weiteres Freizeitangebot. Wenn Menschen hier mit dem Himmel in Berührung kommen, erfahren sie das göttliche «You are loved – always!». Selbst wenn wir es nicht immer schaffen, allen Menschen diese Liebe zu schenken.

Glücksaufgabe

Jetzt sind wir also wieder in dieser aufgeladenen Zeit des Jahres, wo wir allen Menschen auf Knopfdruck Liebe schenken sollten.

Selbst wenn die Weihnachtszeit etwas «magisches» in sich trägt, wenn wir es das ganze Jahr hindurch nicht schaffen, alle Menschen zu lieben, warum sollte es ausgerechnet jetzt damit klappen?

Entstress dich, gesteh dir ein, dass du es nicht schaffst. Und beginn mit dem ersten kleinen respektvollen Schritt. Was könnte das für dich bedeuten?

Ohne Wenn und Aber

«YOU ARE LOVED – always!» Dieser Schriftzug leuchtet seit Jahren bei jedem gms Anlass im H2 neben der Bühne. Und natürlich sollen alle Menschen, die zu uns kommen, nicht nur lesen sondern hoffentlich auch spüren, dass sie bedingungslos geliebt sind.

Zugegeben, auch wenn wir uns seit 25 Jahren bemühen, dass sich im gms alle wohl und angenommen fühlen, gelingt uns dies bestimmt nicht jederzeit. Darum ist der Schriftzug auch für uns eine Erinnerung: Die bedingungslose Liebe kommt von Gott selbst. Diese Liebe ist da, selbst wenn wir es nicht schaffen, alle Menschen so umfassend zu lieben.

Gestern sass ich in einem Netzwerktreffen auf dem Bienenberg. Um die Tische sassen vorwiegend Pfarrpersonen aus Freikirchen, die sich nach einer Theologie sehnen, die wirklich frei macht.

Lukas Amstutz und Martin Benz führten mit ihren inspirierenden Vorträgen in eine lebhafte Diskussion zur Frage, wie wir Mission verstehen und gestalten – gerade aus postevangelikaler Sicht.

Als einer der wenigen Nicht-Theologen begleitete mich Hansruedi vom gms Seeland-Team an dieses Treffen. In der Schlussrunde sagte er: «Ich will meinen Mitmenschen nichts aufzwingen. Sie sollen ganz einfach spüren und hören: Da ist ein Gott, der sie liebt – egal was ist und was war.»

Da ist es wieder, dieses «YOU ARE LOVED – always!». Ist das nicht zu simpel? Können wir einander wirklich sagen: «Du bist geliebt – ohne Wenn und Aber!»?

Laut Martin Benz ist unsere Mission, das blühende Leben, den himmlischen Segen und somit den göttlichen Shalom zu verkörpern. Für mich beginnt das genau bei dieser unvoreingenommenen Liebe. Ja, ich blühe auf, wenn mich die Liebe «wachküsst», wie es ein Teilnehmer gestern formulierte.

Wer schon mal verliebt war, weiss, welche Energie in diesem «Sich-unbändig-geliebt-fühlen» steckt. Es macht lebendig – selbst wenn der Preis dafür schlaflose Nächte sind.

Liebe zu erfahren, die uns unabhängig unserer grössten Flops und Tops beschenkt, berührt und begleitet, macht uns zu Menschen – da können mir KI und jede andere Maschine gestohlen bleiben.

Nun gibt es Situationen, da schaffe ich es nicht, mich selbst zu lieben. Warum auch immer, ich fühle mich dann einfach nicht liebeswürdig. Und leider kommt es auch vor, dass Menschen auch von anderen Menschen keine Liebe erfahren – aus welchen Gründen auch immer.

Es ist mehr als ein schwacher Trost: Selbst dann will uns der Himmel sagen: «You are loved – always!». Natürlich braucht Gott häufig andere Menschen, um uns dies spüren zu lassen. Aber selbst, wenn diese Menschen gerade nicht verfügbar sind, gilt uns die himmlische Liebe ohne Wenn und Aber! Und Gott wäre nicht Gott, wenn er keine Wege finden würde, um dieser Liebe einen Weg in unser Herz zu bahnen.

Glücksaufgabe

Wir sind so überzeugt von dieser Botschaft, dass wir sie jetzt auf T-Shirts, Socken, Bodys, Beanies, Kerzen und Tassen gedruckt haben. Wir finden: Eine wunderbare Botschaft auf wunderbaren Produkten. Und beides soll jetzt zu wunderbaren Menschen getragen werden!

Mit einem solchen (Weihnachts)Geschenk machst du nicht nur dich oder andere glücklich. Im Sinn von «Spread the Message, fund our Mission» sollen die Produkte die gute Botschaft weitertragen und der Erlös des Verkaufs hilft uns als gms, unsere Arbeit zu finanzieren.

So verändern wir die Welt

Ich sass da und dachte: «Wir würden uns wohl weder politisch noch theologisch einig werden, doch diese Geschichte fasziniert mich!».

Tatsächlich ist es so, dass ich zwei Wochen hinter mir habe, in denen ich viele Lebensgeschichten hören durfte. Und ich liebe Geschichten. Sie verbinden, sie eröffnen mir eine fremde Lebenswelt, sie helfen zu verstehen und sie sind einfach spannend.

Ob in einem persönlichen Vieraugen-Gespräch, bei einer Tischrunde unter Freunden, in der «Künstler:innen-WG» auf Zeit, im Austausch mit Pfarrkolleg:innen oder auch organisiert in einer Gesprächsgruppe am ersten christlichen Forum in der Deutschschweiz, als eine Art Testimonials bei unseren Jubiläums-Feierlichkeiten oder gestern Abend im Talk beim «Chäs, Brot, Wy – und mini Gschicht mit Gott» – es sind Menschen und ihre Geschichten, die mich faszinieren. Und nicht Technologien, Modetrends oder abstrakte Kunst.

Einige dieser Gespräche der letzten Wochen bauten auf eine bereits tiefe Freundschaft auf. Andere waren so intensiv, dass es den Anschein machte, wir würden uns schon seit Jahren kennen, obwohl es erst die zweite Begegnung war. Ähnliche Erfahrungen, Lebensfragen und Einstellungen helfen da natürlich.

Bei wieder anderen Begegnungen half das Teilen der persönlichen Geschichte, in die Lebenswelt des Gegenübers einzutauchen, Lebensentwürfe und Meinungen nachvollziehen, vielleicht sogar verstehen zu können. Das Fremde muss nicht länger fremd bleiben, auch wenn daraus nicht zwingend eine Freundschaft entstehen muss.

Was jetzt helfen könnte

Der Erfahrungsaustausch beim oben genannten christlichen Forum, welches von unterschiedlichen interkonfessionellen Organisationen getragen und von unterschiedlichsten Menschen mit freikirchlichem, pfingstlerischem, römisch-katholischem, evangelischem und orthodoxem Hintergrund besucht wurde, bestätigte mich in meiner Überzeugung: Wenn wir Menschen für ein bestimmtes Thema sensibilisieren wollen, hilft eine theoretische Abhandlung in der Regel nicht viel weiter. Doch Begegnungen mit Menschen und ihren Geschichten haben das Potenzial, Denkprozesse zu initiieren und festgefahrene Überzeugungen zu hinterfragen.

Und so frag ich mich, was uns Menschen in dieser Woche, in der die eine Hälfte unter Schock steht und die andere Hälfte davon überzeugt ist, dass es jetzt wieder «great» wird, näher zueinander bringen könnte. Die festgefahrenen rechts-links Positionen sind kaum mehr mit Argumenten zu überwinden. Viele Dinge können ja tatsächlich auch unterschiedlich betrachtet werden. Und das ist gut so! Selbst wenn ich vehement für meine Meinung einstehe, die andere Position mich enorm herausfordert (was schon ziemlich freundlich formuliert ist), will ich Brücken bauen und nicht Gräben ausheben.

Darum: Lasst uns Geschichten erzählen! Hören wir einander zu. Doch werfen wir uns dabei nicht Argumente um die Köpfe, sondern hören wir auf Erfahrungen. Sie sind das, was uns zu der Person gemacht hat, die wir heute sind.

So konnte ich letzte Woche bei den 25 Jahre gms Jubiläums-Feierlichkeiten problemlos die Bühne mit einem SVP-Politiker Beat Feurer (Gemeinderat Biel), der Sängerin Jaël, dem SP-Nationalratspräsidenten Eric Nussbaumer, dem Missionar in Japan, mit Teenagern genauso wie dem pensionierten Polizisten und vielen weiteren teilen. Nicht weil wir theologisch und schon gar nicht politisch einer Meinung wären, sondern weil hinter jedem Gesicht eine Geschichte steht, die es wert ist, gehört zu werden.

Ja, meine letzten zwei Wochen waren super intensiv und ich schleppe noch ein Schlafmanko mit mir herum, doch sie waren wunderbar erfüllt und haben mir einmal mehr gezeigt: Persönliche Begegnungen und das Teilen der individuellen Lebensgeschichten sind eine gute Möglichkeit, um Menschen mit ihren Lebensentwürfen und Glaubenstraditionen besser kennen und verstehen zu lernen.

Glücksaufgabe

Einander die eigene Geschichte zu erzählen, schafft nicht nur Brücken und weitet unseren Horizont. Es ist auch wertschätzend für die Person, die ihre Geschichte teilen und dadurch erleben darf, dass die eigenen Erfahrungen, und vielleicht ganz besonders die schwierigen Erfahrungen, andere Menschen inspirieren.

So habe ich mich persönlich beispielsweise über die Rückmeldungen zur letzten Podcast-Episode vom Zweifelclub gefreut, in der Mäth und ich zu Gast waren.

Ich kann es nur nochmals sagen: Erzählen wir uns unsere Geschichten.

Und wenn wir gerade alleine unterwegs sind, tun es zum Anfang auch Podcasts wie «Jetzt wird’s persönlich» von Klaus-André Eickhoff (Spotify) oder auch unser gms Podcast mit den Aufnahmen der Talks vom «Chäs, Brot, Wy – und mini Gschicht mit Gott».

Sommer ade?

Zugegeben, derzeit feiert der Sommer bei uns gerade ein schönes Comeback. Trotzdem hat mich neulich eine herbstlich sentimental-traurige Stimmung erfasst, als wir nach gefühlt einem halben Jahr auf der Terrasse frühstücken der regnerischen Frische nicht mehr zu trotzen vermochten.

Darum ist genau jetzt für mich ein guter Moment, diesen Sommer etwas Revue passieren zu lassen.

Es war ein schöner Sommer, mit vielen schönen Begegnungen, Innehalten, Freiheit, Wärme, Studium, Auftanken, Vorfreude … – genau das, was ich an der Sommerpause, wenn das Tagesgeschäft etwas ruht und Zeit für anderes bleibt, so schätze.

Und doch hat der Sommer sehr besonders angefangen: Genau zwischen Hochsaison und Sommerpause ist mein Vater gestorben. Was seine Krankheit und sein Sterben bei mir ausgelöst haben, teilte ich ja schon hier im GlücksBlog.

Auch zwei Monate nach seinem Tod fehlt er mir, mein Päpu. Die Trauer verändert sich, doch der Herzschmerz über die entstandene Lücke bleibt. Es gab so vieles, das mich in der Zeit des Abschiednehmens berührt hat – die sehr emotionale Gedenkfeier mit Tränen und Lachen, Trauer und Dankbarkeit im kleinen Kreis, das gemeinsame und doch individuelle Verarbeiten als Familie und die vielen, vielen sehr persönlichen Erinnerungen von Menschen, bei denen mein Vater Spuren im Leben hinterlassen hat.

Und als wäre ein Todesfall nicht genug, erhielt ich genau einen Monat nach dem Sterben meines Vaters die Todesnachricht eines lieben Freundes. Auch wenn unsere intensive Freundschaft schon Jahre zurücklag, traf mich die Nachricht voll ins Herz: Er, der mir ein wertvoller Ratgeber war und äusserlich alles hatte, fand sein Glück auf dieser Welt nicht.

Das Leben ist mehr als Trauer

Ja, Verlust von Vater und Freund prägten meinen Sommer. Es war – es ist – intensiv. Und doch bin ich nicht einfach in Trauerstimmung, nicht nur in Trauerstimmung.

Das Leben ist komplex, kompliziert, voller unterschiedlichen, schönen und hässlichen Facetten. Für mich ist das Ziel, diesen bunten Strauss an Emotionen in meinem Leben, in meinem Alltag, zu integrieren. Und nicht einen Monat in Trauerkleider herumzulaufen und danach soll plötzlich alles wieder gut sein. Ist es nicht, die Lücke bleibt, die Lücke schmerzt.

Doch neben dem Schmerz ist da so viel Schönes und Gutes! Genau das kam bei der Gedenkfeier für meinen Vater wunderbar zum Ausdruck: Es war so schön, dass einige Freunde sagten, sie hätten in einem Moment gleichzeitig weinen und lachen müssen.

Und jetzt beim Schreiben merke ich, genau das ist mein Motto des Sommers 2024 «Weinen & Lachen».

Innerlich weinend und lachend habe ich die längst geplante Themenserie «Spuren hinterlassen – Leave a legacy» ausgearbeitet: Ja, mein Vater und mein Freund hinterlassen ein reiches Vermächtnis im Sinn von Segensspuren im Leben von vielen Menschen.

Familienzeiten diesen Sommer waren von Weinen und Lachen geprägt: Ausgelassen haben wir zusammen gelacht, uns am Leben gefreut – auch gerade an neuen Freiheiten nach den Monaten der intensiven Krankheitszeit. Und schluchzend haben wir einander Anteil gegeben an dem, was die Lücke mit uns macht.

Weinen und Lachen gehörte auch zu Begegnungen mit Herzensmenschen. Weil wir offen miteinander über das Leben mit all dem Schönen und dem Herausfordernden sprachen.

Und so ist genau jetzt die richtige Jahreszeit für mein aktuelles Motto. Das Comeback des Sommers bringt die Leichtigkeit zurück: Essen im Garten, kurze Hosen, mit Flipflops durch die Gegend schlendern – ich liebe es. Und die herbstliche Morgenstimmung erinnert mich daran: Zum Leben gehört auch der Nebel, wo der Weg nicht so leicht zu gehen ist.

Glücksaufgabe

Und wie war dein Sommer? Was hat ihn ausgezeichnet? Wofür bist du dankbar? Was hat dich herausgefordert?

Wenn du magst, lass mich gerne dein Moto des Sommers 2024 wissen!

Päpu, du fehlst!

Hier im GlücksBlog blieb es in den letzten Wochen still. Aus Gründen … Zuerst wurde uns in Köln feierlich der Verkündigungspreis überreicht, danach gings fast direkt weiter an die Jährliche Konferenz unserer Kirche und pünktlich auf das letzte vollgepackte Wochenende verschlechterte sich der Gesundheitszustand meines erkrankten Vaters massiv.

Fünf Tage später wurde er von seinen Leiden erlöst – er konnte seinem Wunsch entsprechend friedlich daheim einschlafen. Ihn gehen zu lassen war sehr schön und sehr schmerzhaft, sehr heilig und sehr traurig – du hast noch einmal die Augen geöffnet, uns ein Lächeln geschenkt und dich auf die ewige Reise gemacht.

Zwei Wochen ist es jetzt her. Das grosse Wunder blieb aus, viele kleine durften wir erleben. Ich bin tieftraurig und enorm dankbar. Dein Leben hat Spuren hinterlassen – davon zeugen dutzende persönliche Erinnerungen in den vielen Trauerkarten, die uns erreichen.

Die vielleicht stärksten Spuren hast du in meinem Leben hinterlassen, Päpu.
Und du fehlst mir!

Mir wird dein Stolz auf mich fehlen

Du hast nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass du stolz auf mich warst. Als Jugendlicher, der wohl besonders fromm sein wollte, hatte ich dir mal gesagt, du sollst nicht stolz auf mich sein. Stolz sei nicht so gut, stehe doch schon in der Bibel.

Ach Mensch, so kann man die Bibel auch verdrehen. Wie wichtig und prägend war es doch, einen Vater zu haben, der stolz auf mich war – selbst, wenn ich als Letzter beim Bächlilauf ins Ziel hechelte. Und du hast es mir auch gesagt und gezeigt.

Päpu, ich danke dir dafür, dass du stolz auf mich warst!

(Eltern, seid nicht nur heimlich stolz auf eure Kinder! Lasst es sie spüren! Es wird eure Kinder zum Fliegen bringen.)

Mir werden die gemeinsamen Stunden fehlen

Was für ein Geschenk, dass wir (m)ein Leben lang höchstens ein Haus voneinander entfernt wohnten. Du hast meine Kinder glücklich gemacht und mir und meiner Frau damit ermöglicht, unsere Berufung zu leben.

Und durch die Nähe durften wir unkompliziert viele Stunden spontan oder geplant miteinander verbringen: Ein leckeres Essen bei dir (euch) auf der Terrasse, ein Glas Rotwein bei uns im Garten.

Noch im Frühling vor einem Jahr haben wir wunderschöne Skitage gemeinsam erlebt. Du warst fit, wir genossen den Neuschnee, die Sonne, das Tempo … Nichts deutete darauf hin, dass dein Körper schon bald zerfallen würde.

Päpu, ich danke dir für die gemeinsamen Stunden und dass du grosszügig mit mir geteilt hast, was dir anvertraut wurde.

Mir wird dein Glaube an mich fehlen

Auch wenn du meine Pläne und Entscheidungen nicht immer nachvollziehen konntest, du hast stets an mich geglaubt.

Als ich dir von meiner Berufung in den kirchlichen Dienst erzählte, hattest du zu schlucken. Nicht, weil das «kein richtiger Beruf» wäre, sondern weil du wusstest, dass dies kein leichter Weg sein wird.

Trotzdem hast du immer an mich geglaubt. Du versuchtest nicht, mich von meinem Weg abzuhalten.

Päpu, ich danke dir für diesen Glauben an mich. Dein Vertrauen hat mich zum Fliegen gebracht!

Mir wird dein Mittragen fehlen

Jemand hat es sehr treffen geschrieben: «Oft habe ich miterlebt, wie Willy zwar still und doch ganz hingegeben mitgetragen hat.»

Ja, das warst du! Nicht der Bühnenmensch – das hast du deinen Söhnen überlassen. Doch du warst der stille (Lasten)Träger. Unzählige Stühle gerichtet, Kaffees angeboten, viel Zeit & Geld gespendet, viele Menschen mit ermutigenden Worten beschenkt und nur du und Gott wissen, wie viele Gebete du für deine Familie und ihre Projekte gesprochen hast.

Päpu, ich danke dir für alles Mittragen. Ohne dich wäre vieles nicht möglich gewesen.

Nicht alles wird mir fehlen

Bevor ihr denkt, ich will hier meinen Päpu heiligsprechen, sei auch das noch gesagt: Daddy, ich vermisse dich sehr und ich habe dich enorm geliebt, aber es gibt da auch Dinge, die ich nicht vermissen werde. Und ich glaube, auch du bist froh, dass du diesen Anteil deiner Persönlichkeit nun hinter dir lassen konntest.

Noch im Schluchzen am Totenbett fragte ich: «Und wer wird jetzt reklamieren?». Ja, du hattest immer mal wieder etwas zu nörgeln. Bestimmt hattest du auch das gut gemeint, doch dein schon bald 50jähriger Sohn muss nicht daran erinnert werden, dass er übergewichtig ist, zum Beispiel.

Päpu, es gab auch immer wieder dunkle Tage in deinem Leben, wo sich deine kleine und die grosse weite Welt schwer für dich anfühlte. Als Perfektionist hast du vielleicht noch mehr als wir anderen an der Unvollkommenheit dieser Welt und der Menschen darauf gelitten.

Wie schön, dass du diesen Schatten nun für immer hinter dir lassen und ins vollkommene Licht fliegen durftest.

Päpu, ich liebe und vermisse dich!
Adieu, mein herzensguter Papi!