Meine Geschichte

Zu dieser Zeit war ich vor 25 Jahren bereits supernervös und angespannt: Am 31. Oktober 1999 sollte mein Traum wahr werden. Wir hatten seit Wochen alles geplant, mit freiwilligen Mitarbeitenden überlegt, wie dieser spezielle Brunch-Gottesdienst in der örtlichen Mehrzweckhalle gestaltet werden sollte, damit er möglichst viele Familien aus Studen und Umgebung anspricht.

Dass es überhaupt zu diesem Anlass kam, war einerseits in meinem Pioniergeist angelegt, anderseits doch ein Wunder für sich.

Während meiner Schulzeit war ich nämlich in Mathe immer vorne dabei, doch wenn’s um Sprache ging, gehörte ich eher zu den Sammlern von peinlichen Situationen. Was in der Primarschule unvorstellbar war, geschah dann am Reformationssonntag 1999 tatsächlich: Ich stand, notabene in der Schulanlage meiner Schullaufbahn, auf der grossen MZH-Bühne und hielt unter dem Motto «Ein Traum wird wahr!» eine Kurzpredigt vor grossem Publikum.

Doch noch aus einem anderen Grund war es eine wundersame Fügung, dass ich als 23jähriger Student das gms gründete. Den Pioniergeist fühlte ich zwar in mir und konnte diesen schon als Teenager mit Grümpelturnier-Projekten und später mit der Jungschar-Gründung ausleben. Jedoch fühlte ich mich hin und wieder als Exot und fragte mich, ob meine Träume und Ideen in der Kirchenlandschaft wirklich Platz haben.

Es brauchte einen Heinz Strupler als Motivator und eine praxisorientierte Ausbildung wie ich sie am IGW genoss, damit ich mich mit meinen Visionen nicht als Spinner abstempeln liess und in meinem letzten Studienjahr tatsächlich innerhalb eines eher traditionellen Gemeindeverbandes eine Gemeindegründung wagte.

Und wir hatten gross angerichtet: Schöne Flyer gedruckt, eingeladen, geplant, gebetet, eingeladen, Band zusammengestellt, gezittert, gebetet, eingeladen, eingeladen, eingeladen, kreative Elemente ausgedacht, Zöpfe gebacken und vieles mehr.

Dann war der Tag da, die Tische gedeckt. Viele Tische. Zu viele? Mein Chef verriet mir hinterher, er hätte gedacht: «Oh nein, wenn sich Stef und sein Team nur nicht verschätzen mit ihren grossen Erwartungen.» Doch die Halle füllte sich und es war ein wunderbarer Start in ein Abenteuer, das nun schon mehr als die Hälfte meines Lebens prägt.

Veränderungen gehören zum Leben

Vieles ist seither geworden – anders geworden, gut geworden, hoffnungsvoll geworden. In besagtem Gemeindeverband ging es für uns nicht mehr weiter, nach 10 Jahren ohne Dach fanden wir in der EMK Schweiz eine neue Heimat.

Wichtiger als Strukturen sind uns die Menschen. Unzählige Geschichten beweisen, dass der Traum von damals lebt: Im gms fühlen sich kleine und grosse Menschen wohl und angenommen und werden für ihr Leben und Glauben inspiriert.

Doch nicht nur das gms hat sich in den letzten 25 Jahren entwickelt. Auch ich habe mich in dieser Zeit gewandelt: Der Pioniergeist und die Liebe Gottes als Triebkraft sind geblieben, doch meine Überzeugungen haben sich an manchen Stellen verändert und entwickelt. Meine Theologie wurde weiter, Zweifel sind keine Bedrohung mehr, sondern Zwilling des Glaubens.

Ein bitter-süsses, weil wunderschönes und gleichzeitig enorm trauriges Zeugnis meiner Entwicklung ist die aktuelle Episode im Zweifelclub-Podcast: Mein «kleiner Bruder» und ich durften dort über unsere Geschichte, die auch eng mit der gms-Geschichte verwoben ist, erzählen. Wie erste Reaktionen zeigen, ist ein sehr berührendes Gespräch entstanden:

25 Jahre gms – das ist nicht nur der grösste Teil meiner Berufslaufbahn, sondern ebenso ein sehr prägender Teil meiner Lebensgeschichte.

Ich bin Gott und den Menschen um mich herum sehr dankbar, dass sie dieses Abenteuer mit mir eingegangen sind!

Glücksaufgabe

Ich lass mich gerne durch Biographien inspirieren. Vielleicht geht es dir ähnlich. Dann empfehle ich dir die Podcast-Folge vom Zweifelclub mit Mäth und mir.

Dann freu ich mich riesig auf die Jubiläums-Events zu 25 Jahre gms. Dass viele Menschen mit uns feiern, bedeutet mir sehr viel:

JUBILÄUMS BENEFIZ GALA DINNER mit Singer/Songwriterin Jaël und Nationalratspräsident Eric Nussbaumer u.a. => 31. Oktober in Brügg

JUBILÄUMS-GOTTESDIENST mit Klaus-André Eickhoff => 3. November in Brügg

Tageskonferenz BUNT GLAUBEN mit Christina Brudereck u.v.a. => 18. Januar in der MZH Studen

Infos & Anmeldung zu den Events

Hör auf dein Herz

Neulich hörte ich mich in einer Moderation sagen: «Ich schaue gerne Menschen bei der Arbeit zu!» Stimmt wirklich. Ich beobachte gerne andere Menschen, wenn sie am Arbeiten sind.

Nicht, dass es mir an Motivation fehlen würde, um selbst tatkräftig anzupacken – darum geht es mir nicht. Doch es fasziniert mich, zu beobachten, mit welcher Leidenschaft Menschen ihrer Tätigkeit nachgehen – oder eben auch nicht.

Gerade letzte Woche wieder: Als Feriengast spürte ich sofort, wer vom Servicepersonal mit Engagement und sogar Freude bei der Arbeit ist und wer eher wie eine «herzlose Maschine» funktioniert.

Erhalte ich als Gast ein Lächeln? Oder wird mindestens mein Lächeln erwidert? Oder werde ich gar nicht als Gegenüber registriert?

Wenn unsere Bedienung am zweiten Abend beispielsweise proaktiv fragt, ob wir wieder Cola, Wasser und Wein möchten, fühle ich mich als Gast gesehen. Da bin ich bestimmt völlig einfach gestrickt: Ich fühle mich einfach gut, wenn ich wiedererkannt werde.

Mit Leidenschaft an der Arbeit

Es ist doch ein riesiger Unterschied, ob du das Glück hast, auf Mitarbeitende zu treffen, die ihre Arbeit mit Leidenschaft (Herz) ausführen oder solche, die nur mit Kopf und Hand ihre Aufgaben erfüllen. Mitarbeitende, die nur mit Herz aber ohne Kopf oder ohne Fähigkeiten (Hand) dabei sind, sind natürlich auch keine Idealbesetzung.

Doch können wir uns darauf einigen? Wenn das Herz fehlt, geht so viel Menschliches, Schönes, Guttuendes verloren.

Hast du schon erlebt, dass dir eine Bahndurchsage ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat? Es gibt die Ansagen, die verstehst du kaum, weil es quietscht und rauscht. Bei anderen fragst du dich, ob du gerade Teil einer Geiselnahme bist. Andere klingen, als wäre das Personal lieber ohne Zugreisende unterwegs. Schliesslich aber gibt es solche Durchsagen, da spürst du förmlich die Leidenschaft der Person am Mikrofon: Mit etwas so Banalem wie einer Durchsage von Ankunftszeiten und Umsteigemöglichkeiten wird ansteckende Positivität verbreitet.

Und so können wir alle Bereiche des täglichen Lebens durchgehen: Schon mal Menschen auf einer Bühne zugeschaut, die lustlos ihr Programm abspulten? Oder hast du auch schon festgestellt, dass du nach dem Anruf auf einer Hotline positiv gestimmt warst – und das nicht nur, weil dein Problem gelöst wurde?

Wir sind Menschen mit Herz und diesem Herz tut es gut, wenn es von anderen Menschen mit Herz berührt wird. Ja, ich glaube, das ist es, was mich fasziniert, wenn ich anderen beim Arbeiten zuschaue: Wenn sie es schaffen, mit ihrem Tun Menschen zu berühren.

Richtig toll kommt dies im Film «Kiss the Cook» zum Ausdruck:

Am Ende dieses Trailers sagt der Vater zum Sohn: «Mit dem, was ich tue, berühre ich die Herzen der Leute – ich liebe es. Und das will ich mit dir teilen.»

Leider haben viele Menschen im Laufe eines Berufslebens ihre Leidenschaft verloren. Manchmal ist das vor allem traurig für sie selbst, weil ihnen etwas entgeht. In vielen Berufsfeldern (vom Gesundheitswesen über die Betreuung bis zu den Kirchen) finde ich es jedoch tragisch für die Menschen, die solche Berufsleute ohne Leidenschaft erleiden müssen.

Glücksaufgabe

Mit diesen Fragen kannst du deiner eigenen Leidenschaft auf die Spur kommen:

Wo hast du neulich Flow erlebt?

Hast du eine besondere Leidenschaft, ein spezielles Interesse?

Was ist dein Herzensthema? Welche Menschen(gruppen) liegen dir besonders am Herzen?

Der Blanko-Check: Stell dir vor, es gibt keine Hindernisse, weder Zeit noch Geld oder Umstände – was würdest du anpacken?

Zum Thema Leidenschaft ist kürzlich meine Predigt «Hör auf dein Herz» als Podcast veröffentlicht worden. Hier kannst du sie nachhören. Die Predigt ist aus der Serie «Spuren hinterlassen – leave a legacy». Vielleicht magst du ja auch mal an einer gms Matinée dabei sein. Ich würd mich freuen!

Was willst du bewegen?

Aktuell dreht sich in meinem Leben viel um Wirkung: Einerseits durfte ich Teil der Werkstatt Wirkung (Workshop von Con·Sense Philanthropy Consulting) sein, anderseits haben wir im gms gerade mit der Serie «Spuren hinterlassen – leave a legacy» gestartet. Zudem spüre ich auch ganz persönlich, wie ich mit meinem Sein und Wirken bei anderen Menschen etwas auslöse.

Meine erste Lektion in all dem Nachdenken über Wirkung: Abgeleitet vom bekannten Bonmot von Paul Watzlawick «Man kann nicht nicht kommunizieren» wurde mir im Workshop sofort klar: Man kann nicht nicht Wirkung haben.

Dabei gibt es unterschiedliche Arten von Wirkung. Wir beschäftigten uns den ganzen Tag mit den gewünschten Wirkungen. Ausgehend vom «Problembaum» fragten wir uns bei einer konkreten Problemstellung aus unserer Praxis, was die Ursachen und was die Folgen des Problems sind.

Mit dem Problem vor Augen lernten wir anhand des Lösungsbaums, wie wir durch gezielte Interventionen Teil der Lösung werden und schliesslich Verbesserungen bewirken können.

Klingt technisch und theoretisch? Ist es auch. Und wir haben noch mehr Tools durchgespielt, wie das Modell I-O-O-I (Input – Output – Outcome – Impact) und uns so der Wirkungstreppe angenähert.

Kurz: Bis sich durch Interventionen einer Organisation nachhaltig Wirkung ereignet, kann es ein langer Weg sein. Beispielsweise spricht man bei durchgeführten Aktivitäten, selbst wenn sie ausserordentlich gut besucht werden, noch nicht von Wirkung. Die stellt sich erst ein, wenn bei den Menschen Veränderung (im Denken und Handeln) geschieht.

Manchmal gibt es aber auch ungeplante, positive Wirkungen: Durch unser Engagement werden andere möglicherweise dazu inspiriert, ein eigenes Teilprojekt zu realisieren, das wir so gar nicht auf dem Radar hatten.

Unangenehm sind die ungeplanten, negativen Wirkungen: Wenn unser Handeln dazu führt, dass Menschen resigniert, frustriert und vielleicht gar verletzt das Weite suchen und sich aus unserer Organisation verabschieden.

Bilder sprechen für sich

Tatsächlich hab ich in besagtem Workshop eine aktuelle Herausforderung aus meinem Berufsalltag bearbeitet: «Viele Menschen im mittleren Alter fühlen sich mit der/ihrer Kirche nicht mehr verbunden.» Das hat viele Ursachen und Auswirkungen, gleichzeitig sehe ich auch viele spannende Ansätze, wie dem entgegengewirkt werden kann. Einiges davon hab ich schon ausprobiert, anderes steht jetzt in meinem Modell der Wirkungstreppe.

Die Theorie soll der Praxis dienen – und nicht umgekehrt.

Darum freu ich mich darüber, dass ich intuitiv oft schon in die richtige Richtung «gewirkt» habe und erleben darf, wie sich eine neue Aufbruchstimmung breitmacht.

Und wie misst man Wirkung? Das wäre nochmals ein ganz anders Thema.

Doch in meinem Herzen bewahre ich, wie zuletzt beim fantastischen Sommerfest überall Menschen ihre Handy zückten und filmten – und bei einem neuen Gottesdienst-Format gleich nochmals viele Besucher:innen Momente und Impulse festhalten wollten. Für mich ein Bild für eine neue Freude und wachsende Verbundenheit.

Diesen Weg will ich weitergehen und hoffe, nachhaltig positive Spuren hinterlassen zu können.

Glücksaufgabe

Du willst dich auf einer persönlicheren Ebene mit deiner Wirkung beschäftigen? Dann empfehle ich dir die aktuelle Serie «Spuren hinterlassen – leave a legacy» in Studen, Lyss oder online.

Und als 1-Minuten-Reflexion gebe ich dir folgende Frage mit: Für welche Spuren in deinem Leben bist du dankbar?

Smalltalk – muss das sein?

Bist du eine Person, die gerne alleine einen Event besucht, ohne zu wissen, ob du an diesem Anlass ein bekanntes Gesicht treffen wirst?

Oder geht es dir eher wie vielen anderen auch, die sich in einem unbekannten Umfeld weniger wohlfühlen – nach dem Motto: Es ist ja gut, ab und zu die Komfortzone zu verlassen, aber übertreiben muss man es ja auch wieder nicht?

Anders gefragt: Wenn du beispielsweise eine Konferenz besuchst und von der Moderation aufgefordert wirst, die kommende Networkingzeit als Gelegenheit zum Knüpfen neuer Bekanntschaften zu nutzen, was geht dir da durch den Kopf?

Mir geht es so, dass ich an solchen Konferenzen und Events häufig alte Bekannte sehe und lieber diese Kontakte auffrische, als neue Menschen kennen zu lernen.

Trotzdem, dass ich nicht superaktiv auf neue Leute zugehe, hat sich über die Jahre ein weites und stabiles Netzwerk gebildet.

«Von wo kenn ich all diese Leute?» frag ich mich gerade. In erster Linie aus den zahlreichen Projekten und unterschiedlichen Engagements in Kirche, Politik und Gesellschaft. So durfte ich beispielsweise mit spannenden Menschen das «Jahr der Dankbarkeit» durchführen oder kam durch das Organisieren von Events mit sehr vielen Menschen in Kontakt. Manchmal geschieht sogar das, was ich neulich hier im Blog schrieb: Ich hatte zwei Künstler engagiert und dabei zwei Freunde gewonnen.

Doch es kommen mir auch einige Freundschaften in den Sinn, die nur entstanden sind, weil ich eben doch hin und wieder die Komfortzone verliess und mutige Schritte auf mir unbekannte Menschen zugegangen bin. Oh, was hätte ich verpasst, wenn ich das nicht getan hätte?!

Horizonterweiterung suchen

Egal, welcher Smalltalk-Typ wir sind und mit wem wir einfacher ins Gespräch kommen, wichtig scheint mir, dass wir uns eine gewisse Neugier und Offenheit zur Horizonterweiterung bewahren – oder wenn sie nicht vorhanden ist, halt einüben.

Denn: Wer sich als Person weiterentwickeln will, wer sein Hirn trainieren will und wer sein Glück entfalten will, setzt sich neuen Reizen aus.

Kennst du das nicht auch? Ohne Gegensteuer ähneln sich Gespräche in der Familie oder in festen Gruppen von Mal zu Mal immer mehr und verlaufen mit der Zeit nach dem Schema X: A sagt dies, worauf B die Augen rollt und C zum Gegenschlag ausholt und D sich resigniert in sich kehrt.

Wenn wir diesen Gesprächsverlauf nicht durchbrechen, prägen sich immer tiefere Bahnen ein und Horizonterweiterung wird so selten wie der Lottogewinn.

Mehr als Smalltalk

Vom belanglosen Smalltalk über das Wetter (wobei dies ja gerade genug Diskussionsstoff liefern würde) halte ich nicht viel. Klar, irgendwie muss man ein Gespräch in Gang bringen. Was ich dabei auch schon erlebt habe, dass Menschen wie per Knopfdruck mit Selbstlobpreisungen beginnen und einem ungefragt in 5 Minuten ihren gesamten Leistungsausweis auftischen. (Zum Glück gibt’s bei solchen Veranstaltungen häufig wenigstens ein leckeres Apéro als Zeitvertrieb …)

Gute Gespräche, ob mit mir völlig unbekannten Personen, langjährigen Weggefährten oder guten Freunden, hab ich dann, wenn ich mich ernsthaft für mein Gegenüber interessiere, konkrete Fragen stelle, versuche die Welt des anderen zu entdecken – und gleichzeitig dasselbe Interesse an meiner Person erfahre.

Glücksaufgabe

Wie gut gelingt es dir, dich ernsthaft für dein Gegenüber zu interessieren?

Echtes Interesse aneinander schafft Verbundenheit – und das ist ein sicherer Weg ins Glück!

Wann und beim wem willst du es ausprobieren?

Fehlende Sicherheit – das ist grob fahrlässig

Zuletzt haben mich drei Texte bewegt, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben: Da war Jonny Fischers Biografie, die mich erschüttert hat, dann ein Artikel mit dem Titel Keine Angst vor dummen Fragen aus dem Wirtschaftsteil der NZZ am Sonntag und schliesslich das letzte Kapitel aus Martin Benz Buch Wenn der Glaube nicht mehr passt, das wir diese Woche im Format zäme wyter dänke besprochen haben.

Gebrochene Persönlichkeit

Via Medien habe ich wie viele andere längst mitbekommen, dass Jonny Fischer unter seiner freikirchlichen Prägung gelitten hatte.

Nun (endlich) seine Biografie zu lesen, machte mich tief traurig und auch wütend: Die familiäre, konservativ-evangelikale Prägung war nicht einfach der frühere Jonny – oder eben Jonathan. Seite für Seite wird klar, dass noch ganz viel Jonathan im erfolgreichen Jonny steckt (darum auch der Titel des Buches Ich bin auch Jonathan).

Als gefeierter, mehrfach preisgekrönter Bühnenstar hat es Jonny mit Divertimento längst geschafft. Doch all dieser Erfolg reichte nicht, um ihm den Selbstzweifel zu nehmen. Er konnte das von seinem Vater vermittelte Bild eines strafenden Gottes nicht einfach abstreifen. Im Gegenteil: Er litt immer wieder unter der Angst, nicht okay zu sein, nicht zu genügen und kämpfte darum, geliebt zu werden.

Doch so lange er selbst sich nicht lieben konnte, waren auch seine zwischenmenschlichen Beziehungen immer wieder von Enttäuschungen und Verletzungen durchzogen.

Es tut mir so leid für Jonny und viele Leidensgenossen, was einige Menschen aus dem liebenden Gott gemacht haben. Jonnys Biografie ist eine schonungslose Erinnerung daran, welche toxischen Züge der Glaube annehmen kann.

Falscher Fuss amputiert

Komisch-tragisch war die Lektüre des eingangs erwähnten NZZ Artikels:

In einem amerikanischen Krankenhaus wurde einem Patienten der falsche Fuss amputiert, obwohl mehrere Personen im Operationssaal den Fehler bemerkten.

Nicole Kopp, in Geld & Geist (NZZ am Sonntag, 4. Februar 2024)

Der Artikel ging der Frage nach, wann es in einem Team zu Bestleistungen kommt. Stimmt das naheliegende? Sind die besten Teams die, in denen die besten Leute sind? Sind Intelligenz, Fachkompetenz und strategisches Denken beispielsweise die entscheidenden Erfolgsfaktoren?

Vor vielen Jahren habe ich gelernt, dass der Unterschied zwischen einem guten zu einem Hochleistungs-, oder Dream-, Team der Umgang miteinander ist. Wo das Miteinander ein echtes Miteinander, geprägt von Respekt, Wertschätzung und sogar Liebe, ist, da sind auch die Resultate die besten.

Tatsache ist, dass es in Teams zu haarsträubenden Fehlleistungen kommen kann, wenn das Miteinander von Gleichgültigkeit oder gar Angst geprägt ist. Ob der falsche Fuss amputiert oder Flugzeugabstürze – es sind keine erfundenen Geschichten, sondern der tragische Beweis, dass fehlende psychologische Sicherheit und ausbleibende Kommunikation weitreichende Folgen haben.

Safe Places – ein sicheres Umfeld

Über Monate haben wir mit 20-30 Personen über das spannende Buch Wenn der Glaube nicht mehr passt von Martin Benz ausgetauscht. Diese Woche war nun das letzte Kapitel verbunden mit der Frage, wie wir vorwärtsglauben können, an der Reihe.

Eine gesunde Glaubensentwicklung, so unsere Erkenntnis des Abends, ist zwar individuell, braucht jedoch einen sicheren Ort mit anderen Menschen. Nur ein ehrlicher Austausch kann uns echt weiterbringen. Doch diese Ehrlichkeit, bei der man sich seinen Ängsten, Zweifel und Fragen stellt, kann nicht auf Knopfdruck hergestellt werden.

Es braucht Geduld, damit Vertrauen wachsen kann. Erst wenn ich mich sicher fühle und darauf vertrauen kann, dass ich von den anderen nicht «abgeschossen» werde, kann ich mich öffnen und mich verletzlich machen.

In Dreamteams fühlen sich Menschen sicher und getrauen sich beispielsweise auch den Chefarzt zu korrigieren (bevor er einen falschen Fuss amputiert) , in Glaubensgemeinschaften macht die psychologische Sicherheit den Unterschied, ob Menschen sich in ihrem persönlichen Glauben entfalten können (oder alle gleichgeschaltet werden).

Jonathan fehlte in der Kindheit diese psychologische Sicherheit. Dafür bezahlte der äusserlich äusserst erfolgreiche Jonny einen enorm hohen Preis.

Glücksaufgabe

Wie ist das bei dir? Was hat dich in deiner Kindheit geprägt, welches Gottesbild wurde dir vermittelt?

Und wo hast du in deinem Berufsleben bereits in einem Dreamteam mitwirken dürfen und wo hast du vielleicht erlebt, wie man mangels psychologischer Sicherheit den unangenehmen Gesprächen ausgewichen ist?

Welche Menschen können dir einen sicheren Rahmen bieten, damit du dich in deiner Persönlichkeit und in deinem Glauben positiv entwickeln kannst?

Bilder im Kopf

Es gab Jahre, da hab ich mir ganz konkrete Neujahrsvorsätze gefasst und sogar andere angeleitet, wie man mit einem PEP (Persönlicher Entwicklungsplan) erfolgreich ins neue Jahr starten kann.

Auf die lange Sicht darf ich auch feststellen, dass mich mein zielorientiertes Vorgehen, sprich die Klarheit über meinen Fokus, «weit» gebracht hat.

Ja, gerade gestern Abend hörte ich mich beim Neujahrs-Gönner-Apéro von gms/Happy Kids diesen Satz sagen: «Dieses Jahr wird das gms 25jährig – und ich liebe diese Arbeit mehr denn je!». Und das hat damit zu tun, dass wir seit 25 Jahren fokussiert, gar hartnäckig, den einen Traum verfolgen – Safe Places, Begegnungsräume, zu schaffen, wo sich unterschiedlichste Menschen wohl und angenommen fühlen und für ihr Leben und Glauben inspiriert werden.

Weil wir unterwegs nicht aufgegeben haben und unsere Vision nicht nach den ersten Schwierigkeiten austauschten, dürfen wir heute hier und da Früchte unserer Investitionen ernten.

Darum: Fokus ist gut und wichtig! Und Neujahrsvorsätze, wenn sie mehr als eine halbherzige Wunschvorstellung sind, können zu wertvollen Meilensteinen auf dem Weg werden.

Meine Top Ten

Trotzdem habe ich mich dieses Jahr mehr mit dem Rück- als mit dem Ausblick beschäftigt: Zum Jahreswechsel habe ich während 10 Tagen je ein Bild aus meinen TOP TEN 2023 auf Facebook und WhatsApp geteilt.

Was für besondere, schöne Momente aus dem vergangenen Jahr bleiben hängen, hab ich mich gefragt und dabei als Gedankenstütze meine Fotos auf dem iPhone «durchgeswipet»: Als absoluter Höhepunkt bleibt der Vater-Sohn-Urlaub in Arizona hängen, dann gab es viele schöne Begegnungen mit alten und neuen Freunden, Erfolgserlebnisse bei der Arbeit, fröhliche (und schwere) Familienmomente …

Ich liebe es, meine Gedanken zu verschriftlichen und so habe ich natürlich schon oft meine Ziele in Worten festgehalten. Beim Anblick der Top Ten 2023 merkte ich: Da braucht es gar keine Worte mehr. Ich will, dass diese Bilder in mir haften bleiben.

Und diese Bilder im Kopf – und vor allem im Herzen – wecken in mir die Sehnsucht nach mehr davon.

So werden die Bilder aus dem Jahresrückblick zu meinem Neujahrsvorsatz: Ich will Raum schaffen, dass auch 2024 solche Erlebnisse Platz haben. Ich will Beziehungen gestalten, den Moment geniessen, Neues erleben.

Ob die Neuropsychologin oder der (Mental)Trainer: Immer mehr Fachleute, so kommt es mir mindestens vor, weisen darauf hin, welch starken Einfluss unsere inneren Bilder auf uns haben.

Gerade diese Woche habe ich in einem Podcast von der Taktik gehört, einen Trigger dadurch zu stoppen, dass man ihm ein anderes, im besten Fall humorvolles Bild, entgegenhält. Statt mich von einem Trigger runterdrücken zu lassen und vielleicht in Panik zu landen, ist es möglich, innerhalb einer Millisekunde Gegensteuer zu geben – und durch das lustige Bild kommen wir ins Lachen: Humor vertreibt somit die Angst.

Der schlechteste Neujahrsvorsatz war schon immer «Ich muss joggen gehen und abnehmen!». Bringt nichts!

Aber positive Bilder im Kopf – das bewegt was.
Probiers aus!

Glücksaufgabe

Welche schönen Momente, Bilder!, willst du mit ins neue Jahr nehmen? Und was für Bilder sollen dein 2024 prägen?

KI macht uns zu Ameisen

Letzten Sonntag hab ich mit Interesse von einer praktischen Anwendung von KI (Künstlicher Intelligenz) gelesen und erst nach einigen Abschnitten gemerkt, dass ich den Erfinder dieser Anwendung ja persönlich kenne.

Martin Künzi erklärte in der NZZ am Sonntag, wie er mit seiner Firma Enigma ein Tool entwickelte, das ganze Kommunikationskonzepte innert Sekunden generieren kann. Es ist faszinierend, welche Möglichkeiten in der KI stecken und wie sie vielerorts die Arbeit verändern wird. So sagt Martin, dass sich seine Agentur künftig dank dem neuen Tool vor allem auf die strategische Beratung von Kunden fokussieren kann.

Und gleichzeitig liest man eine gehörige Portion Respekt aus dem Artikel: Angst dürfte man nicht haben, gibt Martin Künzi zu bedenken, aber lernen sollte man, intelligent mit der KI umzugehen. Und: «Ich habe schon Respekt davor, wohin das alles noch führt.»

Der Artikel hat mich fasziniert, bestimmt grad noch ein bisschen mehr, weil Martin neulich bei uns im Garten bei einem Eat’n’Meet Teil einer tollen Tischrunde war.

Anders ging es mir bei einem weiteren Artikel über die KI. Im Mai brachte die NZZ am Sonntag unter dem Titel «Der Mensch ist Steigbügelhalter für etwas Grösseres» ein Interview mit Jürgen Schmidhuber, Pionier der KI-Forschung. Das Gedankengut in diesem Interview hat mich provoziert – ich hab sogar in meinem Tagebuch darüber nachgedacht.

Damals legte ich den Artikel zur Seite und dachte, irgendwann muss ich das in meinem GlücksBlog verarbeiten. Irgendwann ist heute.

KI: Chance oder Gefahr?

In meinem Berufsalltag habe ich bisher nur wenig Berührungspunkte mit KI. Als witzige Spielereien liessen wir auch schon Impulse von ChatGPT generieren. Das Resultat war (noch) ernüchternd. Und als ich merkte, dass ChatGPT auf die Frage nach meinem Buch «Glück finden – hier und jetzt» nur allgemein Platituden zum Thema, aber nichts zu meinem Buch lieferte, war ich natürlich eingeschnappt und definitiv enttäuscht von der KI, die ja gar nichts weiss 😊.

Doch was ich da vom Experten lese, der sachlich und fasziniert von der zu erwartenden Entwicklung der KI spricht, rüttelt mich und meine Überzeugungen auf:

Menschen werden irgendwann wohl nicht mehr die Wichtigsten sein, doch deswegen nicht verschwinden. Schauen Sie sich um, die Ameisen sind ja auch noch da! Die gibt es schon viel länger als die Menschen, und obwohl wir klüger sind, haben wir kein Interesse daran, alle Ameisen auszurotten.

Die gute Nachricht: Wir brauchen keine Angst vor KI zu haben, sie will uns nicht ausrotten. Naja, ich bin da schon etwas skeptischer. Gefüttert wird KI von Menschen und die Geschichte lehrt uns, dass hilfreiche Tools in falschen Händen zu ganz viel Zerstörung führen kann.

Doch unwohl wird mir hier vor allem beim Vergleich vom Menschen mit den Ameisen: Es soll dem Menschen in absehbarer Zeit gehen wie der Ameise? Das bringt mein Welt- und Menschenbild ziemlich durcheinander.

KI stellt uns vor grosse ethische Fragen, das sagt auch Werber Martin Künzi. Da wird noch viel Arbeit auf uns warten.

Und als Theologe muss ich an biblische Texte (bspw. Psalm 8) denken, die mich daran erinnern, wie klein der Mensch als Teil des Universums ist. Trotzdem erhält der Mensch in diesen Texten eine herausragende Stellung: Gar als Krone der Schöpfung wird er betitelt.

Nein, ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass wir bloss «Steigbügelhalter für etwas Grösseres» sein sollen.

Ich hoffe darauf, dass der lebendige Mensch vor der «toten» Maschine bleibt.

Glücksaufgabe

Der Mensch ist eingeladen zu gestalten. Das tut er oft ganz ordentlich und so ist vieles erfunden, erschaffen und entwickelt worden.

Manchmal wurden wir aber auch zu Sklaven solcher ursprünglich hilfreichen Tools. So wird beispielsweise gefragt: Dient die Wirtschaft dem Menschen oder dient der Mensch der Wirtschaft?

Meine Glücksfrage an dich: Welchen Tools (vom Smartphone bis zum Geld ganz allgemein) hast du erlaubt, dich «im Griff» zu haben, statt sie im Griff zu haben? Glück kann hier heissen, dich von Abhängigkeiten zu lösen

Tu, was du liebst – liebe, was du tust!

Gestern Abend spät setzte ich mich müde und erfüllt in unseren Garten und hielt noch einen Moment inne. Gerade kam ich zurück vom Sommerfest unserer Kirche; Leute verabschiedet, Material verstaut, das Herz voller Eindrücke.

Beim Reflektieren über das schöne Fest zu Ehren unserer freiwillig Mitarbeitenden und für alle, die sich auf irgendeine Art zu unserer Gemeinschaft zählen, hüpfte mein Herz vor Freude: Einfach schön, was aus diesem zarten Pflänzchen, das sich gms studen nennt, geworden ist.

Und da kam mir in den Sinn, wie ich als junger Pfarrer bei einem ersten Jubiläumsfest unserer Gemeinde Buttons mit dem Slogan «I love my church» drucken liess. Es hat schon damals gestimmt, aber vielleicht war es mehr eine Kopfsache und ich versuchte mit solchen Aktionen die «gms family» zu motivieren … – es gibt viele «To-Do’s», die man als junger Gemeindegründer, der seinen Vorbildern nacheifert, abzuarbeiten hat.

Ich habe noch so einen «I love my church»-Button in meiner Tagebuch-Box, aber sonst sind diese Buttons – und zum Teil leider auch die Menschen, die sie damals erhielten – aus dem gms Alltag verschwunden.

Doch gestern Nacht im Garten fuhr mir der Gedanke durch den Kopf: Dieser «I love my church»-Slogan war noch nie wahrer als gerade jetzt.

Gut möglich, dass dies auch mit dem zu tun hat, was ich am Sonntag predigte: «Es geht mehr um unser Sein als unser Tun! Für viele von uns heisst emotional gesund zu leben und glauben vielleicht einfach einmal unser Leben zu entschleunigen – statt hektischem Tun, kraftvolles Sein. Unsere Gottesbeziehung als echte Kraftquelle entdecken – nicht als Punkt auf unserer To-Do-Liste.» (Die ganze Predigt «Lustvoll statt kraftlos leben und glauben» findest du in unserem Podcast.)

Als Leiter vom gms setze ich heute weniger auf die richtigen «To-Do’s». So sind Missionstatement, Strategien und Motivationssprüche nicht mehr omnipräsent. Das heisst nicht, dass diese falsch sind oder auf unserer Reise falsch waren. Aber irgendwann auf unserem Weg ist der Traum vom gms nicht mehr auf Karten gedruckt worden, sondern er wurde zur Seele unserer Gemeinschaft: Es ist unsere DNA, es ist unser SEIN, dass im gms eine Willkommenskultur spürbar ist und sich unterschiedlichste Menschen wohl und angenommen fühlen.

Die Karriere sausenlassen

Man kann seine Arbeit als Job gegen Geld erledigen. Manchmal wird die Arbeit eine Gelegenheit für eine persönliche Karriere: Arbeit gegen mehr Geld und vor allem Prestige.

Einige von uns dürfen erleben, wie erfüllend es ist, wenn man nicht einfach einen Job erledigt, nicht eine Karriere bastelt, sondern liebt, was man tut – wenn es weniger um den persönlichen Benefit geht, sondern um einen Beitrag zu einem grösseren Gut. Beruf ist nicht mehr bloss Arbeit, Beruf ist Berufung.

Ich gebe zu, ich werde jedes Jahr wieder etwas kribbelig während der Sommerpause: Wenn ich die Leute zu lange nicht «spüre», fühle ich mich wie im luftleeren Raum. Als ich dies während den Ferien unserem Sohn erzählte, berührte er mich liebevoll mit dem Zeigefinger nach dem Motto: «Jetzt spürst du wieder jemanden.»

Letzten Sonntag luden wir dann zum Saisonstart zur erstem Matinée mit der neuen Serie «Emotional gesund leben und glauben» ein. Und sie kamen, die Menschen, sehr unterschiedliche Menschen: Mehr als jemals zuvor an einer normalen gms Matinée. Es gab ganz viel «zu spüren» an diesem Morgen.

Und einmal mehr spüre ich: Eine prestigeträchtige Karriereplanung hätte ganz andere Formen angenommen, aber diese Woche lässt mich tief im Innern spüren: Es hat sich gelohnt, meiner Berufung treu zu bleiben – ich liebe, was ich tue – i love my church.

Noch eine Ergänzung, bevor ein falscher Eindruck entsteht: Diese Woche sprach mich jemand an und meinte, bei uns laufe scheinbar gerade alles rund. Es war mir eine eindrückliche Erinnerung daran, dass Social Media eben nicht alles zeigt. Neben dem, was ich wirklich liebe, erleben wir gerade in mancherlei Hinsicht super-chaotische Zeiten. Das gehört offensichtlich auch zum Leben und auch zu einer Berufung. Doch diese Herausforderungen brauchen einen persönlicheren Rahmen als einen Blog oder Instapost, um sie mit anderen zu teilen.

Und noch ein Nachtrag: Eigentlich wollte ich noch etwas zum Bild in diesem Blog schreiben, weil es zum Ausdruck bringt, was ich am gms so liebe. Aber ich hoffe jetzt, das Bild spricht für sich selbst …

Glücksaufgabe

Kannst du auch sagen: Ich liebe, was ich tue? Wenn nicht, dann beginne doch einfach damit, mehr von dem zu tun, was du liebst.

Was könnte es für dich heissen, mehr zu SEIN als zu TUN?

Und grad noch so eine persönliche Frage: Mit wem teilst du die persönlichen Herausforderungen in deinem Leben?

Grad chlei viu!

«Denn nicht alles,
was grösser ist,
ist auch besser –
sonst hätten die
Dinosaurier überlebt.»

Diesen schönen Satz von Frank Heer habe ich neulich während unserem Kurzurlaub im Liegestuhl liegend in der NZZ am Sonntag gefunden.

Warum die Dinosaurier tatsächlich ausgestorben sind, weiss ich nicht so genau. Aber mir gefällt der Gedanke, dass es eben nicht immer grösser sein muss.

Das lässt sich im entspannten Wellnessurlaub mit viel Sonne, frischer Bergluft, leckerem Essen und vertrauter Zweisamkeit locker sagen. Zurück im Alltag begegnen mir dann eilige und überlastete Menschen, die mit ihrem Lebensstil das Gegenteil ausdrücken: Es muss immer grösser, schneller und weiter sein.

In den letzten Wochen ist mir wieder einmal aufgefallen, wie viele Menschen auf die Frage nach ihrem Wohlbefinden sagen: «Äs geit. Eifach grad chli viu.» (Es geht. Einfach gerade etwas viel.)

Bevor ich auf die Glücksthematik fokussierte, setzten meine Frau und ich in unseren Referaten, Workshops und Seminaren auf das Motto «Leben in Balance». Manchmal bekamen wir darauf die Reaktion, dass ein solches Leben in Balance doch langweilig sei – kein Platz für Abenteuer, nichts für High-Performer.

Das ist bei weitem nicht, was wir mit unserem Motto ausdrücken wollten. Das Gegenteil ist wahr: Wir lieben es selbst auch, «Vollgas» zu geben. Aber wir haben es auf die harte Tour gelernt: Nur «Vollgas» geht auf die Dauer nicht.

Ein «Leben in Balance» zu führen oder einen gesunden Lebensrhythmus zu pflegen, meint in unserem Verständnis, dass auf Phasen mit starker Anspannung immer wieder Ruhephasen kommen sollen.

Wenn also eine Person jedes Mal, wenn ich sie treffe, sagt: «Im Moment ist es grad etwas viel.», macht mich das hellhörig. Einmal ist kein Problem, beim zweiten Mal frage ich vielleicht zurück, wie lange dieser Moment noch dauern wird. Aber wenn ich es immer und immer wieder höre, zeugt die Antwort definitiv von einem ungesunden Lebensrhythmus.

Was tun wir also, wenn wir bei uns entdecken, dass die Phasen der Höchstleistung und der Anspannung nicht mehr Phasen, sondern Dauerzustand sind?

Grenzen ziehen!

Das fällt uns High-Performer oft so schwer. Ein weiters Projekt, das uns reizt. Ansprüche von aussen und vor allem von innen, von uns selbst, denen wir gerecht werden wollen.

Wer jedoch grenzenlos lebt, wird möglicherweise eher früher als später das Schicksal mit den Dinosauriern teilen: Diese Person wird irgendwann nicht mehr sein! Jedenfalls nicht mehr als «Vollgas»-Mensch.

Runter vom Gas!

Muss es wirklich immer Vollgas sein? Tatsache ist, dass weniger oft mehr ist. Wir werden nicht leistungsfähiger, wenn wir uns keine Pause gönnen!

Mein Lieblingstipp bezüglich Selbst- und Zeitmanagement lautet: «Wenn du es eilig hast, geh langsam». (Siehe gleichnamiges Buch vom Zeitmanagement-Guru Lothar Seiwert.)

Nein sagen!

So ehrenvoll oder spannend eine Anfrage auch sein mag, manchmal braucht es einfach ein Nein! Und so müssen wir von Zeit zu Zeit auch Menschen enttäuschen oder auf später vertrösten.

Wenn möglich, biete ich zu meinem Nein auch noch eine Alternative an: «Ich kann dir im Moment nicht helfen, aber mit diesem Anliegen bist du wahrscheinlich bei XY an der richtigen Adresse.»

Gut ist gut genug!

Neulich hörte ich die amüsante Geschichte von einem Lehrling, der mit einer super Note seine LAP (Lehrabschlussprüfung) geschafft hat. Diese Top-Leistung hätten ihm nicht alle zugetraut. Sein trockener Kommentar: «Ich bin halt mit dem Pareto-Prinzip durch meine Lehre gegangen.» Wow! Wenn das nur mehr Menschen begreifen würden.

Neugierig, was das Pareto-Prinzip ist? Kurz gesagt: Mit 20 % Einsatz erreichen wir in der Regel 80 % des Resultates. Um ein gutes Resultat zu erzielen, muss ich also nicht immer Vollgas geben.

Glücksaufgabe

Ich wünsche dir, dass du in den nächsten Wochen längere Momente der Entspannung hast. Vielleicht nutzt du die Gelegenheit, einen (Schlacht)Plan zu erstellen, wie du nach den Sommerferien dafür sorgen kannst, dass du nicht ständig sagen musst: «Im Moment ist es gerade etwas viel.»

Mit diesen Gedanken verabschiede auch ich mich in die Sommerpause.

Mehr als eine Formel

Letzten Sonntag war ich wieder einmal eingeladen, in einem Talk weiterzugeben, was ich als Theologe bei der Positiven Psychologie für die Lebenszufriedenheit gelernt habe.

Mit im Gepäck hatte ich natürlich auch mein Buch «Glück finden – hier und jetzt». Und damit auch die Glücksformel. Nein, ich würde nicht das Buch als Glücksformel bezeichnen, aber im Buch schreibe ich über die Formel für mehr Lebenszufriedenheit, die ich bei Martin Seligman, dem Vordenker der Positiven Psychologie, entdeckte.

Weil die Glücksformel auf spielerische Art die Erkenntnisse der Glücksforschung auf den Punkt bringt, brauche ich sie regelmässig in Workshops, Referaten oder eben Talks, um mit den Teilnehmenden in die Entdeckungsreise zu einem zufriedeneren Leben zu starten. Die Erkenntnis, dass beispielsweise die Lebensumstände einen viel geringeren Anteil an unserem Glücksempfinden haben als allgemein angenommen, wird dankbar als Inspiration angenommen.

Doch beim Talk letzten Sonntag schien ein Zuhörer derart von der Formel irritiert gewesen zu sein, dass er im Frageteil wissen wollte, ob ich das ernst meine oder ob ich damit nur Irritation auslösen wollte. Ich fand nicht heraus, ob er inhaltlich nicht mit der Glücksforschung einverstanden war oder ob sich in seinem Innern etwas sträubte, das Leben in eine Formel zu packen.

Natürlich sind das Glück und das Leben sowieso viel mehr als eine Formel! Trotzdem helfen mir solche Veranschaulichungen, wertvolle Impulse oder Lebensprinzipien zu verinnerlichen. Immer mit dem Wissen, dass es in Wahrheit noch eine Spur komplexer ist und sich das Leben nie auf eine mathematische Gleichung reduzieren lässt – das wäre ja zu einfach …

Haschen nach Wind

Und trotzdem will ich euch hier auch eine Formel präsentieren. Kommenden Sonntag schliessen wir im gms studen eine inspirierende Matinée-Serie ab. Dabei haben wir uns über mehrere Monate mit dem Bibelbuch Kohelet (Prediger) beschäftigt. Der Prediger hat beobachtet, dass unser menschliches Treiben – von der Arbeit über die Karriere und unseren Wohlstandsbemühungen bis zu intensivstem Vergnügen – alles vergänglich und paradox ist, eben wie «Haschen nach Wind».

Während der Zeit dieser Serie habe ich Christoph Wirz kennen gelernt. Der pensionierte Notar ist ein leidenschaftlicher Autor und ist in einem spannenden Projekt in den Dialog mit dem Prediger getreten. Im daraus resultierten Buch «Windhauch» schreibt Christoph diesen denkwürdigen Satz:

Noch besser als Wissen und Können sind die beiden, gepaart mit Erfahrung und Gelassenheit; das wäre dann Weisheit.

Daneben habe ich mir eine Randnotiz gemacht; eben, eine neue Formel:

(Wissen + Können) + (Erfahrung + Gelassenheit) = Weisheit

Was wir uns mit unserem Verstand aneignen und die Fähigkeiten, die wir entwickeln, können zu unserer grossen Stärke werden. Nämlich dann, wenn wir dieses Wissen und Können mit Freude und Leidenschaft einbringen. Das ist eine wunderbare Sache und kann immer mal wieder zu schönen Flow-Erlebnissen führen.

Wissen und Können alleine bergen die Gefahr in sich, dass wir überheblich werden. Darum braucht es für ein Leben aus Weisheit noch etwas mehr: Erfahrungen, die schwierigen und die tollen. Sie helfen uns, uns in einer komplexen Welt mit unberechenbaren Menschen (inklusive uns selbst) etwas besser zu orientieren. Und die Gelassenheit im Sinn einer gesunden Demut erinnert uns daran, dass nicht alles an uns, unserem Einsatz sowie unserem Wissen und Können hängt. Wir mögen noch so vieles können – wir haben das Leben nie unter Kontrolle.

In gewissen Kreisen sagt man dazu: «So Gott will und wir leben». Dieser Ausspruch geht auf eine Bibelstelle (Jakobus 4,15) zurück und ist aus meiner Sicht eine schöne Erinnerung daran, dass wir bei allem Können und Wissen, und egal wie gross unser Erfahrungsrucksack ist, diese Gelassenheit brauchen: Es liegt nicht alles in unseren Händen.

Diese Lebensweisheit wünsch ich uns!

Glücksaufgabe

Auch wenn es nur eine Spielerei ist: Wie würde deine persönliche Glücksformel lauten?

Übrigens: Meine Predigten zur Serie Haschen nach Wind kannst du in unserem Podcast nachhören und selbstverständlich bist du herzlich dazu eingeladen, am Sonntag mit uns den Abschluss der Serie im gms studen zu feiern.