Und plötzlich steht da auf Google Maps unter einem Lieblingsort: «Dauerhaft geschlossen». Ein solcher Ort ist die Bar in The Signature Room im 95. Stockwerk des John Hancock Center in Chicago.
Zuerst wurde der Wolkenkratzer vor einigen Jahren umbenannt, und jetzt ist also auch das Restaurant mit der atemberaubenden Aussicht Geschichte.
In diesen Tagen werde ich doppelt wehmütig, wenn ich daran denke: Heute findet in Chicago der Global Leadership Summit statt. Leider ohne mich.
Wie oft waren wir dort, haben die Inspiration aufgesogen, Begegnungen genossen, Grosses geträumt, Familienerinnerungen geschaffen, Freundschaften geschlossen, Beziehungen vertieft, sind in die Grossstadt eingetaucht: Die Skyline vom Wasser aus, die Skyline bei Sonnenuntergang …
Und eben: Die Skyline von oben. Irgendwer hat uns damals vor einem Vierteljahrhundert mit diesem Geheimtipp vertraut gemacht: Kauft kein Ticket für eine Aussichtsplattform, nehmt gratis den Lift in The Signature Room, geniesst dort was zu trinken und erhält die Aussicht geschenkt dazu. (Am besten sei diese übrigens von der Damentoilette aus, sagt frau; ich konnte es leider nicht überprüfen.)
Das Leben entwickelt sich
So gehörte seither zu praktisch all meinen Chicago-Besuchen die rasante Liftfahrt ins 95. Stockwerk vom Hancock dazu.

Ich vermisse es. Die Stadt. Die Begegnungen. Die Willow Freunde. Die Studienreise. Der Summit. Die Willow Gemeinde. Und ja, auch Bill Hybels (ohne schönreden zu wollen, was da nicht schön war).
Dauerhaft geschlossen.
So geht es: Das Hancock Center ist nicht mehr, was es einmal war. Willow ist nicht mehr, was es einmal war. Und ich bin auch nicht mehr, wer ich einmal war.
Entwicklung gehört zum Leben dazu. Manches lassen wir bewusst zurück, anderes wird uns gegen unseren Willen genommen. Wir brechen auf zu neuen Horizonten, mal ganz freiwillig, mal aufgezwungen, weil uns das Leben mit Situationen konfrontiert, die wir uns nie selbst ausgesucht hätten.
«Dauerhaft geschlossen» sind aber nicht nur Restaurants und andere Betriebe auf Google Maps. «Dauerhaft geschlossen» ist auch das, was mir in den Sinn kommt, wenn ich an gewisse Lebensgeschichten denke.
Das ist doch kein Zustand
Da leben Menschen im fortgeschrittenen Alter so gar nicht versöhnt mit ihrer eigenen Biografie. Ihr Leben ist eine Qual, die Mitmenschen kümmern sich zu wenig und überhaupt: Die Welt ist schlecht – und so sündig!
Da hilft nur noch beten – oder sterben.
Aber beides will nicht so recht funktionieren.
Sterben dürfen andere, leben auch.
Und der liebe Gott kümmert sich wohl auch nur um die anderen.
Naja, vielleicht würde Gott ganz gerne helfen: Durch einen Besuch beim Arzt oder Psychologen …
«Dauerhaft geschlossen» – das ist doch kein Zustand! Mensch ist noch da (wie der Eintrag auf Google Maps), aber lebt irgendwie doch nicht mehr.
Ich weiss selbst, dass das Leben nicht immer ein Honigschlecken ist. Es gibt Phasen der Trauer, nachdenkliche Perioden, unsichere Aussichten oder schmerzhafte Erinnerungen. Das alles gehört zum Leben dazu. Und wenn wir es schaffen, uns damit zu versöhnen, kann sich das Shalom-Leben in uns entwickeln.
Manchmal scheint uns unvorstellbar, wie wir neue Lebensfreude gewinnen können, aber «Dauerhaft geschlossen»?
Das wäre Selbstaufgabe.
Exit ohne Exit-Strategie.
Leben, ohne zu leben.
Sterben, ohne zu sterben.
Das wünsche ich niemandem.
Glücksaufgabe
Sind dir auch schon solche «Dauerhaft geschlossen»-Menschen begegnet? Wo stehst du vielleicht selbst in Gefahr, ein solcher Mensch zu sein?
Wo erhältst du (freundschaftliche oder professionelle) Hilfe im Umgang mit schwierigen Lebenssituationen?
Und zu guter Letzt: Warum ist dein Leben lebenswert?