Neugierig trotz Vertrautheit

Die Liebe besteht zu drei Vierteln aus Neugier.
Giacomo Casanova

Dass Verliebtsein sehr viel mit Neugier und damit mit dem Interesse am noch nicht so vertrauten Gegenüber zu tun hat, ist nachvollziehbar. Vielleicht ist man sogar versucht zu sagen: Je kleiner die Vertrautheit, desto grösser die Neugier. Und häufig dann eben auch: Je mehr die Vertrautheit zunimmt, desto kleiner wird die Neugier.

Giacomo Casanova, venezianischer Schriftsteller aus dem 18. Jahrhundert, schreibt hier jedoch von der Liebe und nicht bloss vom Gefühl des Verliebtseins. Obwohl sein Lebenswandel darauf schliessen lässt, dass er wohl doch eher das Zweite meinte. Trotzdem: Es lohnt sich, darüber nachzudenken, ob auch in einer langjährigen Beziehung, in der hoffentlich eine grosse Vertrautheit herrscht, die Neugier tatsächlich drei Viertel der Liebe ausmacht.

Ob es wirklich 75 % sind, spielt nicht wirklich eine Rolle. Doch je länger ich über das Zitat nachdenke, umso mehr sehe ich darin effektiv eine sehr wertvolle Anregung für alle Liebespaare: Wenn ihr eure Liebe über die Phase des Verliebtseins retten wollt und auch nach zahlreichen Jahren des gemeinsamen Weges nicht einem Ehealltagstrott verfallen wollt, lohnt es sich, eine grosse Portion Neugier zu behalten.

Wie bleiben wir neugierig aufeinander?

Gerade vor paar Wochen war es wieder einmal soweit: Aus heiterem Himmel erzählt mir ein Bekannter, dass sich seine Frau von ihm getrennt hat. Nein, sie hätten keine grosse Krise gehabt, meinte er. „Da gab es schon schlechtere Zeiten in unserer Ehe.“ Aber scheinbar war in der Vertrautheit des Ehealltags etwas verloren gegangen und (ich mutmasse) die Neugier trieb die Frau in die Arme eines anderen.

Wie bleiben wir also füreinander interessant? Wie kann Neugier auch dann aufrechterhalten werden, wenn die Vertrautheit immer grösser wird?

  • Weiss ich wirklich schon alles von ihr/ihm?
    Kürzlich erzählte mir jemand, sie würden immer mal wieder Ferien an einer Kindheitsstation des Mannes machen. Gute Idee: Wo gibt es noch Spannendes aus der Kindheit meines Partners zu entdecken?
  • Interessant füreinander bleiben
    Die Vertrautheit der Familie führt manchmal auch dazu, dass wir uns ausswärts viel attraktiver geben, uns gerne von der besten „Schoggi“-Seite zeigen, während wir daheim nur noch unsere Schattenseite zeigen. Haben es unsere Liebsten und vor allem unser Partner nicht in besonderem Mass verdient, dass wir uns auch für sie anstrengen (uns schön machen, Herzlichkeit zeigen, mit kleinen Extras und Liebestaten überraschen…)?
  • Neues entdecken
    Bei unserem Timeout-Weekend für Paare unter dem Motto „Ich bin ich und du bist du“ kommt es jeweils zu spannenden Aha-Erlebnissen. Durch das Reflektieren des Persönlichkeitsstils von sich und vom Partner werden Neuentdeckungen gemacht und manche Ehealltagssituation erscheint in anderem Licht.
  • Gemeinsame Erlebnisse
    Vielleicht hilft es, wenn wir die (nicht mehr so stark vorhandene) Neugier nicht zu sehr nur auf den Partner fokussieren, sondern gemeinsam neugierig die Welt entdecken: Gemeinsame Unternehmungen, ungewohntes Essen in einem „neuen“ Restaurant, unbekannte Kulturen kennen lernen (auf Reisen, im Kino oder Theater). Ich bin mir fast sicher, dass so auch die Neugier auf den eigenen Partner wieder steigt.

Zudem ist es möglich und sehr empfehlenswert, die Neugier auch im Alltag zu kultivieren. Durch eine konstruktiv-aktive Kommunikation zeigen wir Interesse an dem, was der Partner durch den ganzen Tag hindurch erlebt. Das stärkt die Liebe.

 

WEITERFÜHRENDE ANGEBOTE

 

Mein Blogbeitrag dieser Woche dreht sich um den Lebensbereich “Liebe“.

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